FRANKFURT (dpa-AFX) - Anleger haben am Freitag enttäuscht auf das am Vorabend vorgelegte Zahlenwerk des Online-Videodienstes Netflix reagiert. Vor allem die Zahl der Neukunden im zweiten Quartal kam nicht gut an und auch der Ausblick auf das laufende Vierteljahr konnte nicht so recht überzeugen. An der Technologiebörse Nasdaq büßte die Aktie des US-Unternehmens vorbörslich 7,5 Prozent auf knapp 490 US-Dollar ein, nachdem sie allerdings erst am Montag ein Rekordhoch bei 506,50 Euro erreicht hatte und seit Jahresbeginn um rund 50 Prozent zugelegt hat.

Netflix hatte zwar die eigenen Schätzungen und auch die vieler Analysten übertroffen, doch unter den Anlegern hätten sich inzwischen "überzogene Erwartungen entwickelt", schrieb Marktexperte Jochen Stanzl von CMC Markets. Eigentlich sei damit gerechnet worden, dass der 'Stay at Home'-Trend weiter anhält und Netflix international kräftig Neugeschäft beschert. Doch vor allem international habe Netflix enttäuscht, "und das zu einem Zeitpunkt, wo mit Disney und anderen Anbietern auf dem heimischen Markt eine stärkere Konkurrenz entsteht".

Analysten wie Heath Terry von Goldman Sachs, Alex Giaimo von Jefferies oder auch Dough Anmuth von JPMorgan bleiben allerdings gelassen und unverändert zuversichtlich, was Netflix' langfristige Zukunft betrifft.

Anmuth empfahl außerdem, die Aktie im Zuge des Kurssturzes zu kaufen und hob das Kursziel von 535 auf 625 Dollar an. Die Zahl der Neukunden sei stark gewesen und habe mit unter dem Strich 10,1 Millionen neu abgeschlossenen Bezahlabos im zweiten Quartal die konzerneigene Erwartung und auch seine Schätzung übertroffen, schrieb er in einer Studie. Die Markterwartungen mit 11 oder sogar 12 Millionen Neukunden nannte der JPMorgan-Analyst zugleich recht hoch.

Den im Vergleich zum ersten Quartal nicht mehr so starken Anstieg der Neukundenzahl begründete Anmuth damit, dass es eine höhere Zahl an Kündigungen im zweiten Quartal gegeben habe. Denn in Europa etwa seien die Öffnungen der Volkswirtschaften nach den Corona-bedingten Lockdowns früher und schneller vonstatten gegangen als in den USA. Zudem verwies der JPMorgan-Experte darauf, dass die Zahl der Neukunden weltweit im Juni zwar gesunken sei, Netflix im Juli aber wieder zu Wachstum zurückgekehrt sei.

Auf diese Tatsache verwies auch Heath Terry von Goldman Sachs, senkte jedoch zugleich das Kursziel von 670 auf 600 Dollar. Denn er hatte für das zweite Quartal "wegen der Stärke der Downloads und rückläufiger Kündigungen" mit einem Anstieg der Neukundenzahl von 12,5 Millionen gerechnet.

Angesichts der massiven Investitionen von Netflix in Inhalte, der weltweiten Verbreitung und der sich verbessernden Wettbewerbsposition dürften die Finanzergebnisse des Online-Videodiensts laut Terry auch über die aktuelle Krise hinaus weiter deutlich über den Konsensschätzungen liegen. Daher bekräftigte er die Aktie als Titel auf der "Conviction Buy List" für besonders aussichtsreiche Werte./ck/bek/mis