LONDON (dpa-AFX) - Schon eine Zigarette am Tag erhöht das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und Schlaganfall erheblich. Trotz stark reduzierter Zigarettenzahl ist das Risiko noch etwa halb so groß wie bei Rauchern, die 20 Zigaretten am Tag konsumieren, berichten Forscher im "British Medical Journal". Es bringe im Hinblick auf diese Erkrankungen nichts, das Rauchen einzuschränken, schreiben die Wissenschaftler. Raucher sollten ihr Laster stattdessen komplett ablegen.

Etwa eine Milliarde Menschen auf der Welt sind derzeit Raucher, schreiben die Forscher um Allan Hackshaw vom University College London in dem Fachartikel. Vor allem in vielen ärmeren Ländern sei ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung hoch. Dass Rauchen nicht nur das Krebsrisiko, sondern auch das Risiko für Schlaganfall und koronare Herzerkrankungen erhöht, ist schon lange bekannt. Bei einer koronaren Herzerkrankung sind die Herzkranzgefäße verengt oder verschlossen, ein Herzinfarkt kann die Folge sein.

In einigen Ländern wie Großbritannien und den USA sei in den letzten Jahren der Anteil der leichten Raucher, die weniger als zehn Zigaretten am Tag rauchen, kontinuierlich gestiegen. Nicht wenige Menschen glaubten, dass es der Gesundheit nicht oder nicht so sehr schade, wenn man nur einige Zigaretten täglich raucht, so die Forscher weiter. Dass das so nicht stimmt, ließen bereits einige Studien vermuten. Sie zeigten, dass auch leichte Raucher ein stark erhöhtes Risiko für Herzerkrankungen haben. Um dem genauer auf den Grund zu gehen, werteten die Forscher insgesamt 141 Studien zum Thema aus, die zwischen 1946 und Mai 2015 veröffentlicht wurden.

Einige der Ergebnisse: Männer, die etwa eine Zigarette am Tag rauchen, haben ein um 48 Prozent höheres Risiko für Herzerkrankungen und ein um 25 Prozent erhöhtes Risiko für Schlaganfall als Nichtraucher. Bei Frauen stieg das Risiko noch stärker: um 57 Prozent für Herzerkrankungen und um 31 Prozent für Schlaganfall. Zusammengenommen tragen Raucher, die eine Zigarette am Tag rauchen, noch 40 bis 50 Prozent des erhöhten Risiko, das mit dem Rauchen von 20 Zigaretten täglich einhergeht.

"Wir haben gezeigt, dass ein Großteil des Risikos für koronare Herzerkrankungen und Schlaganfall von dem Rauchen nur einiger weniger Zigaretten täglich kommt", erläutern die Autoren. "Das überrascht viele Menschen vielleicht. Es gibt aber biologische Mechanismen, die das unerwartet hohe Risiko im Zusammenhang mit dem Wenig-Rauchen erklären."

So hätten Studien gezeigt, dass Inhaltsstoffe im Zigarettenrauch etwa die Auskleidung der Blutgefäße schädigten und Atherosklerose und Thrombosen verursachten. Schädliche Wirkungen träten schon bei geringen Konzentrationen auf, teils selbst bei Passivrauchern. Bei Lungenkrebs hingegen steige das Risiko proportional mit der Zahl der täglich gerauchten Zigaretten.

Unter Fachleuten sei schon länger bekannt, dass die Inhaltsstoffe im Tabakrauch schon in sehr geringen Dosen vor allem das Herz-Kreislauf-System schädigten, bestätigt Ute Mons, Leiterin der Stabstelle Krebsprävention und des WHO-Kollaborationszentrums für Tabakkontrolle am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. In der Allgemeinbevölkerung und selbst unter Ärzten sei das häufig noch nicht bekannt.

"Für das gesamte Krankheitsrisiko ist es natürlich immer noch besser, 2 anstatt 20 Zigaretten am Tag zu rauchen. Aber man darf die Risiken des Wenig-Rauchens nicht unterschätzen." Auf Bevölkerungsebene bedeute der in der Studie festgestellte Anstieg des Risikos um etwa 50 Prozent bei einer Zigarette täglich eine ganz erhebliche Zahl von Krankheitsfällen, weil kardiovaskuläre Erkrankungen insgesamt schon sehr häufig seien.

Raucher sollten am besten ganz mit dem Rauchen aufhören, schreiben die Wissenschaftler. Auch Gesundheitskampagnen sollten auf die vollständige Abstinenz - und nicht auf das Weniger-Rauchen - zielen. Anders als bei Krebs träten viele der positiven Effekte schnell ein. Nach Ansicht der Wissenschaftler können Raucher auch mit Hilfe von Nikotinersatzprodukten oder E-Zigaretten aufhören. Letztere würden von etlichen Experten als wesentlich sicherer bewertet als Zigaretten.

Diese Ansicht teilt Kenneth Johnson von der University of Ottawa (Kanada), der einen Kommentar zu der Studie geschrieben hat, nicht. E-Zigaretten hielten viele Menschen vom Aufhören ab, verführten womöglich noch junge Menschen zum Rauchen. Da viele "Dampfer" zudem noch gelegentlich richtige Zigaretten rauchten, profitiere ihre Gesundheit nicht.

"Wenn man auf E-Zigaretten umsteigt, sollte man das ganz tun", sagt auch Ute Mons vom DKFZ. Noch seien die gesundheitlichen Auswirkungen von E-Zigaretten, vor allem auf das Herz-Kreislaufsystem, schwer abzuschätzen, weil es noch keine Langzeitstudien dazu gibt. Sie enthielten allerdings kaum krebserzeugende Substanzen. Die meisten Experten seien mittlerweile der Ansicht, dass E-Zigaretten zumindest weniger schädlich sind als richtige Zigaretten.

In Deutschland sterben jedes Jahr 121 000 Menschen an Krankheiten, die auf das Rauchen zurückzuführen sind, etwa 35 000 davon an Herz-Kreislauferkrankungen./ags/DP/she