(neu: Aussagen aus Telefonkonferenz zu Bezahlverfahren Russland und Vorbereitungen Gas-Embargo)

ESSEN (dpa-AFX) - Der Energiekonzern RWE ist mit einem Gewinnsprung ins laufende Jahr gestartet. Vor allem dank des Ausbaus der Kapazitäten im Geschäft mit Erneuerbaren Energien und dafür günstigerem Wetter verdiente der Konzern sowohl operativ als auch unterm Strich deutlich mehr. Außerdem profitierte RWE von milliardenschweren Gewinnen aus der Bewertung von Finanzprodukten zur Risikoabsicherung. Auf der anderen Seite bekam RWE die Folgen des Ukraine-Kriegs zu spüren und musste deshalb eine Abschreibung im hohen dreistelligen Millionenbereich verkraften, wie das im Dax notierte Unternehmen am Donnerstag in Essen mitteilte.

Finanzvorstand Michael Müller äußerte sich in einer Telefonkonferenz mit Journalisten zudem zu den Auswirkungen der Sanktionen und Vorsichtsmaßnahmen angesichts eines potenziellen Gas-Embargos.

Für die Jahresziele sieht der Vorstand RWE weiterhin auf Kurs und bestätigte die Mitte Februar angehobene Jahresprognose. Demnach soll das bereinigte operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) auf 3,6 bis 4 Milliarden Euro steigen. Die Experten der US-Banken JPMorgan und Goldman Sachs halten hierfür im weiteren Jahresverlauf sogar mehr Luft nach oben für möglich.

An der Börse wurden die Zahlen positiv aufgenommen. Die Aktie notierte zur Mittagszeit bei 40,44 Euro mit 0,17 Prozent im Plus. Sie hielt sich damit aber besser als der Gesamtmarkt: Der Deutsche Leitindex musste über zwei Prozent Abschlag hinnehmen. Und auch auf Jahressicht steht RWE besser da als viele andere Dax-Werte. Seit Anfang 2022 beläuft sich das Kursplus der Essener auf rund 12 Prozent.

Im Auftaktquartal des laufenden Jahres stieg das bereinigte operative Ergebnis von RWE um 65 Prozent auf 1,46 Milliarden Euro und erfüllte damit die Erwartungen der Analysten. Im vergangenen Jahr hatten insbesondere die Jahrhundertstürme in Texas das Ergebnis belastet. Das um Sondereffekte bereinigte Nettoergebnis betrug nun mit 735 Millionen Euro mehr als doppelt so viel wie ein Jahr zuvor. Hier hatten die Experten etwas weniger auf dem Zettel. Unter dem Strich stand wegen der höheren Bewertung von Finanzprodukten zur Absicherung von Risiken ein Gewinn von 2,2 Milliarden Euro nach knapp 900 Millionen Euro im Jahr davor.

Den Löwenanteil steuerte wie üblich das sogenannte Kerngeschäft bei. Hierzu zählen bei RWE neben Windkraft an Land und auf See sowie Solar auch der Energiehandel sowie Wasser, Biomasse und Gas. Das bereinigte operative Ergebnis des Segments mehr als verdoppelte sich auf knapp 1,3 Milliarden Euro. Dabei stieg der erzeugte Strom aus Wind und Sonne um ein Fünftel im Vergleich zum Vorjahr. Der Anteil der Erneuerbaren Energien an der gesamten Erzeugungskapazität stieg um ein knapp ein Drittel.

Außerhalb des Kerngeschäfts ging das operative Ergebnis um über ein Drittel auf 207 Millionen Euro zurück. Dies ist vor allem durch die Schließung von Kohle- und Atom-Kraftwerken zu begründen. RWE strebt an, sich immer stärker auf das Geschäft mit Erneuerbaren Energien zu fokussieren. Im Laufe der Jahre soll der bereinigte Gewinn des Kerngeschäfts den restlichen Anteil der Kohle- und Atomenergie immer weiter ersetzen. Dabei profitiert der Konzern aktuell auch von den politischen Bemühungen, sich angesichts des Ukraine-Kriegs unabhängiger von russischen Energieträgern zu machen.

Allerdings bekommt RWE auch die wirtschaftlichen Seiten des russischen Angriffskriegs zu spüren. Wegen des bereits im März von Großbritannien verhängten Kohleembargos gegen Russland musste RWE im ersten Quartal nun 850 Millionen Euro abschreiben. Außerdem steht die Frage im Raum, wie RWE mit den russischen Vorgaben zu Bezahlvorgängen umgeht. Finanzvorstand Michael Müller wollte in einer Telefonkonferenz mit Journalisten am Dienstag dazu keine Einzelheiten preisgeben.

RWE tausche sich mit der Bundesregierung über die Auswirkungen der Sanktionen aus, sagte der Manager. Er beantwortete auf Nachfrage nicht, ob RWE bereits Bankkonten bei russischen Banken eröffnet habe. Ende des Monats besteht laut Müller seitens RWE aber wieder eine Zahlungsverpflichtung.

Die russische Regierung hatte Ende März als Reaktion auf die Sanktionen der EU bekannt gegeben, dass westliche Staaten wie Deutschland Konten bei der Gazprombank eröffnen müssen, um weiter Gas zu erhalten. Andernfalls würden die Lieferungen für "unfreundliche Länder" eingestellt, hatte Präsident Wladimir Putin angekündigt. Die Staaten müssen demnach über die Konten, die einen Bereich für Valuta - also Euro oder Dollar - und einen für Rubel haben, eine Zahlung in russischer Währung sicherstellen. Laut dem von Putin unterzeichneten Dekret können weiter in Euro oder Dollar auf das russische Konto eingezahlt werden. Die Gazprombank tauscht das Geld dann in Rubel und überweist den Betrag an Gazprom. Polen und Bulgarien weigern sich, den Mechanismus zu akzeptieren und erhalten deshalb seit Ende April kein Gas mehr aus Russland.

Auch ein Lieferstopp von russischem Gas steht wegen des Ukraine-Kriegs immer wieder im Raum. Es wird sowohl seitens der EU als auch von Moskau als potenzielle Sanktion gegen die jeweils andere Seite diskutiert. Erst am Mittwoch hatte die russische Regierung Sanktionen gegen die Firma Gazprom Germania und andere ehemalige Tochterunternehmen des russischen Gaskonzerns verhängt. Um die Risiken und Auswirkungen eines potenziellen Gas-Embargos abzumildern, habe RWE vorgesorgt, sagte Müller am Donnerstag.

Wie bereits bekannt, hat RWE bis 2023 insgesamt Vereinbarungen zur Abnahme von russischem Gas in einer Größenordnung von bis zu 15 Terawattstunden (TWh). Die kommerzielle Position sei mittlerweile auf 4 TWh verringert worden, sagte Müller. So will RWE seinen Lieferverpflichtungen dennoch nachkommen können, sollte das russische Gas wegen eines Lieferstopps nicht mehr verfügbar sein. An den Energiemärkten sind die Folgen des Kriegs in Teilen bereits angekommen. Vor allem Gas ist sehr viel teurer geworden, was bei RWE zu erhöhtem Liquiditätsbedarf führt.

Deshalb hat RWE sich zwei neue Kreditlinien einräumen lassen. Eine im April ausgelaufene Kreditlinie wurde mit einer neuen über 2 Milliarden Euro ersetzt. Sie hat eine Laufzeit von vier Jahren. Zudem hat sich das Unternehmen einen weiteren Finanzierungsspielraum für zwei Jahre über 3 Milliarden Euro einräumen lassen. Außerdem besteht seit drei Jahren bereits eine Kreditlinie über 3 Milliarden Euro, sodass sich das Gesamtvolumen nun auf 8 Milliarden Euro beläuft.

Gas- und Stromkonzerne nutzen beim An- und Verkauf Sicherungsgeschäften. Diese werden oftmals schon deutlich vor der Lieferung abgeschlossen. Kommt es in der Zwischenzeit - wie zuletzt - zu starken Preisänderungen an den Großhandelsmärkten, müssen für diese Sicherungsgeschäfte Vorauszahlungen geleistet werden./lew/zb/nas/mis