UNTERFÖHRING (dpa-AFX) - Der Medienkonzern ProSiebenSat.1 investiert kräftig in sein Entertainment-Geschäft und nimmt dafür bröckelnde Gewinne in Kauf. "Wir sind stark auf unsere Drei-Säulen-Struktur fokussiert und wollen die sauber aufstellen", sagte Konzernchef Max Conze am Mittwoch bei einer Telefonkonferenz. "Dabei kommen wir sehr gut vorwärts." Der Konzern stellt sich angesichts rückläufiger TV-Werbeeinnahmen seit einiger Zeit neu auf und will sich auf die Bereiche Unterhaltung, Onlineshops und die Produktion von Inhalten konzentrieren.

So habe sich etwa der Start der neuen Streaming-Plattform Joyn mit mehr als 50 Sendern inklusive ARD und ZDF im Juni als erfolgreich erwiesen. Nach rund einem Monat sei die kostenlose App bereits 2,4 Millionen Mal installiert worden, insgesamt werde sie von rund 3,8 Millionen Zuschauern aktiv monatlich genutzt. Zum Jahresende ist zudem der Start eines werbefreien Abo-Modells geplant, auf dem mehr Inhalte abgerufen werden können und wo dem Nutzer auch spezielle Inhalte empfohlen werden sollen.

Daneben habe es auch Fortschritte bei einem gemeinsamen Vorhaben mit dem Konkurrenten RTL gegeben: Das im Juni gegründete Gemeinschaftsunternehmen "d-Force" erhielt grünes Licht vom Bundeskartellamt. Dabei handelt es sich um eine automatisierte Plattform, auf der Werbekunden noch einfacher TV- oder Onlinekampagnen buchen können. Für Conze "ein Multimilliardenmarkt der Zukunft".

Die durch das Videostreaming steigende Reichweite will ProSiebenSat.1 unter anderem für mehr personalisierte Werbung nutzen. Das könnte wiederum dem Commerce-Geschäft mit der Nucom Group zugute kommen, das sich im Gegensatz zum klassischen TV-Werbegeschäft schon seit einiger Zeit im Aufwind befindet. Conze sprach in diesem Zusammenhang von "klaren Synergien", die sich zwischen den beiden Segmenten ergeben würden.

Unter dem Dach der Nucom Group betreibt ProSiebenSat.1 Onlineportale wie die Partnervermittlungswebsite Parship oder den Parfümversandhändler Flaconi. Die jüngst in diesem Bereich zugekaufte US-Partnerbörse Eharmony habe sich wie die zwei zuvor genannten Portale positiv auf das Wachstum im zweiten Quartal ausgewirkt. Beim Vergleichsportal Verivox seien die Geschäfte dagegen wegen des aktuell schwachen Energiemarktes weniger gut verlaufen. Insgesamt steigerte der Konzern seine Commerce-Umsätze im Berichtszeitraum um 18 Prozent auf 198 Millionen Euro.

Auch mit der hauseigenen Produktionsfirma Red Arrow verdiente ProSiebenSat.1 wieder etwas mehr Geld als ein Jahr zuvor. Treiber waren insbesondere Auftragsproduktionen wie die Reality-Serie "First Responders Live" für den US-Sender Fox oder die Drama-Serie "Vienna Blood" für ORF/ZDF. Auch für Netflix produziert ProSiebenSat.1 derzeit eine Serie mit dem Titel "Jailbirds" - laut Conze derzeit mit die beliebteste Reality-Serie in den USA.

Seine Gesamterlöse konnte der Konzern im zweiten Quartal um vier Prozent auf 947 Millionen Euro und somit zwar unerwartet stark steigern. Letztlich tragen die Produktions- und Commerce-Sparte aber nach wie vor recht wenig zum Gruppenergebnis bei. Im klassischen TV-Geschäft, dem Kerngeschäft von ProSiebenSat.1, gingen die Erlöse allerdings, wie schon seit einiger Zeit zurück. Gepaart mit den hohen Investitionen verringerte sich der bereinigte Konzerngewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) um knapp ein Fünftel auf 213 Millionen Euro. Der Gewinn unter dem Strich reduzierte sich sogar um rund ein Viertel auf 93 Millionen Euro.

An seinen Jahreszielen hielt Conze trotzdem fest: So will das Unternehmen weiterhin einen Anstieg des Konzernumsatzes im mittleren einstelligen Prozentbereich sowie eine bereinigte Ebitda-Marge zwischen 22 und 25 Prozent erreichen. Neben der verstärkten Ausrichtung auf Themen wie E-Commerce, Streaming und personalisierte Fernsehwerbung will der Konzern auch an der Kostenschraube drehen. Wo es möglich ist, sollen im zweiten Halbjahr Sparmöglichkeiten realisiert werden, hieß es. Ein Arbeitsplatzabbau stehe laut Conze jedoch nicht im Fokus.

An der Börse brachten die neuen Quartalszahlen und weiteren Entwicklungen die ProSiebenSat.1-Aktie am Vormittag nicht wirklich in Schwung. Nachdem die Titel im vorbörslichen Handel noch um deutlich zugelegt hatten, standen sie zuletzt nur noch mit 0,7 Prozent im Plus. Einem Händler zufolge seien die Ergebnisse insgesamt kein Grund gewesen, bei den Papieren zuzugreifen./kro/elm/jha/