Berlin (Reuters) - Die Ampel-Koalition hat letzte Streitpunkte für den beschleunigten Ausbau von Wind-, Solar- und Bioenergie ausgeräumt.

Damit soll erreicht werden, dass 2030 dann 80 Prozent des Stromverbrauchs von erneuerbaren Energien geliefert wird, wie aus den überarbeiteten Gesetzesentwürfen hervorgeht, die Reuters am Dienstag vorlagen. Das Ziel der Treibhausgas-Neutralität des gesamten Energiesektors soll jetzt "nach dem Kohleausstieg" angestrebt werden. Das von der Regierung vorgesehene Jahr 2035 kippte die FDP. Die gesamte Förderung des Ökostroms soll auch mit dem Aus für das letzten Kohlekraftwerk auslaufen. SPD-Vize-Fraktionschef Matthias Miersch äußerte sich zufrieden, dass jedes Bundesland im Schnitt zwei Prozent seiner Flächen für Windkraft ausweisen muss. Abstands-Regelungen der Länder können übergangen werden, wenn ein Land dieses Ziel nicht erreicht. "Das ist ein deutliches Signal, dass der Ausbau der Erneuerbaren jetzt höchste Priorität hat."

Das Gesetzespaket schließt neben dem Erneuerbaren Energien-Gesetz (EEG) weitere Vorhaben wie eine Änderung des Naturschutzgesetzes ein. Hier wurden Kompromisse zwischen dem Arten- und Naturschutz und besonders den geplanten Windparks ausgehandelt. Die bisher schleppende Genehmigungspraxis soll beschleunigt werden, indem Erneuerbare Energien als im überragenden öffentlichen Interesse liegend und der öffentlichen Sicherheit dienend eingestuft werden. Alle Vorhaben sollen am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden. Die Regierung begründet ihr Vorgehen mit einer dringend nötigen Beschleunigung des Ausbaus Erneuerbarer Energien mit dem Klimaschutz - aber auch mit dem Krieg in der Ukraine und der Sicherheitspolitik.

ZWEI PROZENT FLÄCHE FÜR WINDKRAFT

Besonders umstritten war lange, wie der Ausbau der Windkraft beschleunigt werden kann. Um dies durchzusetzen, soll nicht nur Planungs- und Baurecht, sondern auch das Naturschutz-Gesetz geändert werden. Zwar können die Abstandsregeln für Windräder zu Wohngebäuden dem Vorhaben zufolge zunächst in Kraft bleiben. Verfehlt ein Bundesland aber seine Flächenvorgaben, werden diese Regelungen hinfällig.

Bereits bis Juni 2023 müssen solche Vorschriften fallen, wie sie derzeit häufig selbst in bestehenden Windenergie-Gebieten greifen. Derzeit sind nur rund 0,8 Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen. Tatsächlich genutzt werden 0,5 Prozent. Widerstand von Anwohnern und Naturschützern sowie lange Genehmigungsverfahren bremsen Planungen. Ziel der Regierung ist, die Leistung der Windräder an Land bis 2030 auf 115 Gigawatt zu verdoppeln. Die installierte Solarleistung soll bis dann sogar fast verdreifacht werden.

Nicht durchsetzen konnte sich die Regierung wegen FDP-Bedenken bei den Fraktionen mit dem Vorschlag für sogenannten Differenz-Verträge: Dabei sollten Extra-Gewinne der Betreiber großer neuer Ökostrom-Kraftwerke abgeschöpft werden. Angesichts zuletzt sehr hoher Strompreise verlieren die staatlich garantierten Abnahmepreise für Investoren an Bedeutung, da sie ihren Strom direkt zu noch höheren Tarifen verkaufen können. Diese Zusatz-Einnahmen sollten nach den Regierungsplänen für Leitungsbau oder Naturschutz genutzt werden. Jetzt bleibt es bis zum Kohleausstieg beim bisherigen System, dass die Betreiber auf 20 Jahre garantierte Abnahmepreise für ihren Strom bekommen und Zusatz-Gewinne behalten können.

(Bericht: Markus Wacket und Andreas Rinke; redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)