Zürich (awp/sda) - Pure Spekulationen und voreingenommener Überführungseifer: Die Verteidiger von Pierin Vincenz und Beat Stocker haben am Freitag die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen. Das Beweisfundament halten sie für brüchig.

Die Meinung von Vincenz sei in den Entscheidgremien der Raiffeisen-Gruppe und der Kreditkartenfirma Aduno natürlich wichtig gewesen, hielt dessen Verteidiger fest. Es sei aber verfehlt anzunehmen, dass er als CEO und Verwaltungsratspräsident "alles nach seinem Gutdünken hätte herbeiführen können".

Dies wirft die Staatsanwaltschaft Vincenz und dessen Geschäftskollegen Beat Stocker vor. Dank Schattenbeteiligungen an anderen Firmen, die sie dann gezielt durch die von ihnen beherrschten Unternehmen aufkaufen liessen, sollen sie unrechtmässige Gewinne eingestrichen haben.

Über Transaktionen abgestimmt

Dass sich Vincenz für gewisse Transaktionen ausgesprochen habe, treffe zu, sagte der Verteidiger. Er habe aber nicht ungebührlich oder gar pflichtwidrig Einfluss genommen, um einen Entscheid herbeizuführen, der in seinem persönlichen Interesse gelegen habe. Vincenz' Meinung sei geschäftlich begründet gewesen. Und mit dieser sei er ja nicht alleine gewesen.

So seien die Geschäfte von fachkundigen Verhandlungsteams eigenständig und ohne irgendwelchen Druck vorbereitet worden. Schliesslich seien alle Entscheide über Übernahmen in der Geschäftsleitung oder im Verwaltungsrat im Konsens und nach Abstimmung getroffen worden. "Das sind keine Abnickergremien, die Vincenz einfach gefolgt wären."

Umstrittene Schattenbeteiligen

In verschiedenen der von der Staatsanwaltschaft eingeklagten Fällen bestritt der Verteidiger von Vincenz, dass dieser überhaupt eine Beteiligung gehalten habe, auch nicht still oder indirekt. Einzig im Fall der Commtrain-Übernahme durch Aduno ist dies belegt: Dass Vincenz bei diesem Geschäft in den Ausstand hätte treten sollen, "bestreiten wir nicht", sagte der Verteidiger.

Der 65-Jährige habe nicht gewollt, dass seine private Commtrain-Investition publik werde - dies hätte bei anderen Personen Begehrlichkeiten wecken können. "In der Steuererklärung hat er die Beteiligung deklariert, er beabsichtigte nicht, diese zu verstecken", sagte der Verteidiger.

Breites Netzwerken

Dem Ex-Raiffeisen-Chef wird zudem vorgeworfen, private Auslagen auf Geschäftsspesen genommen zu haben. In der Anklageschrift sind unter anderem Besuche in Cabarets und Stripclubs für insgesamt 200'000 Franken und private Reisen für 250'000 Franken aufgeführt.

Vincenz hatte die Besuche und Reisen insbesondere mit "Beziehungspflege zu Geschäftsleuten" begründet. Es komme nicht auf den Ort der Einladung an, hielt dessen Verteidiger fest. Entscheidend sei letztlich, ob die Zusammensetzung der Eingeladenen eine geschäftsmässige Begründung zulasse oder nicht. Auch an einer Bar könne Geschäftliches besprochen werden.

Der Raiffeisen-Gruppe sei bekannt gewesen, dass Vincenz "das Netzwerken sehr breit" verstehe, hielt der Verteidiger weiter fest. Das sei ihr auch wichtig gewesen - Vincenz habe der Bank ein Gesicht gegeben und sei deshalb vom früheren Verwaltungsratspräsidenten auch als deren "Chefverkäufer" bezeichnet worden.

Verhandlung bis 9. Februar unterbrochen

Wegen den Firmendeals und den Spesenabrechnungen wirft die Staatsanwaltschaft Vincenz und Stocker unter anderem Betrug und ungetreue Geschäftsbesorgung vor. Sie beantragt für beide eine Freiheitsstrafe von je sechs Jahren.

Deren Verteidiger forderten am Freitag vollumfängliche Freisprüche sowie angemessene Genugtuungen für ihre Mandanten. Sie kritisierten, dass die Staatsanwaltschaft voreingenommen gewesen sei, und bezeichneten das Anklagefundament als brüchig.

Konkrete Beweise lägen nicht vor, sagte der Verteidiger von Vincenz in seinem Plädoyer. Jede Kommunikation zwischen den Beschuldigten, die die Anklage als belastend vorgebracht habe, liesse sich auch anders interpretieren, sagte der Verteidiger von Stocker.

Letzterer konnte sein Plädoyer am Freitag noch nicht abschliessen. Er wird es am nächsten Verhandlungstag fortsetzen, den das Bezirksgericht Zürich auf den 9. Februar angesetzt hat.