WALLDORF (dpa-AFX) - Mit der Coronavirus-Pandemie steht auch der zuletzt erfolgsverwöhnte größte Softwarehersteller Europas unter Druck. Auch SAP als wertvollstes deutsches börsennotiertes Unternehmen bleibt nicht von den Auswirkungen der Lungenkrankheit Covid-19 verschont, wie vorläufige Zahlen aus dem ersten Quartal zeigten. Ohnehin müssen sich die neuen Co-Chefs Jennifer Morgan und Christian Klein an den ambitionierten Zielen ihres jäh abgetretenen Vorgängers Bill McDermott orientieren. Was bei SAP los ist, was Analysten sagen und wie die Aktie zuletzt lief.

DAS IST LOS BEI SAP:

Das Geschäft von SAP wurde von der Konzernspitze immer wieder als vergleichsweise konjunkturresistent dargestellt. Der daueroptimistische Ex-Vorstandschef McDermott prophezeite stets, dass eine Konjunkturflaute bei den Kunden den Druck zur Digitalisierung gar erhöhen würde. Diese Sicht wird sich nun beweisen müssen, denn die Corona-Krise dürfte rund um die Welt für eine deutliche Rezession sorgen.

Weil die Kunden wohl erst einmal versucht sind, auch am IT-Budget zu sparen, musste nun auch SAP seine ursprünglichen Jahresplanungen zusammenstreichen. Zwar wuchsen Umsatz und bereinigtes operatives Ergebnis im ersten Quartal noch. Doch bei den Erlösen gab es im März einen deutlichen Dämpfer vor allem bei den lukrativen Erlösen mit Softwarelizenzen im Einmalverkauf. Und das um Sondereffekte bereinigte operative Ergebnis legte nur dank Wechselkurseffekten noch knapp zu.

Immerhin rechnet SAP im laufenden Jahr mit einer Erholung - doch die ist auch nötig. Das Geschäftsjahr bei SAP ist sehr saisonal geprägt, erst am Schluss entscheiden viele die Kunden über den Großteil ihrer IT-Ausgaben. Vergangenes Jahr machte SAP fast 30 Prozent des Umsatzes im letzten Quartal - und mehr als ein Drittel des operativen Ergebnisses.

Das neue Vorstandsduo Klein/Morgan steht damit in seiner ersten echten Bewährungsprobe. Die beiden haben nach den milliardenschweren Zukäufen ihres Vorgängers die Aufgabe, die vielen Teile zu einem sinnvollen Ganzen zu formen. Und nicht nur das: 2023 soll die bereinigte operative Marge 5 Prozentpunkte höher liegen als 2018 mit 29 Prozent, das hatte noch McDermott den Anlegern versprochen. Und dabei bleibt SAP auch trotz Corona. "Die SAP rechnet damit, mit einer noch stärkeren Wettbewerbsposition als zuvor aus der Corona-Krise hervorzugehen", hieß es jüngst nach der gekappten Prognose.

Immerhin dürfte im ersten Quartal im Gegensatz zum Vorjahreszeitraum ein Gewinn unter dem Strich angefallen sein. Vor einem Jahr hatte ein Stellenabbauprogramm mit seinen Einmalkosten erstmals seit fast 17 Jahren zu einem Quartalsverlust geführt. Die Mitarbeiterzahl stieg trotz der Streichungen an auf zuletzt über 100 000 Beschäftigte - SAP baut in Zukunftsbereichen weiter auf.

Beim Umsatz backen die Baden-Württemberger für dieses Jahr etwas kleinere Brötchen als bisher geplant und streben auf Basis der Wechselkurse vom vergangenen Jahr noch 27,8 bis 28,5 Milliarden Euro an (VJ: 27,6). Der größte Schwung dürfte nach wie vor aus dem Cloudgeschäft mit Software zur Nutzung über das Internet kommen, dessen Erlös erwartet SAP mit einem Wachstum zwischen 18 und 24 Prozent bei bis zu 8,7 Milliarden Euro. Das um Sonderkosten bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern sollte zwischen 8,1 bis 8,7 Milliarden Euro betragen nach 8,2 Milliarden im Vorjahr.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Die Experten bleiben SAP trotz der schwächeren Aussichten für dieses Jahr gewogen. Von den zwölf im dpa-AFX-Analyser erfassten Analysten, die sich seit der Prognosesenkung mit der Aktie befasst haben, raten elf zum Kauf. Eine Stimme ist unentschieden. Das niedrigste Kursziel liegt bei 109 Euro, das höchste bei 134 Euro - zuletzt kostete das Papier etwas mehr als 113 Euro.

RBC-Analyst Alex Zukin schrieb, das erste Quartal sei durchwachsen ausgefallen - aber nicht so schlecht wie befürchtet. Stacy Pollard von JPMorgan überraschten die Aussagen angesichts der Pandemie nicht mehr. Sie hob hervor, dass die Ziele für 2023 bekräftigt wurden. Da SAP wichtige Technologie an die weltweit größten Konzerne liefere, dürfte der Softwarehersteller als stabiles Wachstumsunternehmen aus der Krise hervorgehen.

Alex Tout von der Deutschen Bank attestierte dem Konzern ein vergleichsweise robustes Geschäft und eine attraktive Bewertung. SAP sei im schlechten Umfeld eine gute Wahl, so der Experte - und stufte das Papier gar von "Hold" auf "Buy" herauf. Für Goldman-Sachs-Experte Mohammed Moawalla bleibt SAP ein "Überzeugungskauf". Zwar habe er nach den Eckdaten seine Schätzungen gekappt. Seine Kernthese, dass sich SAP nach wie vor in einer frühen Phase steigender Margen befinde, bleibe davon jedoch unberührt.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Mit dem Corona-Crash endete auch für die SAP-Aktie ein jahrelanger Höhenflug - noch am 19. Februar hatte das Papier mit 129,60 Euro so viel gekostet wie noch nie. In den ersten Wochen des Corona-Chrashs, stürzte die Aktie mit dem taumelnden Gesamtmarkt bis auf 82 Euro ab, konnte sich dann aber auch schnell wieder erholen. Inzwischen kostet die Aktie mit 113 Euro wieder etwa so viel wie zum Zeitpunkt des überraschenden Wechsels an der SAP-Spitze im Oktober 2019.

Mit dem auf etwas mehr als zehn Prozent reduzierten Corona-Verlust ist das SAP-Papier einer der stabilsten Standardwerte in Deutschland und ganz Europa - im Eurozonen-Auswahlindex EuroStoxx 50 ist die SAP-Aktie damit der siebtbeste Titel; unter den 30 Dax-Werten liegt SAP auf Rang drei. Damit konnte der Softwarehersteller den Vorsprung als wertvollstes deutsches Unternehmen ausbauen.

Der Konzern ist an der Börse derzeit 139 Milliarden Euro wert und damit rund 47 Milliarden Euro mehr als der Industriegase-Hersteller Linde, der SAP zumindest halbwegs noch folgen kann. In der Eurozone ist SAP wie vor Start des Corona-Crashs am 24. Februar, als die Pandemie die Finanzmärkte mit voller Wucht erwischt hatte, nach dem Luxusgüterkonzern LVMH die Nummer zwei.

Aber für SAP ist der Blick auf die europäischen Standardwerte nicht so wichtig wie der auf die US-Konkurrenz. Und hier schnitt vor allem Oracle - der Erzrivale aus alten Zeiten - besser ab. Die Aktie des auf Datenbanksoftware spezialisierten Konzerns musste in der aktuellen Krise so gut wie gar nichts an Federn lassen. Damit konnte der US-Konzern, dessen Gründer Larry Ellison sich verbal immer bis aufs Härteste mit SAP-Gründer Hasso Plattner duelliert hatte, seinen Bewertungsvorsprung wieder auf umgerechnet rund 20 Milliarden Euro ausbauen.

Besser sieht es dagegen im Vergleich zum zuletzt stark wachsenden Konkurrenten Salesforce aus. Dessen Anteile gaben seit dem 21. Februar etwas mehr als die SAP-Aktie nach. Damit ist der deutsche Konzern jetzt wieder etwas mehr wert ist als der US-Hersteller, der vor allem mit Software für die Vertriebssteuerung (CRM) über die sogenannte Cloud punktet./men/zb/mis