Von Avi Salzman

NEW YORK (Dow Jones)--Von Umweltschützern in die Mangel genommene Führungskräfte von Ölkonzernen fangen langsam an, sich öffentlich zu den Forderungen nach Änderungen in ihrer Klimapolitik zu äußern. Ein Argument, das die Chefs von Chevron und Shell in den vergangenen Tagen vorbrachten, lautet, dass eine gezielte Klimapolitik nichts an der größeren Dynamik im Öl- und Gassektor ändere. Sofern die Nachfrage weiter steige, müsse sie halt jemand befriedigen und das Problem werde nicht verschwinden.

Umweltpolitiker und Investoren stellen sich inzwischen mit zunehmendem Erfolg gegen die Ölkonzerne. Erst vor zwei Wochen gab es drei große Veränderungen am selben Tag. Die Investoren von Exxon wählten drei neue Direktoren in das Board des Ölgiganten. Zugleich machten die Aktionäre von Chevron dem Unternehmen deutlich, dass es mehr tun müsse, um die Emissionen zu reduzieren. Und ein niederländisches Gericht verdonnerte Shell zu einer beschleunigten Energiewende. Zusammengenommen signalisierten die Ankündigungen, dass die Ölkonzerne ihre Umstellung forcieren und dabei mit dem allmählichen Ende der Förderung fossiler Brennstoffe beginnen müssen.


   Shell will Herausforderung annehmen 

Ein niederländisches Gericht entschied, dass Shell seine Kohlenstoffemissionen drastischer reduzieren muss als bisher geplant - um 45 Prozent bis 2030, ausgehend vom Stand von 2019. Shell plant, gegen das Urteil Berufung einzulegen, aber CEO Ben van Beurden schreibt in einem Linkedin-Post auch, dass das Unternehmen nach Möglichkeiten suche, seine Pläne zu beschleunigen, und fühlt sich "entschlossen, die Herausforderung anzunehmen". Weiter formuliert er: "Wir mögen mit dieser Anordnung nicht einverstanden sein, aber wir werden weiterhin die führende Rolle annehmen, die wir bei der Entwicklung eines kohlenstoffarmen Energiesystems spielen müssen."

Selbst wenn Shell heute aufhören würde, Treibstoff zu verkaufen, würde "sich die Nachfrage nach Treibstoff nicht ändern. Die Menschen würden ihre Autos und Lieferwagen an anderen Tankstellen auftanken". Van Beurden meint, dass die Regierungen klarere und konsequentere Maßnahmen beschließen müssten. "Aber ein Gericht, das ein Energieunternehmen anweist, seine Emissionen - und die seiner Kunden - zu reduzieren, ist nicht die Antwort. Ich glaube, dass Shell mit seinen Kunden und deren Sektoren zusammenarbeiten sollte, um ihnen zu helfen, ihre eigenen Wege zu finden, um Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Dies wird helfen, die Nachfrage nach neuen kohlenstoffarmen Produkten zu steigern."


   Nachfrage treibt Emissionen an 

Bei Chevron könnten ebenfalls große Veränderungen anstehen. Die Aktionäre hatten dafür gestimmt, dass das Unternehmen die sogenannten Scope-3-Emissionen, die von den Kunden seiner Produkte verursacht werden, mittel- bis langfristig "erheblich" reduzieren soll. In dem Vorschlag wurde kein zahlenmäßiges Ziel oder Datum festgelegt.

Aber es werde wahrscheinlich bedeuten, dass das Unternehmen die Öl- und Gasproduktion in den kommenden Jahren reduziert, sagt CEO Mike Wirth. Scope-3-Emissionen werden von der Nachfrage getrieben, so Wirth, und wenn Chevron diese Nachfrage nicht befriedigt, wird es jemand anderes tun. Deshalb "glauben wir, dass es dem Planeten nicht unbedingt hilft", sagte er.

Er argumentiert, dass Chevron bei der Öl- und Gasproduktion im obersten Quartil für die niedrigste Kohlenstoffintensität liege. "Die Frage ist also, ob die Welt in Zukunft mehr Energie verbraucht, ob sie in Zukunft mehr Öl und Gas verbraucht, was praktisch jede glaubwürdige Prognose nahelegt und ob es immer noch Jahrzehnte und Jahrzehnte dieser Nachfrage geben wird, die gedeckt werden müssen. ... "Wenn man die effizienteste und kohlenstoffärmste Produktion aus dem System nimmt, sollte mehr oder weniger Nachfrage von den Menschen mit der geringsten Kohlenstoffintensität gedeckt werden." Und die besten Produzenten sollten die größte Nachfrage befriedigen, die sie können. Es sei also nicht der schmutzigste Produzent, sondern derjenige, der auf dem besten Weg ist.


   Nicht-börsennotierte Unternehmen könnten eine Lücke füllen 

Einige andere Energieexperten stimmen zu, dass eine Verlangsamung der Produktion von Big Oil nicht unbedingt ein Gewinn für den Planeten ist, wenn die Nachfrage steigt. Rebecca Babin, Händlerin bei CIBC Private Wealth Management, merkt an, dass BP einige seiner Anlagen in Alaska an eine Firma namens Hilcorp Energy verkauft hat, deren Umweltbilanz sich kritisieren lasse.

Ein Hilcorp-Sprecher sagte aber: "Hilcorp ist darauf ausgelegt, alternde Anlagen zu übernehmen und die notwendigen Investitionen zu tätigen, um die Lebensdauer von Öl- und Gasfeldern sicher und effizient zu verlängern. In der Tat ist unsere Bilanz bei der Modernisierung alternder Infrastruktur und der Verbesserung der Gesamtleistung älterer Anlagen einzigartig in der Branche. Wir haben eine klare Erfolgsbilanz bei der Reduzierung von Emissionen bei den von uns erworbenen Altanlagen."

Selbst wenn einige Unternehmen umweltfreundlicher werden, so Babin, "bedeutet das nicht unbedingt, dass man das erreicht, was man sich vorgenommen hat." Es komme zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen, wenn man diese Unternehmen zu sehr dränge, argumentiert sie. "Sie werden einige ihrer Projekte an nicht-börsennotierte Unternehmen veräußern, die nicht unter dem gleichen Maß an Kontrolle stehen. Sie werden den Ball bei der Reduzierung des Kohlenstoff-Fußabdrucks nicht wirklich vorwärtsbewegen."

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June 10, 2021 10:01 ET (14:01 GMT)