(neu: Spahn zu Impfstoff-Lieferungen Anfang kommender Woche)

BERLIN (dpa-AFX) - Aus Sorge wegen der kritischen Corona-Lage ziehen Bund und Länder ihre Beratungen über mögliche schärfere Beschränkungen auf nächste Woche vor. Bereits an diesem Dienstag ist dazu nun eine Schaltkonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten geplant, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin sagte. Gleichzeitig gab es Hiobsbotschaften beim Thema Impfen: Der Konzern Pfizer kann den mit dem Hersteller Biontech entwickelten Impfstoff vorerst nicht wie versprochen liefern. Für Anfang nächster Woche angekündigte Mengen sollen aber kommen.

Ursprünglich war die nächste Bund-Länder-Beratung erst für 25. Januar vorgesehen. Auch angesichts einer neuen, wohl ansteckenderen Virus-Variante mehren sich nun aber Forderungen nach zusätzlichen Maßnahmen. Ein schon verschärfter Lockdown ist vorerst bis 31. Januar vorgesehen. Seibert sagte, die Zahl der Neuinfektionen sei weiterhin viel zu hoch und verwies zudem auf eine Virus-Mutation, die in Irland und Großbritannien zu einem extremen Anstieg der Fälle geführt habe.

Nötig sei, noch mehr zu tun, um Kontakte zu reduzieren. Auch im öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) mit Bussen und Bahnen gehe es darum, Wege zu finden, wie Kontakte unter Fahrgästen ausgedünnt werden könnten. Dies heiße aber nicht, den ÖPNV einzustellen, betonte der Regierungssprecher. Zielmarke bleibe, in Deutschland zu einem Niveau von weniger als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen zu kommen, bekräftigte Seibert. Zu konkreten möglichen Verschärfungen der Corona-Maßnahmen äußerte sich er sich nicht.

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), sagte der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf das Thema Homeoffice, er sehe bei Unternehmen noch Spielraum. Sie sollten in der aktuell angespannten Lage begründen müssen, warum Mitarbeiter noch vor Ort und in Präsenz arbeiten müssten, wenn andere Möglichkeiten vorhanden seien. Ein weiterer Baustein sollten mehr Schnelltests und Selbsttests sein. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief bei einem gemeinsamen Auftritt mit Spitzenvertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu mehr Arbeit im Homeoffice auf.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sprach sich dafür aus, Kontaktbeschränkungen für zwei bis drei Wochen drastisch zu verschärfen. Man habe die Erfahrung machen müssen: "Reduzierung von Inzidenz geht nur mit ganz hartem Lockdown". Der bisherige "softe Lockdown mit offenen Schulen, Kindergärten, mit offenen Einkaufsmöglichkeiten bringt nichts. Deswegen: Hart und konsequent."

Bundesweit liegt die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen nun bei 146, wie das bundeseigene Robert Koch-Institut (RKI) am Freitag bekannt gab. Der Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 verzeichnet worden. Bundesweit meldeten die Gesundheitsämter 22 368 neue Infektionen in 24 Stunden. Damit überstieg die Zahl der seit Beginn der Pandemie bekanntgewordenen Fälle die Marke von zwei Millionen. Außerdem wurden nun 1113 neue Todesfälle binnen eines Tages gemeldet.

Schlechte Nachrichten kamen am Freitag im Zusammenhang mit den Corona-Impfungen, die in Deutschland seit 26. Dezember laufen. Über die EU-Kommission sei mitgeteilt worden, dass Pfizer wegen Umbauten in seinem belgischen Werk Puurs bereits zugesagte Liefermenge für die nächsten drei bis vier Wochen nicht voll werde einhalten können, erklärte das Bundesgesundheitsministerium. Es geht demnach um eine Erhöhung der Produktionskapazitäten. Wie der Konzern mitteilte, würden die Änderungen in der Fabrik Ende Februar und im März zu einer signifikant höheren Anzahl an Impfdosen führen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und seine Länderkollegen berieten am Nachmittag in einer Schaltkonferenz über die Lage. Man nehme "diese sehr kurzfristige wie unerwartete Mitteilung der (EU-)Kommission und von Pfizer mit Bedauern zur Kenntnis", hieß es. Bund und Länder erwarteten, dass die Kommission in den Verhandlungen mit Pfizer schnellstmöglich Klarheit und Sicherheit für die weiteren Lieferungen und Lieferdaten schaffe.

Spahn erläuterte, dass die Lieferungen für diesen Montag und Dienstag in der geplanten Größenordnung gesichert seien. Insgesamt sei bei den Liefermengen davon auszugehen, dass es zunächst "leicht weniger" wird - anschließend dann aber spürbar mehr, sagte Spahn in einem gemeinsamen Internetvideo mit Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kurz vor Beginn des CDU-Parteitags am Freitagabend.

Pfizer und der Mainzer Partner Biontech hatten als erste eine europäische Impfstoffzulassung erhalten. Inzwischen ist auch das Mittel des US-Herstellers Moderna zugelassen. Wie groß die Mengen an Impfstoff sind, die in den kommenden vier Wochen nun nicht zur Verfügung stehen, blieb für Deutschland zunächst unklar. Pfizer will nach Angaben von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen seine Lieferzusagen für das ersten Quartal insgesamt einhalten. Das habe ihr der Unternehmenschef bei einem Anruf versichert.

"Die vorübergehende Reduzierung betrifft alle europäischen Länder", teilte das norwegische Gesundheitsinstitut FHI mit. Dort wird in der nächsten Kalenderwoche mit nur rund 36 000 statt wie ursprünglich knapp 44 000 Pfizer-Impfdosen gerechnet. Aus Schweden hieß es, dass mit rund 15 Prozent weniger Impfdosen gerechnet werde./sam/jr/abc/ax/DP/stw