Vevey (awp) - Nestlé ist im vergangenen Geschäftsjahr 2017 relativ langsam gewachsen. Unter dem Strich hat der weltgrösste Nahrungsmittelkonzern wegen einer Goodwill-Abschreibung auch deutlich weniger verdient als im Jahr davor, erhöht aber gleichwohl die Dividende leicht. Der Nestlé-Verwaltungsrat hat sich neulich auch mit dem Anteil am französischen Kosmetikkonzern L'Oréal befasst: es handle sich um eine wichtige Anlage. Ob das 23%-Paket aber bald verkauft wird, lässt Nestlé offen.

Die wichtigste Umsatzkenngrösse, das organische Wachstum, erreichte im Berichtsjahr 2,4%. Es setzte sich zusammen aus einem Mengenwachstum (RIG) von 1,6% und Preisanpassungen von 0,8%. Der Westschweizer Konzern blieb damit klar hinter den Werten der letzten Jahre zurück. Konzernchef Mark Schneider zeigt sich damit denn auch nicht zufrieden. "Das Wachstum lag unter unseren Erwartungen, insbesondere nach einer schwachen Umsatzentwicklung zum Ende des Jahres," wird er in der Mitteilung des Konzerns am Donnerstag zitiert.

Der Gesamt-Umsatz betrug 89,8 Mrd CHF (+0,4%).

CHINA WÄCHST WIEDER

Die höchsten Wachstumsraten unter den Segmenten erzielten die Zone AOA (+4,7%) sowie der Bereich 'Übrige Geschäfte' (+4,8%), zu dem etwa Nespesso gehört. Eher schwach entwickelten sich die Zone AMS (+0,9%) oder Nutrition (+1,1%). Gemäss den Angaben ist China letztes Jahr zu positivem Wachstum zurückgekehrt, dies u.a. durch eine Stabilisierung bei der lange kriselnden Yinlu. Bei den Produktkategorien stachen Getränke (+3,6%) und Haustiere (+3,0%) positiv hervor, Süsswaren (+0,3%) negativ.

Wie CEO Mark Schneider gegenüber Journalisten sagte, hat sich das Wachstum gegen Jahresende abgeschwächt. Herausfordernd sei vor allem das Handelsumfeld in Nordamerika und Brasilien, während die Entwicklung in Europa und Asien erfreulich sei.

HÖHERE DIVIDENDE TROTZ GEWINNRÜCKGANG

Die operative Gewinnmarge der Gruppe sank aufgrund hoher Restrukturierungskosten im vergangenen Jahr um 60 Basispunkte (BP) auf 14,7%, auf bereinigter Basis hingegen stieg sie um 40 BP auf 16,4%. Die Margenausweitung bei letzterer sei durch Effizienzgewinne und die Restrukturierungsinitiativen gestützt worden. Diese Kosteneinsparungen hätten die um etwa 900 Mio CHF höheren Rohstoffkosten weitgehend ausgeglichen, heisst es.

Der Reingewinn ging derweil wegen eines Goodwill-Abschreibers für den Bereich Nestlé Skin Health in Höhe von 2,8 Mrd um 16% auf 7,2 Mrd CHF zurück. Der Verwaltungsrat hält aber an seiner Politik der kontinuierlichen Dividendenerhöhung fest und schlägt eine Erhöhung um 5 Rappen auf 2,35 CHF pro Aktie vor. Mit den vorgelegten Zahlen wurden die Schätzungen der Analysten (AWP-Konsens) bis auf die bereinigte Marge verfehlt.

ZURÜCKHALTENDER AUSBLICK

Für das laufende Jahr rechnet das Nestlé-Management mit einem organischen Umsatz-Wachstum zwischen 2% und 4% sowie einer Verbesserung der zugrunde liegenden operativen Ergebnismarge. Nestlé-CEO Schneider sieht seine Gruppe auf Kurs, das gesetzte Margenziel bis 2020 zu erreichen.

Die relativ grosse Bandbreite beim organischen Wachstum begründete Schneider mit den aktuellen Unsicherheiten und Volatilitäten, aber auch mit dem frühen Stand im Jahr. Man werde - wie bereits letztes Jahr - den Range im Laufe des Jahres einengen. Er sagte zudem, dass beim organischen Wachstum auch dieses Jahr der grössere Teil vom Mengenwachstum (RIG) und nicht von den Preisen kommen werde. "Preiserhöhungen in selektiven Märkten wird es aber geben."

Die Restrukturierungskosten werden für 2018 auf etwa 700 Mio CHF veranschlagt.

VERTRAG MIT FAMILIE BETTENCOURT WIRD NICHT ERNEUERT

Eine weiterhin wichtige Anlage bleibt die Beteiligung an L'Oréal. Nestlé stehe zum Unternehmen, das über die Jahre sehr gute Renditen eingebracht habe. Um für die Nestlé-Aktionäre indes alle Optionen offen zu halten, werde das Abkommen zwischen Nestlé und der Familie Bettencourt, das am 21. März 2018 ausläuft, nicht mehr erneuert.

Nestlé beabsichtige aber nicht, die Beteiligung an L'Oréal zu erhöhen, und ist entschlossen, die konstruktive Beziehung zur Familie Bettencourt aufrechtzuerhalten, so die Mitteilung vom Donnerstag. Was das nun genau heisst und vor allem, ob der von gewissen Investoren geforderte Verkauf der Beteiligung in Erwägung gezogen wird, wollte Konzernchef Mark Schneider gegenüber Journalisten nicht kommentieren. "Jedes Wort dazu in der Mitteilung ist gut abgewogen. Weitere Ausführungen dazu wollen wir nicht machen", sagte er.

BETEILIGUNG AN GERBER LIFE INSURANCE AUF DEM PRÜFSTAND

Auf dem Prüfstand steht aber definitiv die Beteiligung am Gerber Life Insurance-Geschäft. Es werden strategische Optionen geprüft, schreibt Nestlé. Dazu gehöre auch eine mögliche Veräusserung. Das Geschäft wurde zusammen mit Gerber im Jahr 2007 von Novartis erworben und erwirtschaftete 2017 einen Umsatz von 840 Mio. Nestlé bleibt aber weiterhin fest entschlossen, das Gerber Babynahrungsgeschäft als Teil seiner Wachstumsplattform Säuglingsnahrung zu behalten und auszubauen.

INVESTOREN WENIG ERFREUT

Die Investoren zeigen sich im frühen Handel wenig erfreut von den News und trennen sich von den Papieren. Nestlé notieren kurz nach Eröffnung 2,6% tiefer und ziehen so auch den Gesamtmarkt nach unten. Analysten bemängeln vor allem die schwache Umsatzentwicklung im Schlussquartal und den sehr zurückhaltenden Ausblick.

uh/gab