Von Jon Sindreu

NEW YORK (Dow Jones)--Die Hersteller von Flugzeugtriebwerken kommen zwar wieder ins Geschäft. Aber sie brauchen einen langen Atem. Zwei der größten US-Luftfahrtzulieferer enttäuschten zuletzt an der Börse, nachdem sie ihre Ergebnisse für das vierte Quartal vorgelegt hatten.

Die Aktien von General Electric (GE) brachen am Dienstag ein und fielen im Tagesverlauf auf ein 52-Wochen-Tief. Die Titel von Raytheon Technologies - der Muttergesellschaft des Triebwerksherstellers Pratt & Whitney sowie des Luft- und Raumfahrtzulieferers Collins Aerospace - verloren zunächst, erholten sich sich aber im Handelsverlauf.

GE betonte, dass Engpässe in der Lieferkette die Umsätze im Vorfeld der geplanten Aufspaltung in drei Einheiten beeinträchtigten, von denen eine ein eigenständiges Luftfahrtunternehmen sein wird.

Dennoch war die kommerzielle Luft- und Raumfahrt bei beiden Konzernen im vierten Quartal ein Lichtblick. GE meldete, dass die Umsätze in der Luftfahrt im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2020 um 4 Prozent zulegten, während sie konzernweit um 3 Prozent zurückgingen. Bei Raytheon schafften Collins und Pratt sogar ein Plus von 13 bzw 14 Prozent. Dies sind Anzeichen dafür, dass die lang erwartete Erholung des sogenannten Aftermarkets der Luftfahrt in Schwung kommt.


   Triebwerksbauer verkaufen oft mit Verlust, verdienen an Wartungen 

Der Triebwerksbau - das komplexeste und margenstärkste Segment der Luftfahrtindustrie - bietet Anlegern, die auf den pandemischen Aufschwung setzen wollen, ein großes Potenzial für Kurssteigerungen. Die Hersteller verkaufen ihre Produkte oft mit Verlust und holen sich das Geld dann über viele Jahre hinweg durch Reparaturen und Überholungen auf dem Aftermarket zurück. In einer Krise stellen die Fluggesellschaften die Wartung ihrer Flugzeuge ein, doch dann folgt in der Regel ein schneller Aufschwung, da alle aufgeschobenen Wartungsarbeiten plötzlich vorgenommen werden müssen.

Nur dass die Erholung dieses Mal hinter den Prognosen der Wall-Street-Analysten zurückgeblieben ist, wie die Zahlen des Marktdatenunternehmens Visible Alpha zeigen. Die Einnahmen liegen bei etwa 70 Prozent des Niveaus von 2019. Abgesehen von Coronavirus-Varianten wie Delta und Omikron gab es noch andere Faktoren, die der Markt unterschätzt hat. Dazu zählen zum Beispiel alte, ausrangierte Jets, die ein Überangebot an Triebwerken mit verbleibenden Flugstunden erzeugen.

Die Werkstattbesuche nehmen derweil endlich zu. GE meldete einen starken Anstieg der intern verwendeten sowie ausgelieferten Ersatzteile. Raytheon erwartet, dass der Umsatz seiner beiden Luft- und Raumfahrtsparten sich bis zum Jahresende um mehr als 10 Prozent verbessert. Collins erhält weitere Unterstützung von zahlreichen Fluggesellschaften, die ihre Flugzeugkabinen umgestalten, um Premium-Reisende wieder auf den heimischen Markt zu locken. Die Umsätze im Ersatzteilmarkt schnellten im vierten Quartal um satte 47 Prozent empor.


   Vorsicht ist für Anleger weiter geboten 

Anleger sollten jedoch vorsichtig bleiben. Zwar wird sich das Triebwerksgeschäft 2022 weiter erholen, aber vieles davon könnte bereits in den Aktienkursen eingepreist sein. Die mittlere Prognose für die Einnahmen von Raytheon auf dem Aftermarket entspricht beispielsweise fast genau der von der International Air Transport Association (IATA) prognostizierten Erholung der Flugkapazitäten. Diese sollte im Jahr 2024 wieder das Niveau von 2019 erreichen.

Damit sich die Prognosen als richtig erweisen, muss es einen großen Sprung bei den Langstreckenflügen geben. Raytheon erklärte zuletzt, dass 75 Prozent der Verbesserungen auf dem Aftermarket 2021 von Schmalrumpfflugzeugen stammen. Allerdings basiert 80 Prozent der Vorhersage für 2022 auf dem Wachstum der internationalen Langstreckenflüge.

"Unsere Prognose für den Ersatzteilmarkt hängt wirklich von einer Erholung bei Großraumflugzeugen ab", räumt Raytheon-Chef Greg Hayes ein. Der von der IATA prognostizierte Aufschwung scheint jedoch nie ganz einzutreten. Selbst als die inländische Sitzplatzkapazität in den USA im vergangenen Jahr kurzzeitig über das Niveau von 2019 stieg, übertrafen die internationalen Abflüge nie 75 Prozent der vorherigen Gesamtzahl.

Solange die Covid-Krise andauert, und möglicherweise sogar darüber hinaus, können sich die Anleger nur schwer an dem Dröhnen der Flugzeugtriebwerke erfreuen.

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DJG/DJN/axw/smh

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January 26, 2022 04:28 ET (09:28 GMT)