MÜNCHEN (dpa-AFX) - Der Münchner Triebwerksbauer MTU hat sich trotz der schweren Krise der Luftfahrtbranche 2020 in den schwarzen Zahlen gehalten. Für das neue Jahr stellte Vorstandschef Reiner Winkler nach dem jüngsten Geschäftseinbruch wieder Zuwächse in Aussicht. Ob der Umsatz nur leicht steigt oder gar fast das Rekordniveau von 2019 erreicht, wollte die Konzernführung am Donnerstag aber nicht vorhersagen. So viel Gewinn wie vor der Krise dürfte MTU vorerst jedenfalls nicht mehr einfahren.

An der Börse wurden die Nachrichten mit Enttäuschung aufgenommen. Die MTU-Aktie verlor am Morgen fast fünf Prozent an Wert. Zur Mittagszeit lag sie noch mit 3,38 Prozent im Minus bei 191,60 Euro und war damit immer noch Schlusslicht im Dax. Seit die Corona-Krise vor rund einem Jahr die Luftfahrt und die Finanzmärkte erfasst hatte, hat das Papier damit rund 30 Prozent an Wert eingebüßt. Im vergangenen März war der Kurs sogar bis auf 97,76 Euro abgesackt und hat sich seitdem nahezu verdoppelt.

Branchenexperten zeigten sich am Donnerstag von den Erwartungen des Vorstands für das laufende Jahr enttäuscht. Der Ausblick spiegle schwächere Aussichten für den Luftverkehr wider, schrieb Analyst David Perry von der US-Bank JPMorgan. Auch sein Kollege Chris Hallam von Goldman Sachs wertete die Ziele als Enttäuschung.

So rechnet die MTU-Führung nach dem Geschäftseinbruch von 2020 im neuen Jahr mit einem Umsatzanstieg auf 4,2 bis 4,6 Milliarden Euro. Das wäre im Höchstfall fast so viel wie im Rekordjahr 2019. Vor allem das Wartungsgeschäft soll mit einem Plus von 15 bis 25 Prozent zu dem Anstieg beitragen. Wie stark die Erlöse tatsächlich zulegen, hänge aber nicht nur von der Zahl, sondern auch vom Umfang der einzelnen Wartungen ab, erklärte Finanzvorstand Peter Kameritsch. Dies lasse sich derzeit noch schwer vorhersagen.

Zudem bleibt bei der Triebwerkswartung weniger vom Umsatz als operativer Gewinn bei MTU hängen als beim lukrativen Verkauf von Ersatzteilen. Daher rechnet der Vorstand 2021 nur mit einer bereinigten Ebit-Marge von 9,5 bis 10,5 Prozent. Im Rekordjahr 2019 hatte sie 16,4 Prozent erreicht, was einem operativen Gewinn von 757 Millionen Euro entsprach. Diesmal dürfte maximal ein bereinigtes Ebit von 483 Millionen Euro dabei herauskommen. Analysten hatten für 2021 hingegen im Schnitt bereits mit einem Umsatz von 4,6 Milliarden Euro und einem bereinigten Ebit von gut 500 Millionen Euro gerechnet.

Doch auch wenn MTU bisher ohne rote Zahlen durch die Corona-Krise steuerte, bekam der Triebwerksbauer die Folgen der Pandemie für den Flugverkehr und die Notlage vieler Fluggesellschaften deutlich zu spüren. So gab der Umsatz im abgelaufenen Jahr zwar lediglich um 14 Prozent auf knapp 4 Milliarden Euro nach und damit nur etwa halb so stark wie bei Airbus. Doch der operative Gewinn brach bei MTU - bereinigt um Sondereffekte - um 45 Prozent auf 416 Millionen Euro nach unten. Der Nettogewinn schrumpfte sogar um rund 70 Prozent auf 147 Millionen Euro zusammen.

Das lag an den Rückstellungen für den Abbau von bis zu 1500 Arbeitsplätzen und nicht zuletzt an Boeings runderneuertem Großraumjet 777X, dessen Erstauslieferung sich voraussichtlich bis Ende 2023 verzögert. MTU baut an dem Triebwerk des US-Konzerns General Electric mit, das bei dem Flugzeug zum Einsatz kommt, und verbuchte in diesem Zusammenhang eine Sonderbelastung von 70 Millionen Euro. Boeing selbst hatte sogar eine Belastung von 6,5 Milliarden Dollar schultern müssen. So muss der US-Konzern wegen der erneuten Verzögerung möglicherweise um mehr als Drittel aller bisherigen Bestellungen für den Flugzeugtyp fürchten. Das würde auch MTU treffen.

Der Münchner Konzern arbeitet an einer ganzen Reihe von Triebwerke für Passagier- und Frachtflugzeuge mit, aber auch an den Antrieben etwa für den Militärtransporter A400M und den Kampfjet Eurofighter. Besonders dick ist MTU bei dem Getriebefan-Antrieb von Pratt & Whitney im Geschäft, der vor allem bei den Airbus-Mittelstreckenjets der A320neo-Familie und dem kleineren Airbus A220 zum Einsatz kommt. Auch im Wartungsgeschäft erwartet die MTU-Führung 2021 im neuen Jahr deutlich mehr Umsatz durch diesen Triebwerkstyp.

Während Boeing das Jahr 2020 mit 11,9 Milliarden US-Dollar (9,9 Mrd Euro) Verlust abschloss und auch Airbus rote Zahlen schrieb, können sich die MTU-Aktionäre nach dem Jahresgewinn wieder auf eine nennenswerte Dividende freuen. So will MTU für 2020 je Aktie 1,25 Euro ausschütten und damit etwas mehr als von Analysten erwartet.

Für 2019 hatten sie nur die gesetzliche Mindestdividende von 4 Cent je Aktie erhalten, weil die MTU-Führung das Geld des Konzerns wegen der Corona-Krise zusammenhalten wollte. Am Ende erzielte MTU im abgelaufenen Jahr einen freien Barmittelzufluss von 105 Millionen Euro, rund 71 Prozent weniger als im Vorjahr.

Unterdessen deutete Vorstandschef Winkler ein mögliches Interesse an der spanischen Rolls-Royce-Tochter ITP Aero an, die seit einigen Monaten zum Verkauf steht. Der britische Triebwerksbauer habe MTU noch nicht zu dem entsprechenden Prozess eingeladen, sagte Winkler. Grundsätzlich setze sein Unternehmen aber vor allem auf Wachstum aus eigener Kraft. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte im Januar berichtet, sowohl MTU als auch mehrere Finanzinvestoren seien an ITP interessiert. Der Münchner Konzern arbeitet mit ITP bei mehreren Antrieben zusammen. Ein Sprecher hatte damals bereits gesagt, dass MTU die Entwicklung bei ITP beobachte./stw/ssc/fba