Basel (awp) - Roche verschreibt sich mit einer Milliarden-Übernahme nun auch dem Kampf gegen Fettleibigkeit. Für rund 3 Milliarden US-Dollar kaufen die Basler das US-Unternehmen Carmot Therapeutics.

Das US-Unternehmen befindet sich laut Mitteilung vom Montag in Privatbesitz und verfügt in seiner Pipeline Produkt-Kandidaten, die zur Behandlung von Fettleibigkeit bei Patienten mit und ohne Diabetes eingesetzt werden können. Sie alle basieren auf dem neuartigen GLP-1-Wirkmechanismus, um den es zuletzt viel Medienwirbel gab.

Einstieg in Markt mit enormen Chancen

Zuletzt sorgte etwa das Medikament Wegovy für Furore. Das Mittel des dänischen Pharma-Unternehmens Novo Nordisk enthält den Wirkstoff Semaglutid, der bei Menschen mit starkem Übergewicht das Abnehmen fördert.

Wegovy etwa muss einmal wöchentlich unter die Haut gespritzt werden. Bei Menschen mit Adipositas ohne zusätzliche Diabetes-Erkrankung kann die Wegovy-Therapie zu einer Gewichtsreduktion von bis zu 15 Prozent im Behandlungszeitraum von 18 Monaten führen. Im Prinzip steigert Wegovy das Sättigungsgefühl, wodurch die zugeführten Kalorien reduziert werden, da die Patienten schlichtweg weniger Hunger und Appetit haben.

Weitere Mittel aus diesem Bereich sind etwa Ozempic ebenfalls von Novo Nordisk oder das Diabetes-Medikament Mounjaro von Ely Lilly, die teilweise eine noch grössere Gewichtsreduktion bewirken können. Zudem deuten Studienergebnisse an, dass diese Medikamente auch gut für die Herz-Kreislauf-Gesundheit von Diabetes-Patienten sein könnten.

Lackmustest steht noch aus

Mit der Übernahme von Carmot holt sich Roche nun also selbst drei wichtige GLP-1-Produkt-Kandidaten ins Portfolio. Zwei der Kandidaten werden in der Behandlung von Fettleibigkeit bei Patienten mit und ohne Typ-2-Diabetes getestet, während der dritte zur Behandlung von Typ-1-Diabetes-Patienten mit Übergewicht oder Fettleibigkeit eingesetzt werden soll.

Der einzige Haken: Sie alle müssen ihre Wirksamkeit erst noch in weitere Forschungsprogrammen unter Beweis stellen. Der wichtigste Kandidat für Roche hat die Abkürzung CT-388. Er sei kurz vor dem Start eines Phase-II-Programms und soll für die Behandlung von Fettleibigkeit bei Patienten mit und ohne Typ-2-Diabetes eingesetzt werden. Erste Daten aus dem derzeit laufenden Programm erwartet die Roche-Pharma-Chefin Teresa Graham im ersten Halbjahr 2024. "Von dort aus sehen wir dann weiter - bis zur Zulassung ist es aber so oder so noch ein gutes Stück Weg", sagte sie im Gespräch mit AWP.

CT-388 wird den Angaben zufolge einmal wöchentlich subkutan, also unter die Haut, injiziert und hat das Potenzial, als Einzel- und Kombinationstherapie die Gewichtsabnahme zu verbessern und auf andere Indikationen ausgeweitet zu werden.

Genau genommen gehören die drei Kandidaten zur Gruppe der Inkretine. Laut Roche sind dies Darmhormone, die nach der Nahrungsaufnahme ausgeschüttet werden und eine Rolle bei der Regulierung des Blutzuckerspiegels spielen, indem sie die Insulinausschüttung stimulieren und den Appetit unterdrücken.

"Inkretine könnten sich als einer der wichtigsten Ansatzpunkte herausstellen, wenn es um die Behandlung von Herzkreislauf-Erkrankungen sowie Fettleibigkeit geht, aber auch bei vielen anderen Indikationen eine entscheidende Rolle spielen", sagt Graham. "Mit der Übernahme dieser Wirkstoffe schaffen wir eine gute Ausgangsbasis."

Ein Stück vom Kuchen

Der Markt reagierte klar positiv auf die Nachrichten: der Roche GS kam zum Börsenschluss auf 246,30 Franken zu liegen, ein Plus von 2,8 Prozent. Derzeit sorge alles mit GLP-1 für Kursphantasie, hiess es im Handel.

Tatsächlich gelten die Medikamente auf GLP-1-Basis in der Pharmaindustrie als die grossen Blockbuster der kommenden Jahre. Branchenexperten gehen bis 2030 von einem Marktpotenzial von 50 Milliarden Dollar und mehr aus. Dabei ist die Tendenz wegen der weltweit wachsenden Zahl an fettleibigen Menschen steigend. Immer mehr Menschen weisen einen hohen BMI auf und fast eine Milliarde Menschen gelten mittlerweile als krankhaft fettleibig. Noch grösser dürfte der Markt für Herzkreislauferkrankungen sein. Ihm trauen Beobachter ein Volumen von bis zu 100 Milliarden US-Dollar zu.

hr/uh/ls