Von Quentin Webb und Rebecca Feng

HONGKONG (Dow Jones)--Die chinesische Ping An Insurance hat im Stillen die Rolle eines Aktionärsaktivisten übernommen. Sie setzt dabei HSBC unter Druck, eine Umstrukturierung zu erwägen, die eines der größten Finanzinstitute der Welt auf den Kopf stellen könnte. Der chinesische Finanzriese gab 2017 erstmals seine Beteiligung an HSBC bekannt und ist nun mit einem Anteil von mehr als 8 Prozent der größte Aktionär des britischen Kreditinstituts. Ping An möchte, dass sich HSBC umbaut und ein noch größeres Augenmerk aufs große Asiengeschäft setzt. Und diese Geschäfte sollen dann weniger an die Regulierungsbehörden in London gebunden sein.

Ein Erfolg könnte möglicherweise dazu führen, dass HSBC Anteile seines asiatischen Geschäftsbereichs verkauft, um eine separate Notierung für das auf Hongkong konzentrierte Geschäft zu schaffen. Dieses brachte im vergangenen Jahr fast 65 Prozent des HSBC-Gewinns-vor-Steuern in Höhe von 18,9 Milliarden US-Dollar ein. Eine radikalere Lösung wäre, die Bank in zwei Teile zu zerlegen, indem HSBC in Asien an die Aktionäre ausgegliedert wird. Die HSBC beendete das vergangene Jahr mit einer Bilanzsumme von 3 Billionen Dollar. Gemessen am Marktwert ist sie Europas größte Bank, wie Daten von S&P Global Market Intelligence zeigen - mit einem Wert von etwa 125 Milliarden Dollar zum Börsenschluss Ende der Vorwoche. Die in Hongkong notierte Aktie der Bank ist derweil seit Dezember 2017 um mehr als ein Drittel gefallen, als der Versicherer Ping An erstmals eine bedeutende Beteiligung meldete, nachdem er seinen Anteil auf mehr als 5 Prozent hochgeschraubt hatte.


   Ping An agiert äußerst vorsichtig 

Für Ping An - selbst Chinas wertvollster börsennotierter Versicherer mit einer Marktkapitalisierung von etwa 122 Milliarden Dollar - ist dies ein beispielloser Schritt in den globalen Aktionärsaktivismus. Ping An geht dabei mit einer gewissen Vorsicht vor, nachdem es seine Beteiligung an HSBC zuvor als reine Finanzinvestition bezeichnet hatte, die dazu beitragen soll, Renditen für sein Versicherungsgeschäft zu erzielen. Das chinesische Konglomerat hat im Vorfeld der HSBC-Ergebnisse fürs erste Quartal und der jährlichen Aktionärsversammlung, die beide in der vergangenen Woche stattfanden, seine Argumente zunächst anonym mit Hilfe einer PR-Firma vorgebracht, so Insider. Ende der Vorwoche nannten Bloomberg und die Financial Times Ping An als den Investor, der einen Kurswechsel wünscht.

Selbst jetzt bleibt Ping An zurückhaltend. Ein Sprecher sagte, man wolle, dass sich die Aktionäre an einer Debatte über die Zukunft der Bank beteiligen. "Wir werden alle Vorschläge zur Steigerung des Wertes von HSBC und zur Verbesserung der Unternehmensführung unterstützen", sagte der Sprecher. Ping An verfügt zwar über eine ausreichend große Beteiligung, um eine Aktionärsversammlung einzuberufen, auf der über eine Neugestaltung von HSBC abgestimmt werden soll. Doch werde das Unternehmen dies nicht selbst tun, sondern andere Investoren unterstützen, wenn diese die Führung übernehmen, erläutert eine mit der Angelegenheit vertraute Person. Ein Unternehmenssprecher sagte: "HSBC hat ein regelmäßiges Programm zur Einbindung aller unserer Investoren" und verwies auf die jüngste Entwicklung des Aktienkurses der Bank als Beweis für ihren Erfolg. Die in Hongkong notierten HSBC-Aktien haben sich in den vergangenen zwölf Monaten kaum verändert, während der Hang-Seng-Index der Stadt laut Refinitiv-Daten um 28 Prozent eingebrochen ist.


   Russland und relativ niedrige Zinsen als Hemmschuhe 

Der Druck des größten Aktionärs ist die jüngste in einer Reihe von Herausforderungen für die HSBC-Führung, die sich unter CEO Noel Quinn stärker auf Asien konzentriert, während sie sich aus Märkten wie den USA und Frankreich zunehmend zurückzieht. "Unser internationales Netzwerk ist unsere größte Stärke", betont Quinn. Im globalen Bank- und Marktgeschäft der HSBC stamme etwa die Hälfte der in Asien verbuchten Kundeneinnahmen von Kunden aus anderen Ländern. Wie viele andere Banken wurde auch das Geschäft der HSBC bis vor kurzem durch die weltweit extrem niedrigen Zinssätze gebremst, die die Gewinne der Banken aus der Kreditvergabe schmälern. Vergangene Woche gab die HSBC bekannt, dass sich ihr Quartalsgewinn um 28 Prozent eingetrübt hat, da sie Rückstellungen für faule Kredite in Russland und China gebildet hat, aber steigende Zinsen würden ihr helfen, längerfristige Ziele zu erreichen.

Die HSBC hat ihren Sitz seit 1993 in London. In den Jahren 2015 und 2016 wurde in einer zehnmonatigen Untersuchung geprüft, ob das Kreditinstitut nach Hongkong oder an einen anderen Standort umziehen sollte, und der Vorstand beschloss, den Hauptsitz beizubehalten. In den vergangenen Jahren war HSBC von den zunehmenden geopolitischen Spannungen zwischen China und dem Westen betroffen, zumal Peking seine Kontrolle über Hongkong verschärft hat. Vor etwa zwei Jahren, als das Coronavirus über Europa hinwegfegte, forderte die Bank of England die HSBC und andere britische Banken auf, keine Dividenden mehr auszuschütten, um während der Pandemie Kapital zu sparen. Die Zentralbank stellte diese Forderung im März 2020 und hob sie im Dezember desselben Jahres wieder auf. Dann nahm die HSBC Dividendenzahlungen im April 2021 erneut vor. Die Aussetzung war besonders in Hongkong unpopulär, wo viele Anleger HSBC-Aktien unter anderem wegen der hohen Ausschüttungen hielten.


   Prudential als mögliches Vorbild 

Ein Vorbild für die Kampagne bei HSBC könnte der Versicherer Prudential sein, ein weiteres britisches Finanzunternehmen mit Schwerpunkt Asien. Im Jahr 2020 forderte die Hedge-Fonds-Firma Third Point Prudential auf, seine Geschäfte in den USA und Asien zu trennen. Prudential gliederte schließlich 2021 seinen US-Geschäftszweig Jackson Financial an die Aktionäre aus, nachdem es auch einen Börsengang dieses Geschäftsbereichs geprüft hatte.

Unter dem Gründer und Vorsitzenden Peter Ma ist Ping An zu einem der größten und einflussreichsten Finanzkonzerne Chinas herangewachsen, mit weitreichenden Interessen in Bereichen wie Bankwesen, Gesundheitswesen, Finanztechnologie und Versicherungen. HSBC war einst der größte Anteilseigner von Ping An, bevor die Bank ihre 15,6-prozentige Beteiligung an dem Versicherer vor etwa einem Jahrzehnt verkaufte. Ping An baute seine Beteiligung an HSBC über mehrere Jahre hinweg über seine Vermögensverwaltungstochter auf. Zum Börsenschluss Ende der Vorwoche war die Beteiligung rund 10,2 Milliarden Dollar wert. Die Beteiligung belief sich laut Factset auf 8,2 Prozent der Aktien der Bank.

(Mitarbeit: Julie Steinberg)

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May 02, 2022 10:29 ET (14:29 GMT)