LONDON (Dow Jones)--Nestlés neuester Hoffnungsträger braucht viel Geduld und Spucke. Der Schweizer Lebensmittelriese hat jedoch nicht zu viel bezahlt, was dazu beitragen wird, dass die Renditen stimmen dürften. Diese Woche stimmte der Eigentümer von Kitkat-Schokoriegeln und Nespresso-Kaffee letztlich zu, The Bountiful Company von der Übernahmefirma KKR für 5,75 Milliarden US-Dollar aufzukaufen.

Das Unternehmen, das die Vitaminpräparate Solgar und Nature's Bounty herstellt, konnte seinen Umsatz im vergangenen Jahr um 12 Prozent steigern, da sich die verängstigten Verbraucher während der Pandemie mit immunitätssteigernden Produkten eindeckten. Nestlé geht nunmehr davon aus, dass sich das Wachstum der US-Nahrungsergänzungsmittel wieder auf die vor der Krise verzeichnete Rate von 5 Prozent bis 6 Prozent einpendelt, will aber durch die Übernahme von Marktanteilen schneller expandieren.


   Verkäufer KKR wollte aus Verkaufspreis nicht das Maximum herauspressen 

Nestlé hat Bountiful für das 16,8-Fache des vorjährigen Gewinns vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisationen (EBITDA) übernommen. Das ist in etwa das gleiche Vielfache, das Nestlé vor drei Jahren für Atrium Innovations, ein anderes Geschäft mit Nahrungsergänzungsmitteln, gezahlt hat. Zugleich rangiert es unter dem 17,5-Fachen des Durchschnitts für größere Transaktionen im Bereich Haushalts- und Körperpflegeprodukte seit 2005, basierend auf Daten von Bernstein.

Ein vernünftiger Preis reflektiert eine Reihe von Dingen. KKR, das das Unternehmen für einen Börsengang vorbereitet hatte, hält möglicherweise einen Verkauf für sicherer. Nach einem Jahrzehnt in Private-Equity-Händen wäre Bountiful mit einer hohen Schuldenlast auf den Markt gekommen, was einige Investoren möglicherweise abgeschreckt hätte. Und KKR stand nicht unter dem Druck, zu einem riesigen Multiplikator verkaufen zu müssen. Es kaufte sich 2017 zu einer viel niedrigeren Bewertung ein und erzielte eine interne Rendite von etwa 35 Prozent auf seine ursprüngliche Investition. Das Unternehmen war sogar bereit, einige margenschwache Sportnahrungsmarken auszugliedern, die Nestlé nicht haben wollte.


   Viel Potenzial in Lateinamerika und Asien 

Das Schweizer Unternehmen hatte andere Gründe, nicht zu viel zu zahlen. Ein bedeutender Teil des Umsatzes von Bountiful wird mit der Herstellung von Vitaminsortimenten für Supermarkt-Ketten und andere Einzelhändler erzielt. Nestlé-Chef Mark Schneider hat sich in der Vergangenheit kritisch über diese minderwertigen, standardisierten "Vitamin-Alphabet"-Produkte geäußert.

Dennoch ist der Rest des Geschäfts attraktiv und es gibt viele Möglichkeiten, es auf Vordermann zu bringen. Die Marken in andere Regionen wie Asien und Lateinamerika zu bringen - Bountiful macht derzeit den größten Teil seines Umsatzes in den USA -, ist eine naheliegende Option für ein solch globales Unternehmen. Nestlé hat diese Strategie mit dem globalen Lizenzgeschäft von Starbucks, das es 2018 gekauft hat, bereits erfolgreich umgesetzt. Der Online-Umsatz könnte auf die 40 Prozent von Atrium verdoppelt werden. Und etwa ein Viertel der Produktion von Bountiful stammt von Dritten. Die Verlagerung ins eigene Haus wird Geld sparen und die geringe EBITDA-Marge von 18 Prozent erhöhen.


   Nahrungsergänzungsmittel als Markt der Zukunft 

Nestlés jüngster Zukauf wird in der Health-Science-Sparte angesiedelt, die nach diesem Deal einen Jahresumsatz von 6 Milliarden Dollar erzielen dürfte. Die Investoren werden im Laufe des Jahres einen genaueren Blick auf die Sparte werfen, wenn die Zahlen zum ersten Mal bekannt gegeben werden. Der Umsatz wächst derzeit doppelt so schnell wie der Konzerndurchschnitt, obwohl die Margen vorerst niedriger sind.

Wenn Nestlé seinen Plan für Bountiful umsetzen kann, könnten Nahrungsergänzungsmittel neben Haustierprodukten und Kaffee zu einem weiteren Lichtblick im Portfolio werden. Das würde den weltgrößten Nahrungsmittelkonzern, der manchmal dafür kritisiert wird, dass er über Wellness spricht, während er Schokolade verkauft, zu einer gesünderen Perspektive für Investoren machen.

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April 30, 2021 11:29 ET (15:29 GMT)