Berlin (Reuters) - ProSieben-Sat.1 baut Jobs ab, muss die Bilanzvorlage und die Hauptversammlung verschieben und könnte vorübergehend aus dem MDax fliegen.

Der neue Chef des Fernsehkonzerns, Bert Habets, wollte am Dienstag eigentlich eine neue Strategie vorstellen, doch bei einer Pressekonferenz gerieten andere Themen in den Fokus. Man wolle Kosten senken und plane dafür auch den Wegfall von Jobs, sagte Habets und verwies auf Stellenstreichungen anderer Medienfirmen wie RTL und Axel Springer. Den Umfang könne man derzeit nicht beziffern, Verhandlungen mit Beschäftigten-Vertretern dazu liefen aber. Bei mehr Klarheit könne man über Einsparungen und Zahl der betroffenen Arbeitsplätze informieren, sagte Habets im Reuters-Interview. "Wir brauchen wahrscheinlich noch ein paar Wochen."

Der seit November amtierende Habets kündigte an, der Konzern wolle sich auf Unterhaltung konzentrieren und den Streaming-Service Joyn in den Mittelpunkt stellen. "Künftig liegt auch unser Investitionsfokus auf dem Entertainment-Geschäft", betonte der niederländische Manager und ehemalige RTL-Chef. Joyn, wo bereits öffentlich-rechtliche Sender wie ARD und ZDF vertreten seien, sei auch offen für den Rivalen RTL.

Die steigende digitale Reichweite will die Senderkette um ProSieben, Sat.1 und Kabel 1 durch Werbetechnologie in Geld ummünzen und digitale Werbeerlöse erhöhen. Im Entertainment-Bereich überprüfe man regelmäßig Chancen von Zukäufen, erklärte ProSiebenSat.1. Habets hält am Ziel fest, mittelfristig den Umsatz im Schnitt um vier bis fünf Prozent pro Jahr zu steigern.

DATING-SPARTE NICHT MEHR KERNGESCHÄFT - NEUER EIGNER GESUCHT

Das Management will sich nach einem neuen Eigentümer für die Dating-Sparte umschauen. "Wir haben klar definiert, dass die ParshipMeet Group nicht mehr zum Kerngeschäft gehört", sagte Habets zu Reuters. Die Möglichkeit, hier Synergien zu erzielen, sei "immer weniger relevant". Die Dating-Sparte mache bereits zwei Drittel der Umsätze außerhalb der deutschsprachigen DACH-Region. "Ich denke, wir konzentrieren uns jetzt darauf, den Betrieb zu streamlinen und dann in einem nächsten Schritt den besten Eigentümer dafür zu finden."

Für die ParshipMeet Group hatte der Konzern einen Börsengang geplant, der seit dem Ukraine-Krieg auf Eis liegt. "Für die Zukunft werden wir alle strategischen Optionen, einschließlich eines Börsengangs, in Betracht ziehen." Einen solchen IPO schließe man nicht aus, er sei aber in der aktuellen Lage am Kapitalmarkt nicht realistisch, sagte Habets. Der Konzern hatte erst vorige Woche angekündigt, das Management der ParshipMeet Group umzubauen, Strukturen zu straffen und Personalkosten zu senken - "hauptsächlich im US-Geschäft des Video-Segments".

Der italienische Großaktionär MFE-Mediaforeurope erklärte, man nehme die Ankündigungen von ProSiebenSat.1 zur Kenntnis und freue sich auf einen offenen Austausch. Die von der Familie des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi geführte MFE will ProSiebenSat.1 stärker in ihre europäischen TV-Wachstumspläne einbinden. Die Bayern hatten das bisher eher abgeblockt. Habets sagte nun, man sei in einem "viel konstruktiveren Dialog" mit MFE, die Gespräche seien aber noch nicht abgeschlossen. Den neuen und zweitgrößten Aktionär, die tschechische PPF-Gruppe um die Milliardärin Renata Kellnerova, sieht Habets als langfristigen Investor.

ProSiebenSat.1 kündigte zudem an, dass sich die Vorlage der Bilanz für 2022 und der Ausblick für das laufende Jahr um vier bis sechs Wochen verzögere. Damit verschiebe sich auch die bisher für den 2. Mai geplante Hauptversammlung. Zudem würde das Unternehmen vorübergehend aus dem MDax fliegen, sollten bis zum 30. April keine Geschäftszahlen für das vergangene Jahr vorliegen. Grund sind regulatorische Fragen zum Geschäft der Gutschein-Tochter Jochen Schweizer mydays. Die Untersuchung dazu dauere an und man sei im Kontakt mit der Finanzaufsicht BaFin, sagte Habets. Signale für Sanktionen oder Strafen habe er nicht.

Nach anfänglichen Verlusten notierte die ProSiebenSat.1-Aktie am Nachmittag fast unverändert bei rund 8,88 Euro.

(Bericht von Klaus Lauer,; redigiert von Hans Seidenstücker; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Klaus Lauer