FRANKFURT (dpa-AFX) - In den Anfangsminuten noch marktkonform schwach, haben sich RWE-Aktien im Feiertagshandel am Montag zu einem der Dax-Favoriten gemausert. Die Stärkung des Erneuerbare-Energien-Portfolios mit einem Zukauf in den USA war zunächst nur verhalten von den Investoren aufgenommen worden, dann jedoch setzte sich eine positive Einschätzung des Deals am Markt durch. Am späten Vormittag standen die Aktien des Essener Versorgers mit rund eineinhalb Prozent im Plus. Sie gehörten damit zu den besten Dax-Werten. Der deutsche Leitindex stand zum Start in den neuen Börsenmonat Oktober zuletzt mit knapp einem Prozent im Minus unter Druck.

RWE schluckt für 6,8 Milliarden US-Dollar das Unternehmen Con Edison Clean Energy Businesses, einen nach Unternehmensangaben "im US-Markt führender Betreiber und Entwickler von Solaranlagen und Speichern". Finanziert wird der Deal zum Teil durch die Emission einer Pflichtwandelschuldverschreibung, die in RWE-Inhaberstückaktien gewandelt und von der Qatar Holding gezeichnet wird. Perspektivisch macht dieser Finanzierungsdeal das arabische Emirat Katar zum mit Abstand größten Aktionär des deutschen Versorgers.

Bei Branchenkennern kam der Zukauf gut an. Vincent Ayral von der US-Bank JPMorgan schrieb von einem strategisch "großartigen" und passenden Schritt. Für Ahmed Farman vom Analysehaus Jefferies ist die Bewertung des Deals vernünftig. Die Übernahme werde sich positiv auf die Gewinnentwicklung des Versorgers auswirken und verschaffe RWE eine führende Position in den USA auf dem dortigen Markt für Erneuerbare Energien, urteilte der Experte. Zudem impliziere der Kauf einen Anstieg der im vergangenen Jahr auf dem Kapitalmarkttag veröffentlichten Wachstumsziele für die Erneuerbaren um ein Fünftel.

Die USA böten aktuell ein von der Regierung gewolltes attraktives Umfeld für Erneuerbare Energien, stellte RBC-Experte John Musk derweil fest. Für ihn kommt die Übernahme daher zum rechten Zeitpunkt, um von dem regulatorischen Umfeld zu profitieren. Mit der Stärkung der Solarenergie durch den Zukauf ergebe sich zudem für RWE eine bessere technische Ausgewogenheit, befand der Branchenkenner. Ähnlich äußerte sich Sam Arie von der Schweizer UBS, der mit der Übernahme auch mehr regionale Ausgewogenheit sieht. Da RWE künftig zu jeweils einem Drittel in Europa, Großbritannien und den USA engagiert sei, verschaffe dies dem Konzern mehr Flexibilität bei Investitionen.

Auch in der aktuellen Energiekrise sieht der UBS-Experte RWE stärker abgesichert: Die politischen Entscheidungsträger in Deutschland müssten sich womöglich "zweimal überlegen, ob sie neue Steuern auf unerwartete Gewinne erheben, falls RWE darauf reagiert und seine Investitionskraft in andere Bereiche lenkt", warnte er.

Dass die Transaktion am Markt nicht durchweg gut ankomme, hält Arie aber für möglich: So könnte etwa die stärkere Fokussierung auf die Solarenenergie einigen Investoren nicht schmecken. Womöglich könnte am Markt auch eine gewisse Besorgnis über eine Gewinnverwässerung entstehen. Und drittens sei eine Transaktion in US-Dollar etwas, zu dem die Meinungen angesichts der aktuellen Stärke der Währung sicherlich variieren dürften, so Arie./tav/tih/men