Von Stephen Wilmot

FRANKFURT (Dow Jones)--Wie sich herausstellt, hassen die Anleger traditionelle Autohersteller nicht immer. Von Deutschland bis Detroit sollte die gesamte Autoindustrie vom Erfolg des Porsche-Börsengangs lernen.

Die Aktie von Porsche fiel am ersten Handelstag nach zwischenzeitlichen Kursgewinnen wieder auf den Ausgabepreis zurück, womit das Unternehmen auf eine Bewertung von 75 Milliarden Euro kommt. Der Mutterkonzern Volkswagen und die beratenden Banken wollten mit dem Ausgabepreis einen Balanceakt vollführen. Hätten sie ihn zu hoch gesetzt, hätten sie vielleicht Brücken zu Anlegern abgerissen, die in andere VW-Vermögenswerte investieren könnten, die der Konzern potenziell im Angebot hat - wie das Batteriegeschäft PowerCo. Bei einem zu niedrigen Preis wären die schlimmsten Erwartungen der Anleger bestätigt worden, dass VW sich unumkehrbar in der Knechtschaft der kontrollierenden Aktionäre befinden, den Familien Porsche und Piech, an die die Hälfte der Aktien aus dem Börsengang ging.

Die Aktie hob also nicht gerade ab. Es war aber auch ein schwacher Tag für europäische Aktien, außerdem spielten technische Faktoren eine Rolle. Alastair Mankin vom Broker Cowan sagte, viele Hedgefonds hätten eine so geringe Zuteilung bekommen, dass sie wohl darauf aus waren, sofort wieder zu verkaufen.


   Porsche erhält ordentliche Bewertung 

Abgesehen von der Kursentwicklung ist Porsches Bewertung jedoch gesund für einen Autohersteller, der nicht Tesla heißt. Im Mittelpunkt der im Juli ausgegebenen Guidance rechnet das Unternehmen in diesem Jahr mit einem operativen Gewinn von rund 6,7 Milliarden Euro, was auf rund 5 Milliarden Euro Nettogewinn hinauslaufen dürfte. Auf dieser Basis wird die Aktie in etwa mit dem 15-fachen des Gewinns gehandelt.

Damit steht Porsche im Mittelfeld zwischen dem Ultraluxusautobauer Ferrari, der laut Factset mit dem 33-fachen der erwarteten Gewinne bewertet wird, und BMW und Mercedes-Benz, deren Bewertung unterhalb des Fünffachen des Gewinns liegt. Das ist plausibel, weil Ferrari weniger Autos mit einer höheren Rendite herstellt, während Mercedes-Benz - zumindest bis vor kurzem - weniger Rendite mit mehr Autos einfuhr. Es war aber nicht abzusehen, dass die Anleger einen solchen Platz für die Porsche AG reservieren würden, für die es kein Vergleichsunternehmen in dieser Größe gibt.

Dieses IPO untermauert sieben Jahre nach Ferraris Börsengang, dass Investoren traditionellen Autoherstellern mit einer guten Erfolgsbilanz manchmal eben doch eine bessere Bewertung einräumen. Porsche hat - wie Ferrari - seine Profitabilität in guten wie in schlechten Zeiten gehalten.

Für große Autohersteller, die mehr auf den Massenmarkt zielen, stellt sich nun die Frage, ob sie die hohen Renditen, die sie dank der derzeit hohen Verkaufspreise erzielen, lange genug halten können, um Anleger von sich zu überzeugen. Nach dem Spinoff des Lkw-Geschäfts positioniert sich Mercedes-Benz als reiner Premiumautohersteller. Stellantis wiederum stellt sich als einen "Allwetter"-Autohersteller dar, der unter jeglichen ökonomischen Bedingungen Geld verdienen kann. Bisher kann keiner von beiden einen deutlich verbesserten Aktienkurs vorweisen, trotz beeindruckender Ergebnisse.


   Volkswagen-Bewertung verhältnismäßig niedrig 

Volkswagens Attraktivität bei den Anlegern ist anders: Der Konzern ist eine permanente Turnaround-Story, mit großartigen Vermögenswerten versteckt unter einem schwerfälligen Dach, dessen Stammaktien mit weniger als dem Vierfachen der Gewinne gehandelt werden. VW und Porsche kommen nun auf einen ähnlichen Marktwert, obwohl Ersterer immer noch 75 Prozent an Letzterem besitzt. Theoretisch werden die anderen Marken, inklusive Audi, Bentley und Lamborghini also zusammen mit absurd niedrigen 22 Milliarden Euro bewertet.

Aber der Börsengang am Donnerstag hat auch gezeigt, dass die simplen Sum-of-the-Parts-Berechnungen nicht immer die Aktien treiben. Volkswagens Stammaktien sanken um 9 Prozent. Broker Mankin von Cowan weist darauf hin, dass Anleger, die Porsche mögen, aber ihr Engagement in der Autobrache absichern wollen, VW als Teil eines Pair Trades leerverkaufen könnten.

Porsche ist nun einer der sehr wenigen Autohersteller, die den Anlegern ordentliche Renditen liefern können. Es ist ein Weg, auf den auch andere Autobauer finden sollten - jeder auf seine Weise.

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September 29, 2022 12:03 ET (16:03 GMT)