Im Gegensatz zu anderen Medienunternehmen, wie zum Beispiel Warner Bros. Discovery, genießt RTL den Vorteil, gut kapitalisiert und schuldenfrei zu sein. Dies ermöglicht es dem Konzern, die Entwicklung seines Streaming-Geschäfts mit größerer Flexibilität zu finanzieren - dank der nach wie vor großzügigen Cashflows aus seinem traditionellen Geschäft.

Nach Warnsignalen in den letzten Quartalen verzeichnet RTL in den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 ein Umsatzwachstum, das hauptsächlich auf die Erholung der Werbeeinnahmen zurückzuführen ist - nach einer langen und schmerzhaften Durststrecke scheinen sie sich endlich stabilisiert haben.
 
Besonders hervorzuheben ist das Streaming-Segment, das seine Einnahmen um 42% steigern konnte. Zwar ist dieses Segment nach wie vor defizitär - es wird dieses Jahr 200 Millionen Euro verschlingen - und macht nur einen winzigen Teil des konsolidierten Umsatzes aus (weniger als 7% ), doch die Dynamik stimmt hoffnungsvoll.
 
Mit RTL+ in Deutschland und Ungarn, Videoland in den Niederlanden und M6+ in Frankreich plant RTL, bis 2026 die Gewinnschwelle zu erreichen. Ob dies gelingen wird? Anleger bleiben erwartungsgemäß skeptisch.
 
Ein weiterer starker Arm des Konzerns ist die Produktion von Inhalten durch seine Tochtergesellschaft Fremantle, die immerhin ein gutes Drittel des konsolidierten Umsatzes ausmacht. Die Leistung im ersten Halbjahr enttäuscht jedoch, da die Einnahmen des Segments trotz 200 Millionen Euro an Akquisitionen stagnieren.
 
Fremantle ist ein Trumpf im Ärmel von RTL, der es dem Unternehmen ermöglicht, eine enorme Menge an kostengünstigen Inhalten zu produzieren und seine eigenen Netzwerke - sowohl im linearen Fernsehen als auch im Streaming - zu fluten. Sollte die Streaming-Option nicht realisiert werden, wird RTL versuchen, seinen Wert in Fremantle zu bewahren.
 
Der Sektor des linearen Fernsehens rationalisiert sich zunehmend, da der Druck wächst. Im letzten Halbjahr unterzeichnete RTL Partnerschaften mit Sky Deutschland für Sportrechte und mit seinem deutschen Rivalen ProSiebenSat1 für Werberechte.
 
Diese linearen Fernsehaktivitäten sind eine schwindende Geldmaschine. Kosten müssen gesenkt, das Werbeangebot konsolidiert und ein Weg gefunden werden, möglichst viel Bildschirmzeit an Werbetreibende zu verkaufen.
 
Für 2024 wurden die im Frühjahr vorgestellten Prognosen des Managements erneuert. Es ist jedoch zu beachten, dass die allgemeine Rentabilität aufgrund der Investitionen in das Streaming-Segment zurückgeht. Vorsicht ist auch beim Nettoergebnis des Halbjahres geboten, das von verschiedenen außergewöhnlichen Posten beeinflusst wird.
 
An der Börse hat die RTL-Aktie, obwohl sie sich auf einem historischen Tiefstand bewegt, kürzlich eine Neubewertung erfahren: Der Unternehmenswert erreicht nun das Achtfache des Betriebsergebnisses, was ziemlich nah an seinem Zehnjahresdurchschnitt liegt.