(neu: Aussagen aus der Konferenz, Analysten und Kurs)

VENLO (dpa-AFX) - Nach der Senkung der Prognose im Juli wird der Diagnostikkonzern Qiagen nun wieder zuversichtlicher für 2021. Grund ist ein überraschend starkes drittes Quartal, indem der Umsatz mit Covid-19-Tests weniger stark zurückging als gedacht. Dagegen übertreffen Produkte wie etwa der Tuberkulosetest Quantiferon und bestimmte Analysegeräte die ursprünglichen Planungen des Managements. Die Börse beschäftigen derweil noch die Spekulationen um ein mögliches Zusammengehen mit dem größeren französischen Wettbewerber Biomerieux. Finanzchef Roland Sackers wich am Donnerstag Fragen dazu aus.

Grundsätzlich sei das Unternehmen seinen Aktionären immer verpflichtet, die eigene Lage regelmäßig zu bewerten und bei möglichen Gesprächen mit Interessenten alle Optionen zu prüfen, sagte Sackers. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte am Vortag unter Berufung auf informierte Kreise über erste Kontakte mit Biomerieux berichtet. Die Gespräche sollen aber noch in einem frühen Stadium sein.

Im vergangenen Jahr war die Übernahme von Qiagen durch den US-Laborausrüster Thermo Fisher Scientific am Widerstand der Aktionäre des Dax-Konzerns gescheitert. Seitdem kochen öfter Spekulationen um neue Interessenten hoch. An der Börse hatte die Aktie nach den Gerüchten um Biomerieux am Vortag ein weiteres Hoch seit dem Jahr 2000 erklommen, nach der Prognoseanhebung war es nachbörslich ebenfalls deutlich hoch gegangen. Am Donnerstag lag das Papier zuletzt aber mit 2,5 Prozent im Minus. Das Geschäft des Diagnostikkonzerns habe ein starkes Fundament, lobte hingegen Analyst Falko Friedrichs in einer Studie.

Für das Gesamtjahr sagt das Management nun einen Umsatzanstieg gerechnet zu konstanten Wechselkursen um mindestens 15 Prozent voraus. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis je Aktie (EPS) soll dabei abseits von Wechselkurseffekten mindestens 2,48 Dollar erreichen. Im Sommer hatte Qiagen das Umsatzziel auf mindestens zwölf Prozent gekürzt und den bereinigten Gewinn je Aktie auf mindestens 2,42 Dollar.

Allerdings rechnet Qiagen mit einem schwächeren Schlussquartal. Erwartet wird währungsbereinigt ein Umsatzrückgang von rund neun Prozent im Vergleich zum Vorjahresviertel, das pandemiebedingt stark ausgefallen war. Das bereinigte Ergebnis je Aktie soll - ebenfalls gerechnet zu konstanten Wechselkursen - bei mindestens 0,60 Dollar herauskommen nach 0,68 Dollar ein Jahr zuvor.

Nicht ausgeschlossen ist laut Sackers, dass Qiagen auch im Schlussquartal die eigenen Ziele übertrifft, sollte die Pandemie weiter wie zuletzt Schub geben. "Wir fahren aktuell aber einen bewusst konservativen Ansatz, damit wir zumindest nicht negativ überrascht werden", sagte der Manager. Denn schon einmal hatte sich Qiagen verschätzt und den Bedarf an Corona-Tests zu hoch vorhergesagt - daher hatte das Management um Sackers und Konzernchef Thierry Bernard vor rund vier Monaten zurückrudern müssen.

Auch jetzt mache der im internationalen Vergleich sehr unterschiedliche Verlauf der Pandemie eine genaue Prognose sehr schwierig, erläuterte der Finanzchef. Qiagen verkauft unter anderem eigene PCR-Tests sowie Probenvorbereitungen für andere Hersteller von Covid-19-Tests und galt daher als Krisengewinner. Die Tests wurden zuletzt mit den fortschreitenden Impfkampagnen jedoch seltener nötig.

Hoffnungen setzt das Unternehmen nun auch auf einige neue Produkte, wie etwa ein Testpanel, mit dem in Labors abgeklärt werden kann, ob der Patient an Covid-19 erkrankt ist oder an einer Grippe. Solche stärker differenzierten Testformate dürften laut Sackers in Zukunft wichtiger werden.

Im vergangenen Quartal hatte Qiagen sowohl die eigenen Erwartungen als auch die der Analysten übertroffen. Von Juli bis September erwirtschaftete der Konzern einen Umsatz von 535 Millionen Dollar (461,4 Mio Euro), das waren elf Prozent mehr als vor einem Jahr. Währungseffekte herausgerechnet betrug das Plus zehn Prozent. In der Produktgruppe mit Covid-Bezug ging der Erlös wechselkursbereinigt um vier Prozent auf 159 Millionen Dollar zurück, der mit Covid-Testkits sank um mehr als ein Fünftel. Allerdings war im entsprechenden Vorjahresquartal der Testverkauf wegen damals noch fehlender Impfungen auch sehr hoch gewesen.

Dagegen stieg im vergangenen Quartal der Erlös in der Produktgruppe ohne Covid-Bezug um 17 Prozent. Noch deutlich höhere Zuwächse verzeichnete der Konzern neben dem Quantiferon-Tuberkulose-Test mit dem Analysegerät NeuModDx und in der Gen-Sequenzierung. Der bereinigte Gewinn je Aktie blieb stabil bei 0,58 Dollar. Unter dem Strich stieg der Gewinn um ein Vielfaches auf 133 Millionen Dollar. Im Vorjahr hatte die Firma lediglich 17 Millionen Dollar verdient.

Für das Management sind die Zahlen eine Bestätigung des aktuellen Kurses: Zwar gilt Qiagen wegen seiner Corona-Tests als Krisengewinner; aktuell liegt das Augenmerk des Vorstands aber auf den Produktgruppen ohne Covid-19-Bezug. Hierher soll maßgeblich das künftige Wachstum in Post-Pandemie-Zeiten kommen. So rechnet sich Qiagen laut Sackers beispielsweise jeweils achtstellige Umsatzbeiträge aus neuen Testvorrichtungen auf Meningitis und Erreger von Magen-Darm-Erkrankungen aus.

Durch den starken Geschäftsverlauf sitzt Qiagen inzwischen auf einem hohen Geldbestand, die freien Barmittel verdreifachten sich fast in den ersten neun Monaten auf über 300 Millionen Dollar. Qiagen will die Gelder wie in der Vergangenheit für Investitionen und weitere Aktienrückkäufe verwenden. Zugleich bekräftigte der Finanzvorstand frühere Aussagen, wonach sich das Unternehmen selbst nach Übernahmezielen umsieht. Dabei gehe es um ergänzende Zukäufe./tav/lew/jha/