BERLIN (dpa-AFX) - Die Bundesregierung hat trotz leicht sinkender Infektionszahlen um Unterstützung für längere Corona-Beschränkungen mit neuen Vorgaben bis in den Februar geworben. "Das ist mit diesem Lockdown so wie mit einem Antibiotikum: Wenn Sie zu früh aufhören, kann es anschließend noch schlimmer werden", sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Mittwoch. Gerade weil die Infektionszahlen auf dem richtigen Weg zu sein scheinen, gelte es, die Anstrengungen nun so zu verstärken, "dass wir die Zahlen richtig runter bringen". Über den Umgang mit weiter geschlossenen Schulen wird aber bereits diskutiert. Wegen geringerer Impfstoff-Lieferungen in der kommenden Woche kämpfen einige Bundesländer mit organisatorischen Problemen.

Spahn sagte in Berlin, es gehe darum, beim Infektionsgeschehen in eine Größenordnung zu kommen, die über einen längeren Zeitraum etwa beim Verfolgen von Infektionsketten und der Kontrolle von Quarantäne beherrschbar sei. "Ich möchte nicht, dass wir uns am Ende vorwerfen müssen, wir haben zu früh gelockert, und nach vier Wochen waren wir wieder da, wo wir vorher waren." Mit Blick auf neue, wohl ansteckendere Virusvarianten gelte zudem das Vorsorgeprinzip. "Wenn wir die Mutation erstmal überall haben, ist es im Zweifel zu spät."

Auch aus Sorge davor hatten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten am Dienstagabend beschlossen, den bis Ende Januar vorgesehenen Lockdown mit Schließungen zahlreicher Einrichtungen bis 14. Februar zu verlängern. In den Schulen soll es weiter keinen Präsenzunterricht geben. Vereinbart worden sei hier eine restriktive Handhabung, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz. Der Bund gehe davon aus, "dass auch so umgesetzt wird". Es gibt in einzelnen Ländern allerdings Überlegungen, zumindest an den Grundschulen schon früher wieder in den Präsenzbetrieb einzusteigen.

Bundesweit ging die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in 7 Tagen nun auf 123 zurück, wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Mittwoch bekanntgab - der Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 verzeichnet worden. Die Zahl schwankte danach und sinkt seit einigen Tagen wieder. Die Unterschiede zwischen den Ländern sind aber weiter groß - von Thüringen mit 238 bis Bremen mit 79. Erklärtes Ziel von Bund und Ländern ist bundesweit ein Niveau von weniger als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in einer Woche.

Beschlossen wurden dafür auch neue Vorgaben etwa zu mehr Arbeiten von zu Hause und besser schützenden Masken in Bussen, Bahnen und Läden - hochwertigere FFP2-Masken oder günstigere OP-Masken. Laut Spahn gibt es derzeit keine Erkenntnisse über Engpässe bei Masken, lokal oder zu bestimmten Zeiten könne es dazu kommen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) legte im Kabinett eine Homeoffice-Verordnung vor. Firmen sollen Beschäftigten demnach im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anbieten, zu Hause zu arbeiten, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe dagegensprechen. Viele Unternehmen zeigten, was möglich sei, sagte Heil. "Jetzt müssen es alle."

Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, rechnet mit einer weiteren Verlängerung der Corona-Maßnahmen über Mitte Februar hinaus. Man müsse die Menschen daran gewöhnen, dass das jetzt eine Lebensform für den Rest des Winters sei, mit der man leben müsse, sagte er im SWR. Der Vorsitzender der Intensivmediziner-Vereinigung Divi, Gernot Marx, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Wir werden mindestens bis Ende Februar oder Anfang März benötigen, wenn die Maßnahmen wie jetzt zu beobachten greifen, um die Patientenzahl auf den Hochpunkt der ersten Welle zu drücken - knapp unter 3000." Am Mittwoch waren rund 4800 Corona-Patienten auf Intensivstationen.

Nordrhein-Westfalen verschiebt den Start der Impfungen für Über-80-Jährige, die zu Hause leben. Die 53 Impfzentren im Land nehmen ihren Betrieb nun eine Woche später, also am 8. Februar, auf, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Zudem wurde ein Impfstopp in Krankenhäusern verhängt. Hintergrund sind vorübergehend geringere Impfstoff-Lieferungen der Hersteller Biontech und Pfizer an alle Länder in der kommenden Woche wegen Umbauten in einem Abfüllwerk.

Auch andere Länder verschieben deswegen teils Terminplanungen. Spahn sagte, es könne im Prozess immer etwas passieren. Er äußerte sich aber erneut verärgert über eine kurzfristige Information der Firmen. Er sei den Ländern dankbar, die mit Hochdruck daran arbeiteten, Folgen für die Bürger in den nächsten zwei bis drei Wochen so gering wie möglich zu halten. Ab Anfang Februar soll die Zahl der Dosen wieder über Plan liegen, wie das Ministerium erläuterte. Hintergrund ist, dass jetzt sechs statt fünf Dosen je Ampulle möglich sind./sam/jr/DP/nas