BERLIN (dpa-AFX) - In der Koalition deutet sich nach langem Ringen eine mögliche gemeinsame Linie bei weiteren Werbebeschränkungen fürs Rauchen an. Die SPD begrüßte Bewegung bei der Union, die am Dienstag über ein Papier dazu beraten will - es sieht zeitlich gestaffelte Verbote der Plakatwerbung ab 2022 vor. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Ich bin froh, dass nach jahrelanger Blockade bei der Union jetzt offenbar klare Bereitschaft besteht, endlich einem umfassenden Verbot der Tabakaußenwerbung zuzustimmen." Ihm komme es insbesondere darauf an, alle Tabakprodukte und auch E-Zigaretten mit einzubeziehen.

Die Unionsfraktion will in ihrer Sitzung am Dienstag (15.00) über ein Positionspapier abstimmen. Geplant ist demnach für klassische Tabakprodukte ein Verbot der Plakatwerbung ab 1. Januar 2022. Für Tabakerhitzer soll ein weitgehendes Außenwerbeverbot ab 1. Januar 2023 greifen, für E-Zigaretten ab 1. Januar 2024. Schon ab 1. Januar 2021 tabu sein soll unter anderem Kinowerbung bei allen Filmen, die für Jugendliche unter 18 Jahren freigegeben sind.

Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU), die auch für gesundheitlichen Verbraucherschutz zuständig ist, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Egal ob Filter- oder E-Zigarette: Jedenfalls nikotinhaltige Produkte sollten nicht beworben werden dürfen. Weder im Kino noch auf Plakaten." Die Entscheidung liege nun aber im Parlament. Die Koalitionsabgeordneten seien dabei, sich über eine gemeinsame Gesetzesinitiative zu verständigen.

Über einen neuen Anlauf verhandelt die Koalition seit mehreren Monaten, nachdem die Union generellen Widerstand aufgegeben hatte. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich für ein Verbot ausgesprochen und "eine Haltung" dazu bis Jahresende in Aussicht gestellt. In der vorigen Wahlperiode war ein Anlauf an der Union gescheitert. Das Kabinett stimmte 2016 einem Entwurf des Ernährungsministeriums zu, Werbung auf Plakatwänden und im Kino ab 2020 weitgehend zu verbieten. Das Gesetz wurde im Bundestag aber nie beschlossen. Verboten ist Tabakwerbung etwa schon in Radio und TV, Zeitungen und Zeitschriften.

In den Blick nehmen wollen Union und SPD auch Gesundheitsrisiken bei E-Zigaretten. "Wir werden sicherstellen, dass die Inhaltsstoffe der E-Zigaretten besser erforscht, kontinuierlich kontrolliert und wo notwendig, klar verboten werden", sagte SPD-Politiker Miersch. Die Union hat sich für ein "Verbraucher- und Jugendschutzpaket" stark gemacht, um Inhaltsstoffe nikotinfreier Liquids so zu regeln wie bei nikotinhaltigen. Wer auf Nikotin verzichte, sei bisher ungeschützter, hatte Fraktionsvize Gitta Connemann (CDU) gesagt. "Das ist absurd."

Druck für umfassende Werbeverbote machen Mediziner und auch die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU). Ärztepräsident Klaus Reinhardt hatte kritisiert: "Es ist unverständlich, dass wir das Werbeverbot als letztes Land in der EU immer noch nicht vollständig durchgesetzt haben." Die Ärzteschaft sei klar für ein generelles Verbot, auch für E-Zigaretten. "Da kann man der Industrie nicht entgegenkommen. Rauchen ist schädlich, Punkt." Laut Drogenbericht der Bundesregierung sterben jährlich rund 121 000 Menschen an Folgen des Tabakrauchens, bei dem eine Vielzahl an Giftstoffen aufgenommen wird.

Ludwig sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag): "Wir brauchen in Deutschland endlich ein Werbeverbot für Tabakprodukte." Dieses Verbot müsse auch für die Werbung für E-Zigaretten gelten. Deutschland sei europaweit das einzige Land, in dem es auf der Straße und in Kinos noch Tabakwerbung geben dürfe, kritisierte sie. Damit müsse Schluss sein: "Es geht darum, vor allem Jugendliche zu schützen."

Deutschland ist auch einer Konvention der Weltgesundheitsorganisation WHO beigetreten, die weitere Werbeverbote vorsieht. Die Tabakbranche warnt dagegen vor "unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffen" in die Freiheit zu werben. Maßgebend für den Rauchbeginn besonders von Minderjährigen sei das Rauchverhalten in Freundeskreis und Familie - nicht Werbung für Tabakerzeugnisse. Verbraucher könnten sich ohne Werbung zudem nicht über weniger schädliche Alternativen informieren./sam/DP/jha