Nachrichten und Einschätzungen zum russischen Aufmarsch und den Konflikt um die Ukraine:


Transatlantik-Koordinator: Stopp von Nord-Stream 2 kommt zu spät 

Der Koordinator der Bundesregierung für transatlantische Zusammenarbeit, Peter Beyer (CDU), hat das lange Festhalten der neuen wie der alten Bundesregierung am Pipelineprojekt Nord Stream 2 kritisiert. Der formale Stopp von Nord Stream 2 sei jetzt "viel zu spät" gekommen, sagte Beyer dem Fernsehsender Phoenix. "Ich frage mich ernsthaft: Warum musste man so lange warten, bis es jetzt zum Krieg in der Ostukraine kommt?" Er hätte es schon zu einem viel früheren Zeitpunkt für sachlich richtig gehalten, wenn man sich politisch dazu positioniert hätte. Auch jetzt habe die Bundesregierung dies noch vermieden. "Eine klare Aussage des Bundeskanzlers oder des Wirtschaftsministers, der hierfür zuständig ist: 'Diese Pipeline wollen wir nicht', auch im Hinblick auf unsere europäischen und auch transatlantischen Partner, die darauf warten, die fehlt bisher", so Beyer.


IfW: Gasembargo träfe Russlands Wirtschaft am stärksten 

Ein Handelsstopp mit Gas träfe nach Berechnungen des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) die russische Wirtschaft als Sanktion des Westens am härtesten. Russlands Bruttoinlandsprodukt (BIP) würde dann um 2,9 Prozent einbrechen, erklärte das IfW. Deutschlands BIP dagegen würde sogar leicht um 0,1 Prozent zunehmen, ebenso würde das BIP der EU minimal steigen. Die Berechnungen gelten den Angaben zufolge ebenso für den Fall, dass ein Gasembargo von Seiten Russlands verhängt würde. Grund für das für Deutschland erwartete Plus sei, dass die westlichen Verbündeten die fehlenden Importe Russlands durch Produkte der Bündnispartner ersetzen würden und hier Deutschland besonders wettbewerbsfähig sei.


London hält russischen Angriff auf Kiew für sehr wahrscheinlich 

Die britische Regierung stuft die Wahrscheinlichkeit eines russischen Angriffs auf Kiew als hoch ein. "Wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass er seinen Plan für eine groß angelegte Invasion der Ukraine in die Tat umsetzen wird", sagte die britische Außenministerin Liz Truss mit Blick auf Russlands Präsident Wladimir Putin dem Sender Sky News. Auf die Frage, ob die russische Armee auf die ukrainische Hauptstadt Kiew vorrücken werde, antwortete sie: "Wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass dies zu seinen Plänen gehört." Putin hatte die Unabhängigkeit der Separatistengebiete in der Ostukraine anerkannt und die Entsendung von russischen Soldaten angekündigt. Truss zufolge ist unklar, ob dies bereits erfolgt ist. "Wir haben noch keine vollständigen Beweise dafür, dass das geschehen ist", sagte sie. Die derzeitige Lage sei "unklar".


Kiew fordert Staatsbürger zum Verlassen Russlands auf 

Angesichts einer drohenden Invasion durch Russland hat die Ukraine ihre Bürger zum Verlassen des Nachbarlandes aufgefordert. Weil eine "mögliche russische Aggression" zur Einschränkung der konsularischen Arbeit führen könne, "fordert das Außenministerium diejenigen auf, die sich in Russland befinden, das Land sofort zu verlassen", erklärte das Ministerium in Kiew. Zudem ordnete das Militär die Mobilisierung von Reservisten an. Die Mobilisierung betreffe Reservisten im Alter von 18 bis 60 Jahren für eine Dauer von maximal einem Jahr, teilten die ukrainischen Streitkräfte auf Facebook mit.


Strack-Zimmermann (FDP): Nord Stream 2 ist für uns tot 

Die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), geht nach dem vorläufigen Stopp des Zertifizierungsverfahrens für die Gaspipeline Nord Stream 2 davon aus, dass diese nicht wieder in Betrieb geht. "Ich kann mir das nicht vorstellen", sagte Strack-Zimmermann im ZDF-Morgenmagazin. "Für uns ist diese Leitung tot." Die Pipeline sei zwar als wirtschaftliches Projekt abgetan worden, habe aber immer das "geostrategische Moment" gehabt, Gas an der Ukraine vorbei zu liefern. Es sei gut, dass sie nun nicht an den Start gehe. "Es ist völlig undenkbar, mit Putin in ein Geschäft einzutreten, nach dem, was ... jetzt gerade geschehen ist." Es handele sich um eine "Invasion".


Putin erklärt Interessen Russlands für "nicht verhandelbar" 

Nach seinem Eskalationskurs im Ukraine-Konflikt hat Russlands Präsident Wladimir Putin die Interessen seines Landes als nicht "verhandelbar" bezeichnet. Gleichzeitig erklärte sich der Kreml-Chef zur Suche nach "diplomatischen Lösungen" bereit, wie er in einer Videoansprache sagte. "Unser Land ist immer offen für einen direkten und ehrlichen Dialog, für die Suche nach diplomatischen Lösungen für die komplexesten Probleme", betonte Putin. "Die Interessen Russlands, die Sicherheit unserer Bürger, sind für uns nicht verhandelbar", fügte er jedoch hinzu. Seine Ansprache hielt er anlässlich des Tages des Verteidigers des Vaterlandes, einem Feiertag in Russland.


Japan und Australien schließen sich Sanktionen gegen Russland an 

Nach den USA und der EU haben auch Japan und Australien Sanktionen gegen Russland wegen der Anerkennung der Separatisten-Gebiete in der Ostukraine angekündigt. Japans Premierminister Fumio Kishida kündigte ein Einreiseverbot für bestimmte Personen mit Verbindungen zu den "zwei sogenannten Republiken" der pro-russischen Separatisten an. Ihre Vermögenswerte in Japan sollen eingefroren und japanischen Unternehmen der Handel mit der Region untersagt werden. Außerdem will die Regierung den Handel mit russischen Staatsanleihen verbieten. Unterdessen kündigte Australiens Premierminister Scott Morrison Sanktionen gegen acht der wichtigsten Sicherheitsberater von Russlands Präsident Wladimir Putin an. Zudem will die Regierung gegen Banken vorgehen, die mit dem russischen Militär in Verbindung stehen. Morrison kündigte außerdem an, dass er die Bearbeitung von Visa für rund 430 Ukrainer, die nach Australien einreisen wollen, beschleunigen werde


Energieexpertin: Keine unmittelbare Gas-Krise für Deutschland durch Ukraine-Konflikt 

Die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, sieht keine unmittelbare Krise in der deutschen Gasversorgung wegen der Zuspitzung des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine. Ob Deutschland seinen Gasverbrauch drosseln müsste, hänge davon ab, "ob und wann es zu Lieferunterbrechungen oder gar Ausfällen kommt", sagte Kemfert der Neuen Osnabrücker Zeitung. "Ohne Frage sind wir in einer ernsten Situation, inmitten eines fossilen Krieges." Deutschland könne aber einen Teil seines Gases aus anderen Quellen beziehen.


Ukrainischer Botschafter: Russland hat "auch Deutschland den Krieg erklärt" 

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hat vor einer drastischen Ausweitung des Ukraine-Konflikts gewarnt. Die Anerkennung der "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk durch Moskau sei "eine offene Kriegserklärung. Nicht nur an die Ukraine, sondern auch an Deutschland, an die ganze freie Welt", sagte Melnyk den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Die Gefahr eines neuen Weltkriegs in Europa ist sehr real und sogar zum Greifen nah." Der russische Präsident Wladimir Putin verfolge "seine wahnsinnigen Interessen auf brutalste Weise - bis jetzt fast ohne Widerstand des Westens", kritisierte der Diplomat.


Trump bezeichnet Putins Vorgehen in Ukraine-Konflikt als "genial" 

"Genial", "smart", "ausgebufft": Mit einem ungewöhnlichen Lob für das Vorgehen des russischen Staatschefs Wladimir Putin gegen die Ukraine hat der frühere US-Präsident Donald Trump für Aufsehen gesorgt. Als "genial" bezeichnete Trump am Dienstag in einem Radiointerview Putins Ankündigung, die Separatistengebiete in der Ostukraine anzuerkennen und Soldaten in die Region zu entsenden. Der russische Präsident sei "smart" und "ausgebufft". Der 75-jährige Republikaner schilderte im Interview mit den konservativen Radio- und Podcast-Moderatoren Buck Sexton und Clay Travis, wie er sich am Vortag Putins Rede zur Anerkennung der selbsternannten "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk im Fernsehen angeschaut habe. "Ich habe gesagt: 'Das ist genial.' Putin erklärt einen großen Teil der Ukraine für unabhängig. Oh, das ist wunderbar."


Kanada kündigt ebenfalls Sanktionen gegen Russland im Ukraine-Konflikt an 

Der kanadische Premierminister Justin Trudeau hat eine "Reihe von Wirtschaftssanktionen" gegen Russland wegen der Anerkennung der Separatistengebiete in der Ostukraine angekündigt. Diese sollten gelten, "bis die territoriale Integrität der Ukraine wiederhergestellt ist", sagte der kanadische Regierungschef. Die Sanktionen "verbieten" unter anderem "Transaktionen" zwischen Kanada und den Separatisten-Gebieten. Kanadier dürfen zudem keine russischen Staatsanleihen mehr kaufen. Kanada verbietet auch Finanzgeschäfte mit russischen Banken mit Verbindungen zum Staat.

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February 23, 2022 05:37 ET (10:37 GMT)