UNTERFÖHRING/LUXEMBURG (dpa-AFX) - Den Medienkonzernen ProSiebenSat.1 und RTL steht ein weiteres Jahr der Investitionen bevor. Um im Wettbewerb gegen die große Streaming-Konkurrenz zu bestehen, versuchen die Unternehmen sich breiter aufzustellen, wo es geht und ihre Abhängigkeit vom klassischen TV-Werbegeschäft zu reduzieren. Als wäre das nicht kompliziert genug, kommt nun auch noch die Covid-19-Pandemie hinzu, deren Folgen für die Branche bislang nur vage abzuschätzen sind. Was bei den MDax-Unternehmen los ist, was Analysten sagen und wie stark die Aktien durch das neuartige Coronavirus bislang in Mitleidenschaft gezogen worden sind.

DAS IST LOS BEI PROSIEBENSAT.1 und RTL:

In Unterföhring bei München wollen sie im Bereich "Matchmaking" noch einmal zuschlagen. So nennt ProSiebenSat.1 das Geschäft mit der Online-Partnervermittlung, das mit den bisherigen drei Portalen Parship, ElitePartner und Eharmony eins von vier Standbeinen im wachsenden Kommerzgeschäft des Fernsehkonzerns ist. Nun kommt also, wenn alles klappt, noch The Meet Group aus den USA hinzu. Für die dann neue Parship-Gruppe ist alsbald ein möglicher Börsengang angedacht.

Es ist nur einer von vielen Schritten, die ProSiebenSat.1 derzeit macht, um den Strukturwandel in der Medienbranche zu bewältigen. Denn das Geschäft mit klassischer TV-Werbung bröckelt. 2019 gingen die Umsätze in der Kernsparte um 4 Prozent zurück. Bei RTL fiel der durchschnittliche Rückgang in dem Bereich zwar milder aus. Letztendlich trifft dieser aber auch bei der Bertelsmann-Tochter das mit Abstand größte Standbein.

Konzernchef Thomas Rabe, der zugleich auch Vorstandsvorsitzender bei Bertelsmann ist, will sich nun noch stärker auf die Streaming-Aktivitäten in Deutschland und den Niederlanden konzentrieren. Bis 2025 sollen rund 350 Millionen Euro jährlich in die Inhalte von TV Now und Videoland fließen. Damit will RTL in dem Zeitraum auf 5 bis 7 Millionen zahlende Abonnenten kommen - derzeit sind es noch 1,44 Millionen. Auf Ebita-Basis (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Firmenwertabschreibungen) rechnet der Konzern zudem ebenfalls im Jahr 2025 mit erstmals schwarzen Zahlen.

Bei ProSiebenSat.1 schickt Konzernchef Max Conze seinerseits die Plattform Joyn ins Streaming-Rennen. Seit Juni gibt es das Angebot kostenlos und werbefinanziert, im November ist zudem die Bezahlvariante an den Start gegangen. Schwerpunkt hier sind lokale, auf den deutschen Markt zugeschnittene Formate. Im vergangenen Jahr hat ProSiebenSat.1 gemeinsam mit Discovery rund 100 Millionen Euro in den Streamingdienst gesteckt. 2020 könnten sich die Investitionen möglicherweise noch einmal erhöhen. Zudem wollen die Münchener auch in diesem Jahr noch einmal - je nach Entwicklung des Werbemarktes - bis zu 50 Millionen Euro zusätzlich für die Programminhalte ausgeben.

Damit bei all dem am Ende auch wieder Geld herauskommt, haben sich die beiden Konkurrenten im Bereich Werbetechnologie zusammengeschlossen. Mit dem Joint Venture d-force können die Werbekunden beider Häuser auf einer gemeinsamen Plattform smarte Werbung buchen. Mit den sogenannten Adressable-TV-Spots ist es möglich, dass auf einem Sender zur gleichen Zeit unterschiedliche TV-Spots für unterschiedliche Zuschauergruppen laufen - das soll die Zielgruppengenauigkeit erhöhen. Im jüngsten Geschäftsbericht erklärt ProSiebenSat.1 ein Fallbeispiel wie folgt: Beim 53-jährigen Peter läuft am Samstagabend auf ProSieben ein TV-Spot für Elektronik, während die 27-jährige Miriam zur gleichen Zeit Werbung für Schminke zu sehen bekommt.

ProSiebenSat.1 und RTL versprechen sich viel von der Technik. Bis 2022 soll der Markt für Addressable TV und Online-Video in Deutschland im einstelligen Milliarden-Bereich liegen, heißt es. Womöglich läuft es dann im operativen Geschäft auch wieder besser. 2019 war das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) bei ProSiebenSat.1 um 14 Prozent auf 872 Millionen Euro gesunken. RTL verbuchte beim bereinigten Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Firmenwertabschreibungen (Ebita) nach Restrukturierungskosten einen Rückgang von rund 3 Prozent. Trotz erwarteter Umsatzsteigerungen sollen die Investitionen im laufenden Jahr zunächst weiter auf die jeweiligen Ergebnisse drücken. Was die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie angeht, äußerten sich beide Unternehmen zudem bislang eher zurückhaltend. So war bei RTL von ersten Stornierungen von Werbebuchungen und Auswirkungen auf Produktionen die Rede.

WAS ANALYSTEN SAGEN:

Nach der Bilanzvorlage von RTL zeigten sich die bei dpa-AFX und Bloomberg erfassten Aktienexperten insgesamt eher wenig überrascht. Das Unternehmen habe die Erwartungen weitgehend erfüllt, hieß es etwa bei der US-Bank JPMorgan. Das operative Ergebnis wurde dabei mehrmals hervorgehoben - es hatte die Schätzungen übertroffen. Beim Ausblick hatte sich manch ein Experte allerdings mehr gewünscht.

Die geplanten Investitionen in das Streaming-Angebot kamen zudem gut an. Ein Experte aus dem Hause Kepler Cheuvreux schrieb, dass dies ein richtiger Schritt sei. Nach ihren Ersteinschätzungen rieten die meisten Analysten zum Halten der Aktie und kamen im Durchschnitt auf ein Kursziel von 44,50 Euro.

Bei ProSiebenSat.1 stutzten dagegen nicht wenige Analysten ihre Kursziele zurecht. Ebitda und Ausblick hätten demnach ihre Prognose und auch die Konsensschätzungen verfehlt, schrieb Analystin Lisa Yang von Goldman Sachs. Für die Jahre 2020 bis 2022 reduzierte sie ihre Gewinnprognosen (EPS) vor dem Hintergrund um bis zu 9 Prozent. Analyst Patrick Schmidt von Warburg Research äußerte sich zudem skeptisch bezüglich der Annahme, dass die Branche von der Coronavirus-Pandemie profitieren könnte, da die Menschen dadurch wieder mehr fernsehen. In Zeiten einer allgemeinen Verlangsamung und einer Reduzierung der Marketingbudgets sei das noch fragwürdig, schrieb Schmidt.

Positiv wurde dagegen die Dividendenrendite aufgefasst, die - bezogen auf den Schlusskurs der Aktie zum Jahresende 2019 - bei 6 Prozent lag. Die Experten wiesen auch generell auf die niedrige Bewertung des Papiers hin. Bei Independent Research rückte der zuständige Experte vor dem Hintergrund von seiner früheren Verkaufsempfehlung ab. Insgesamt überwogen denn auch die Urteile zum Kaufen, beziehungsweise Halten der Aktie. Das durchschnittliche Kursziel belief sich auf etwas über 14 Euro.

DAS MACHEN DIE AKTIEN:

Auch wenn derzeit unklar ist, wie stark sich Covid-19 auf die Geschäfte von RTL und ProSiebenSat.1 auswirken wird - in den Aktienkursen der beiden Medienhäuser hat die Pandemie bereits gewaltige Furchen hinterlassen. So ist der Kurs von RTL seit Jahresbeginn um mehr als ein Viertel eingebrochen. Die ProSiebenSat.1-Aktie traf es noch härter mit einem Kursverlust von rund 50 Prozent. Im Branchenvergleich war das Papier damit besonders stark abgerauscht.

Dabei hatten die ProSieben-Anleger schon im Vorjahr nicht viel zu lachen: Mit einem Kursverlust von knapp 11 Prozent lag das Papier bereits 2019 auf den hinteren Rängen im Branchenindex Stoxx 600 Media und im MDax. Die RTL-Aktie gab ihrerseits in dem Zeitraum um 6 Prozent nach - und lag damit ebenfalls weit hinten im Mittelwerteindex./kro/eas/stk