Berlin/Mailand (Reuters) - Der italienische Fernsehkonzern und ProSiebenSat.1-Großaktionär MFE plant zumindest vorerst keine Übernahmeofferte für die deutsche Senderkette.

"Aktuell haben wir keine derartigen Pläne. Was in einem Jahr ist, wird man dann sehen", sagte MFE-Finanzchef Marco Giordani dem "Handelsblatt". Wie bereits in den vergangenen Jahren äußerte sich der Manager kurz vor der Hauptversammlung von ProSiebenSat.1 in einem Interview und sparte nicht mit Giftpfeilen in Richtung von ProSieben-Chef Rainer Beaujean. Der deutsche Konzern lehnte einen Kommentar dazu ab.

Media For Europe (MFE) (früher Mediaset) wird von der Familie des früheren italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi kontrolliert und hat vorige Woche bekanntgegeben, seinen Anteil auf mehr als 25 Prozent an dem bayerischen Konzern erhöht zu haben. Bei mehr als 30 Prozent müssten die Italiener ein Pflichtangebot an die übrigen ProSieben-Aktionäre unterbreiten. Zuletzt hatte Reuters von Insidern erfahren, dass dies vorerst als unwahrscheinlich gilt.

Die Italiener wollen die Bayern mehr in ihre europäische Wachstumspläne einbinden. ProSieben-Chef Beaujean hatte sich hierzu meist skeptisch geäußert. MFE-Financhef Giordani sagte nun, Medien in Europa stünden wegen der Konkurrenz von Google, Facebook & Co unter Druck und könnten nur bestehen, wenn sie Kräfte für Investitionen in Technologie und Inhalte bündelten. "Dabei gibt es zwei Denkschulen: die nationale Konsolidierung und die internationale". MFE setze auf länderübergreifende Allianzen. Beaujean hat jedoch wiederholt betont, er halte diese eher nicht für sinnvoll.

Giordani appellierte an Beaujean und sein Team, nun einen Plan vorzulegen, wie man die Herausforderungen meistern wolle. "Allerdings werden operative Alleingänge in dieser Zeit selten als wertschaffend gesehen." Der Italiener, der auf das klassische TV- und Mediengeschäft setzt, erneuerte seine Skepsis am Geschäftsmodell von ProSiebenSat.1: "Es fällt uns nicht leicht zu verstehen, wie man in einem Konglomerat, bestehend aus Fernsehen, E-Commerce und Dating-Portalen, langfristig Wert schaffen kann." ProSieben ist in Start-ups und Beteiligungen investiert und hat seine Dating-Sparte zum Kerngeschäft erklärt.

Das Verhältnis zwischen Mailand und Unterföhring sei bisher eher formell gewesen, sagte Giordani der Zeitung. "Alle Beziehungen haben Potenzial für Verbesserungen." MFE hatte kritisiert, man sei Ende 2021 bei wichtigen Personalentscheidungen nicht informiert worden. Top-Manager von ProSieben und MFE kommen diese Woche zusammen, um unter anderem die Bilanz 2021 zu erörtern. Nach den Gesprächen könnte sich auch entscheiden, ob MFE selbst Kandidaten für den Aufsichtsrat von ProSieben vorschlägt. "Möglicherweise lässt sich ein Kandidat finden, den wir auch voll unterstützen", sagte Giordani. Ansonsten könne MFE bis zum 20. April Gegenkandidaten für die Hauptversammlung am 5. Mai aufstellen. "Das wären jedenfalls keine Vertreter aus dem Unternehmen MFE, sondern unabhängige Direktoren mit der richtigen Eignung."