Von Stephen Wilmot

GÖTEBORG (Dow Jones)--Der schwedische Automobil-Hersteller gab am Montag erstmals Einzelheiten zu seinem lange erwarteten Börsengang bekannt. Zuvor hatte das Wall Street Journal berichtet, dass das Unternehmen in den Startlöchern stehe, um diesen letzten Schritt zu gehen. Die Zuversicht des Unternehmens scheint zu wachsen, dass die Anleger seiner präzise formulierten Strategie, von herkömmlich angetriebenen Autos auf Elektrofahrzeuge umzusteigen, einen entsprechenden Wert beimessen werden. Für andere Autobauer wirft das wichtige Fragen auf, vor allem für jene, die an der Börse bislang wenig Anerkennung für ihre eigenen Umstellungspläne erhalten. Was macht Volvo besser? Und können andere das auch?

Volvo selbst hat noch keine Zahlen zur eigenen Bewertung genannt, aber der Bericht des Wall Street Journals deutet auf eine selbstbewusste Summe im Vergleich zu den niedrigen Standards der traditionellen Autoindustrie hin. Fünfundzwanzig Milliarden US-Dollar sind im Gespräch. Das wäre fast das Zwölffache des Gewinns für den Zwölfmonatszeitraum bis Juni. Die meisten Autoaktien werden im mittleren einstelligen Bereich gehandelt, wenn ihre Gewinne nicht gerade durch eine Krise beeinträchtigt werden. BMW, einer der engsten Konkurrenten von Volvo, wird derzeit mit dem Fünffachen der nachlaufenden Gewinne notiert.


   Polestar ist ein Faktor 

Der offensichtlichste Unterschied zwischen Volvo und BMW liegt in der Beteiligung an der Elektroauto-Marke Polestar. Diese gab letzte Woche die Fusion mit einer US-Zweckgesellschaft bei einer Bewertung von 20 Milliarden US-Dollar bekannt. Volvo besitzt knapp die Hälfte von Polestar, so dass bereits damit ein Vermögenswert von etwa zehn Milliarden US-Dollar in der Bilanz stehen wird. Ohne diese zehn Milliarden US-Dollar ergäbe sich eine Bewertung des eigenen Geschäfts von Volvo in Höhe von 15 Milliarden US-Dollar, was dem Siebenfachen des durchschnittlichen nachlaufenden Gewinns entspricht.

Für Volkswagen liegt darin die deutlichste Lektion. Der deutsche Automobilriese hat versucht, Porsche als EV-Marke zu positionieren. Auch gab es hartnäckige Gerüchte, wonach der Sportwagenhersteller seinen eigenen Börsengang bekommen könnte. Nach einer Welle der Begeisterung zu Beginn des Jahres sind die Aktien von Volkswagen wieder gesunken, da die Hoffnungen auf eine Aufspaltung des Unternehmens nachgelassen haben und der Halbleitermangel für Probleme sorgt. Volkswagen ist weitaus größer und komplexer, aber Volvos Erfolg bei der Freisetzung von Wert aus dem Polestar-Deal setzt den Maßstab für das, was möglich ist.

Auch GM hat in regelmäßigen Abständen Hoffnungen geweckt, dass Technologieinvestitionen eher als Vermögenswerte denn als Kosten zu betrachten sind. Der offensichtlichste Kandidat ist seine Robotaxi-Firma Cruise, die bereits externe Investoren wie Microsoft, Honda und Softbank angezogen hat. Das Problem ist nur, dass fahrerlose Autos noch weit davon entfernt sind, in großem Maßstab zu funktionieren. Und so fristet Cruise immer noch ein stilles Dasein, weitgehend geschützt vor den Blicken des öffentlichen Marktes.


   Es gibt bei Volvo auch Risiken 

Anleger, die den Börsengang von Volvo ins Auge fassen, sind auch mit Risiken konfrontiert. Die ausgefeilte Strategie des Unternehmens und die potenziell hohe Bewertung werden möglicherweise nicht durch die operative Leistung aufgewogen: Die Rentabilität des Unternehmens liegt immer noch hinter der von BMW und Mercedes-Benz. Polestar ist mit seinem Wachstumsplan weiter fortgeschritten als andere EV-Startups, aber seine Aktien könnten volatil sein. Auch nach dem Börsengang bleibt Volvo von seinem derzeitigen chinesischen Eigentümer Geely abhängig und wird von ihm kontrolliert - und das zu einer Zeit, in der sich die Beziehungen zwischen China und dem Westen verschlechtern.

Dennoch würden größere Automobilhersteller von einem Quäntchen strategischer Klarheit wie bei Volvo profitieren. Das Unternehmen hat bereits Werke für Verbrennungsmotoren in ein separates Unternehmen ausgegliedert und die Verträge mit den Händlern neu gestaltet, um eine direkte Beziehung zu den Verbrauchern zu gewährleisten. Andere Unternehmen werden sich irgendwann ebenfalls diesen Herausforderungen stellen müssen. Auch ohne einen versteckten EV-Vermögenswert wie Polestar in den Büchern, können Autobauer aus dem Börsengang von Volvo noch einiges lernen.

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October 05, 2021 04:03 ET (08:03 GMT)