TOKIO/PARIS (dpa-AFX) - Nach seiner Verhaftung in Japan wegen einer vermuteten Finanzaffäre soll der Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn zunächst für zehn weitere Tage festgehalten werden. Das entschied ein Bezirksgericht in Tokio am Mittwoch. Auch sein mutmaßlicher Komplize und ebenfalls verhaftete Nissan-Direktor Greg Kelly dürfe zunächst weiter in Haft gehalten werden.

In Frankreich gibt es unterdessen Sorge um den Bestand des riesigen Auto-Bündnisses: "Ohne Carlos Ghosn: Allianz Renault-Nissan in Gefahr", titelte die Hauptstadtzeitung "Le Parisien". Vor diesem Hintergrund kündigte der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire ein Treffen mit dem japanischen Wirtschaftsminister Hiroshige Seko am Donnerstag in Paris an. Beide Ressortchefs hatten sich bereits vorher demonstrativ hinter die Allianz gestellt. Diese ist laut Le Maire unabdingbar, um Zukunftsherausforderungen wie Elektroautos und autonome Fahrzeuge zu meistern.

Ghosn und Kelly waren am Montag wegen mutmaßlicher Verstöße gegen Börsenauflagen verhaftet worden. Internen Ermittlungen zufolge sollen die beiden Manager Geldbezüge in offiziellen Berichten an die japanische Börse falsch dargestellt und in Ghosns Fall zu niedrig beziffert haben. Medien hatten berichtet, Ghosn habe seit 2011 über einen Zeitraum von fünf Jahren insgesamt 5 Milliarden Yen (rund 40 Mio Euro) Einkommen zu wenig angegeben.

Japans zweitgrößter Autobauer werde Ghosn und Kelly voraussichtlich bei einer Vorstandssitzung am Donnerstag entlassen, hatte Nissan-Vorstandschef Hiroto Saikawa zu Wochenbeginn angekündigt. Darauf könnte in der kommenden Woche eine Kündigung Ghosns als Präsident von Mitsubishi Motors folgen. Der Hersteller ist Teil des Konglomerats, das bisher auf Ghosn zugeschnitten ist.

Renault hatte bereits am Dienstagabend seinem Vize-Generaldirektor Thierry Bolloré vorläufig die Geschäftsführung übertragen, solange Ghosn "verhindert" sei. Ghosn bleibe aber zunächst Vorsitzender und CEO.

Le Maire sagte mit Blick auf Bolloré und den amtierenden Verwaltungsratschef von Renault, Philippe Lagayette: "Die Führung von Renault ist solide, aber kommissarisch". Mit Blick auf die Vorwürfe gegen Ghosn sagte der Minister, bisher lägen in Frankreich keine Beweise vor: "Wir leben in einem Rechtsstaat."

Lagayette forderte Nissan auf, Informationen in dem Fall zu übermitteln. Dem Vernehmen nach kann Ghosn nicht dauerhaft an der Spitze von Renault bleiben, falls sich die gravierenden Vorwürfe gegen ihn bestätigen sollten. Der Staat hält bei Renault 15 Prozent der Anteile. Der Hersteller beschäftigt laut Le Maire allein in Frankreich rund 47 000 Menschen.

"Unsere uneingeschränkte Priorität ist die Stabilität von Renault, um die Beschäftigung abzusichern", sagte der französische Regierungssprecher Benjamin Griveaux nach einer Kabinettssitzung. "Es kommt nicht in Frage, dass diese Justiz-Ermittlung einen Konzern schwächt, der einer unserer industriellen Aushängeschilder ist (...)", resümierte Griveaux.

Der gebürtige Brasilianer Ghosn, der auch über die libanesische und französische Staatsbürgerschaft verfügt, ist bei Nissan derzeit Verwaltungsratschef und bei Renault Vorstandschef. Außerdem führt der schillernde Topmanager bisher die gemeinsame weitreichende Allianz der beiden Autobauer, die überkreuz aneinander beteiligt sind. Mit der Allianz schuf Ghosn ein riesiges Firmengeflecht. Im vergangen Jahr verkaufte die Allianz 10,6 Millionen Personenwagen und leichte Nutzfahrzeuge. Der weltgrößte Automobilbauer Volkswagen setzte nur dank seiner schweren Lkw und Busse noch mehr Fahrzeuge ab./tk/DP/men