MÜNCHEN (dpa-AFX) - Taifune in Japan, Waldbrände in Kalifornien und Australien: Für Rückversicherer hielt das Jahr 2019 gegen Ende noch einmal teure Überraschungen bereit. Dennoch sah der deutsche Branchenriese Munich Re darin keinen Grund, an seinen Gewinnplänen zu zweifeln. Analysten sind an diesem Punkt sogar noch optimistischer. Was beim Unternehmen los ist, was Experten sagen und was die Aktie macht:

DAS IST LOS BEI DER MUNICH RE:

Endlich Schluss machen mit den sinkenden Gewinnen: Was sich Munich-Re-Chef Joachim Wenning nach seinem Antritt an der Spitze des Dax-Konzerns vor knapp drei Jahren vorgenommen hatte, war zumindest im Folgejahr keine allzu große Kunst. Denn 2017 zerfledderte das bisher schwerste Naturkatastrophenjahr für die Versicherungsbranche den Überschuss des Konzerns auf weniger als 400 Millionen Euro. 2018 ging es für den Gewinn dank der dann deutlich gesunkenen Schäden bis auf 2,3 Milliarden Euro nach oben.

Jetzt aber gilt es für Wenning. Für 2019 hat der Manager einen Überschuss von 2,5 Milliarden Euro angepeilt. Zwar kamen ihm im dritten Quartal immense Katastrophenschäden durch Hurrikan "Dorian" in der Karibik und den USA sowie Taifun "Faxai" in Japan in die Quere. Doch die Belastungen konnte die Munich Re mit hohen Gewinnen aus Finanz- und Währungsgeschäften wettmachen. Und der Vorstand zeigte sich optimistisch, sein Gewinnziel im Gesamtjahr zu übertreffen.

Dabei verhießen die folgenden Monate nicht viel Gutes. Mit Taifun "Hagibis" in Japan sowie den Tornados und Waldbränden in den USA dürfte das vierte Quartal sehr schadenträchtig werden, hatte Finanzvorstand Christoph Jurecka Anfang November eingeräumt. Dennoch sah er den Konzern weiterhin auf Kurs, einen Gewinn von mehr als 2,5 Milliarden Euro einzufahren.

Dem Hauptkonkurrenten der Münchner, dem schweizerischen Rückversicherer Swiss Re, haben die Wirbelstürme, Waldbrände und das Flugverbot für den Mittelstreckenjet Boeing 737 Max indes 2019 ein weiteres hartes Jahr eingebrockt. Mit 727 Millionen US-Dollar (673 Millionen Euro) verdiente der Konzern zwar fast drei Viertel mehr als ein Jahr zuvor. Doch die Prämieneinnahmen im Schaden- und Unfallgeschäft reichten erneut nicht aus, um die Aufwendungen zu decken.

Die Bedingungen für Rückversicherer sind seit Jahren nicht rosig - auch wenn die Konzerne auf fetten Kapitalpolstern sitzen. Die Niedrigzinsen, ein Preiskampf im Kerngeschäft und die Digitalisierung machen den Unternehmen zu schaffen. Zumindest beim Prämienniveau zeichnet sich eine weitere Erholung ab. So meldete die Swiss Re nach der Vertragserneuerung im Schaden- und Unfallgeschäft zum Jahreswechsel um fünf Prozent gestiegene Preise.

Die Aktionäre sollen von der Misere wenig zu spüren bekommen. Wie die Swiss Re sattelt auch die Munich Re seit Jahren bei der Dividende drauf. Außerdem stecken beide Konzerne regelmäßig viel Geld in den Rückkauf eigener Aktien.

Mehr Gewinn soll absehbar auch der zur Munich Re gehörende Erstversicherer Ergo abliefern. Das Unternehmen aus Düsseldorf steckt in einer mehrjährigen Sanierungsphase, die erst im kommenden Jahr abgeschlossen sein soll. Für den Gesamtkonzern hat Wenning aber schon für 2020 eine Gewinnsteigerung in Aussicht gestellt: Der Überschuss soll 2,8 Milliarden Euro erreichen.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Für die Anteilseigner der Munich Re gab es im Jahr 2019 einigen Grund zur Freude. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte kletterte der Kurs steil nach oben. Im Gesamtjahr legte das Papier um 38 Prozent zu. Anfang 2020 ging die Rally zunächst weiter bis auf 284,20 Euro Mitte Februar - dann knickte der Kurs jedoch wieder deutlich ein. Seit dem Jahreswechsel lag er zuletzt mit knapp drei Prozent im Minus bei rund 255 Euro. Damit ist das Papier aber immer noch mehr als dreimal so viel wert wie nach der Tsunami- und Atomkatastrophe in der japanischen Stadt Fukushima sowie weiteren Naturereignissen im Jahr 2011.

Langjährige Anleger erinnern sich jedoch an ganz andere Achterbahnfahrten. Von fast 400 Euro im Jahr 2000 fiel der Kurs der Munich-Re-Aktie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, dem Zusammenbruch des Neuen Marktes und immensen Verlusten der Munich Re im Jahr 2003 auf rund 50 Euro. Nach einer milliardenschweren Kapitalerhöhung ging es - unterbrochen etwa von der Weltfinanzkrise 2008 - mit der Zeit deutlich aufwärts. Selbst die Hurrikan-Serie von 2017 hinterließ bei der Aktie nur leichte Spuren.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Die meisten Branchenexperten sehen für die Munich-Re-Aktie angesichts des erreichten Kursniveaus absehbar kaum noch Luft nach oben. Die im dpa-AFX Analyser erfassten Branchenexperten schreiben dem Papier im Schnitt ein Kursziel von rund 247 Euro zu und liegen damit sogar ein Stück weit unter dem jüngsten Kurs. Von 13 Analysten raten dementsprechend nur zwei zum Kauf der Aktie, einer tendiert zum Verkauf. Die Mehrheit rät mit "Halten" zum Abwarten.

Bei ihren Gewinnerwartungen für das abgelaufene Jahr sind die Experten allerdings noch optimistischer als der Vorstand. Von der Nachrichtenagentur Bloomberg bis Dienstag befragte Analysten rechnen im Schnitt mit einem Jahresüberschuss von gut 2,8 Milliarden Euro. Damit hätte Wenning sein eigentlich für 2020 gesetztes Gewinnziel schon ein Jahr früher erreicht. Für das neue Jahr erwarten die Experten in diesem Fall aber keinen großen Sprung mehr und gehen im Schnitt von 2,85 Milliarden Euro aus.

Dies liegt wohl auch daran, dass die Munich Re ähnlich wie Europas größter Versicherer Allianz die Folgen der seit einigen Monaten noch einmal verschärften Niedrigzinsen an anderer Stelle auffangen muss./stw/niw/men/zb