Nachrichten und Einschätzungen zum russischen Aufmarsch und den Konflikt um die Ukraine:


Regierung: Neuer Bericht zu Nord Stream 2 "nicht in Wochen" 

Die Bundesregierung hat bekräftigt, dass die Neuauflage des zurückgezogenen Versorgungssicherheitsberichts zu Nord Stream 2 länger dauern dürfte. "So richtig konkretisieren möchte ich das nicht, aber ich rechne nicht in Wochen", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Der Bericht könne auch zu dem Ergebnis kommen, dass "die Versorgungssicherheit gefährdet" wäre. Dies sei aber rein hypothetischer Natur. Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums betonte, das Verfahren sei vorläufig gestoppt, denn die Neubewertung sei "zwingend juristisch erforderlich, weil sich die Sach- und Rechtslage immens verändert hat - bei Preis, Mengen und Sicherheit insgesamt". Zu möglichen Regressforderungen bei einem Aus für die Pipeline betonte die Sprecherin, sie wolle "hier nicht über hätte, wenn und aber spekulieren".


China lehnt Vergleiche zwischen Ukraine und dem Streit über Taiwan ab 

China hat Vergleiche zwischen der Ukraine-Krise und dem Streit über Taiwan zurückgewiesen. Die Regierung in Peking erklärte als Reaktion auf Äußerungen der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen, ein solcher Vergleich zeige einen "Mangel an grundlegendem Verständnis der Geschichte der Taiwan-Frage". Tsai hatte zuvor gesagt, es seien "ausländische Mächte", die versuchten, die Lage in der Ukraine zu manipulieren und die Moral in der Gesellschaft Taiwans zu untergraben. Sie forderte die Regierung auf, gegen diese "Kriegsführung in den Köpfen" erhöhte Aufmerksamkeit aufzubringen.


Baerbock droht Russland mit zusätzlichen Sanktionen 

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat Russland mit zusätzlichen Maßnahmen gedroht, sollte das Land die Souveränität der Ukraine weiter untergraben. Gleichzeitig rief sie Moskau erneut zu Gesprächen auf, um einen Krieg in Europa zu verhindern. "Wir werden alle harten Maßnahmen ergreifen, wenn das denn nötig ist", sagte Baerbock in Berlin nach einem Treffen mit ihrem französischen Kollegen. Der russische Präsident Wladimir Putin habe das Minsker Abkommen zur Beilegung der Ukraine-Krise einseitig zertrümmert. Dennoch müsse man weiter nach Wegen einer diplomatischen Beilegung des Konflikts suchen.


Raiffeisenverband: Keine Engpässe bei Weizen zu erwarten 

Der sich zuspitzende Konflikt zwischen Russland und der Ukraine wird sich nach Einschätzung des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV) derzeit nicht auf die Versorgungssicherheit von Weizen niederschlagen. "Wir befürchten aktuell keine Engpässe", betonte DRV-Hauptgeschäftsführer Henning Ehlers. Deutschland und die Europäische Union seien nicht zwingend auf Importe aus dieser Region angewiesen. "Wir haben einen Selbstversorgungsgrad von mehr als 100 Prozent; das ist in der aktuellen Situation sehr beruhigend." Darüber hinaus befinde sich nach Informationen des DRV in der Ukraine und in Russland nur noch wenig Brotweizen in den Exportlägern. Kurzfristige Auswirkungen auf die Brotpreise aufgrund veränderter Warenströme durch den Konflikt befürchtete der DRV-Hauptgeschäftsführer nicht.


Ukrainischer Sicherheitsrat fordert landesweiten Ausnahmezustand 

Der ukrainische Sicherheitsrat hat sich angesichts einer drohenden Invasion durch Russland für die Verhängung des landesweiten Ausnahmezustands ausgesprochen. "Das ukrainische Parlament muss diese Entscheidung innerhalb von 48 Stunden bestätigen", sagte der Sekretär des Rates, Oleksij Danilow. Die Maßnahme ermöglicht laut Danilow unter anderem verstärkte Ausweis- und Fahrzeugkontrollen. Zuvor hatte die ukrainische Regierung bereits ihre Bürger zum Verlassen Russlands aufgefordert. Das Militär ordnete zudem die Mobilisierung von Reservisten an.


IW: Deutschland muss bei Gasversorgung bis zum nächsten Winter nachbessern 

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) rät der Bundesregierung, wegen der angespannten Lage an der ukrainisch-russischen Grenze sich in der Gasversorgung bis zum nächsten Winter besser vorzubereiten. So sollten Knappheiten durch Mindestfüllstände der Gasspeicher bereits im nächsten Winter vermieden werden, raten die IW-Experten Andreas Fischer und Malte Küper in ihrem Gutachten im Auftrag der Atlantik-Brücke. "Langfristig gilt es, den Erdgasbezug auch mithilfe von LNG (Flüssiggas) zu diversifizieren und den Bedarf durch den Ausbau erneuerbarer Energien zu senken", so die Experten. In den vergangenen Jahren sei der LNG-Markt weltweit kräftig gewachsen. "In welchem Ausmaß Flüssiggas im Krisenfall nach Europa umgeleitet werden könnte, kann nicht sicher vorhergesagt werde", sagte Fischer. Deutschland verfüge aber über die notwendige Infrastruktur, um auf Alternativen zurückgreifen zu können und einen Lieferstopp "zumindest kurzfristig" auszugleichen.


Deutsche Industrie verurteilt russische Entscheidungen 

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat Russland einen "Verstoß gegen das Völkerrecht" vorgeworfen. "Wir verurteilen die Entscheidungen der russischen Regierung", erklärte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Die Anerkennung der ostukrainischen Separatistengebiete und die Entsendung von Truppen dorthin stellten eine klare Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine und des Minsker Abkommens dar. "Wir fordern Russland eindringlich dazu auf, internationales Recht zu respektieren", sagte der BDI-Präsident.


China wirft USA Verschärfung der Spannungen in Ukraine-Krise vor 

China hat den USA vorgeworfen, mit Sanktionen gegen Russland und Waffenlieferungen an Kiew die Lage in der Ukraine-Krise zu verschärfen. Die Maßnahmen der USA "erhöhen die Spannungen" und "erzeugen Panik", sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Hua Chunying. "Wenn jemand Öl ins Feuer gießt und die Schuld anderen zuschiebt, dann ist dieses Verhalten unverantwortlich und unmoralisch." Peking hat sich im Ukraine-Konflikt bislang zurückhaltend positioniert. Auf die Journalistenfrage nach möglichen chinesischen Strafmaßnahmen gegen Russland antwortete die Außenamtssprecherin: "Sanktionen waren noch nie ein grundlegender und wirksamer Weg zur Lösung von Problemen."


Transatlantik-Koordinator: Stopp von Nord-Stream 2 kommt zu spät 

Der Koordinator der Bundesregierung für transatlantische Zusammenarbeit, Peter Beyer (CDU), hat das lange Festhalten der neuen wie der alten Bundesregierung am Pipelineprojekt Nord Stream 2 kritisiert. Der formale Stopp von Nord Stream 2 sei jetzt "viel zu spät" gekommen, sagte Beyer dem Fernsehsender Phoenix. "Ich frage mich ernsthaft: Warum musste man so lange warten, bis es jetzt zum Krieg in der Ostukraine kommt?" Er hätte es schon zu einem viel früheren Zeitpunkt für sachlich richtig gehalten, wenn man sich politisch dazu positioniert hätte. Auch jetzt habe die Bundesregierung dies noch vermieden. "Eine klare Aussage des Bundeskanzlers oder des Wirtschaftsministers, der hierfür zuständig ist: 'Diese Pipeline wollen wir nicht', auch im Hinblick auf unsere europäischen und auch transatlantischen Partner, die darauf warten, die fehlt bisher", so Beyer.


IfW: Gasembargo träfe Russlands Wirtschaft am stärksten 

Ein Handelsstopp mit Gas träfe nach Berechnungen des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) die russische Wirtschaft als Sanktion des Westens am härtesten. Russlands Bruttoinlandsprodukt (BIP) würde dann um 2,9 Prozent einbrechen, erklärte das IfW. Deutschlands BIP dagegen würde sogar leicht um 0,1 Prozent zunehmen, ebenso würde das BIP der EU minimal steigen. Die Berechnungen gelten den Angaben zufolge ebenso für den Fall, dass ein Gasembargo von Seiten Russlands verhängt würde. Grund für das für Deutschland erwartete Plus sei, dass die westlichen Verbündeten die fehlenden Importe Russlands durch Produkte der Bündnispartner ersetzen würden und hier Deutschland besonders wettbewerbsfähig sei.


London hält russischen Angriff auf Kiew für sehr wahrscheinlich 

Die britische Regierung stuft die Wahrscheinlichkeit eines russischen Angriffs auf Kiew als hoch ein. "Wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass er seinen Plan für eine groß angelegte Invasion der Ukraine in die Tat umsetzen wird", sagte die britische Außenministerin Liz Truss mit Blick auf Russlands Präsident Wladimir Putin dem Sender Sky News. Auf die Frage, ob die russische Armee auf die ukrainische Hauptstadt Kiew vorrücken werde, antwortete sie: "Wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass dies zu seinen Plänen gehört." Putin hatte die Unabhängigkeit der Separatistengebiete in der Ostukraine anerkannt und die Entsendung von russischen Soldaten angekündigt. Truss zufolge ist unklar, ob dies bereits erfolgt ist. "Wir haben noch keine vollständigen Beweise dafür, dass das geschehen ist", sagte sie. Die derzeitige Lage sei "unklar".


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February 23, 2022 07:50 ET (12:50 GMT)