Seoul (Reuters) - Dem südkoreanischen Technologiegiganten Samsung Electronics droht ein Machtvakuum.

Nach der Verurteilung wegen Bestechung am Montag ist Samsung-Erbe Jay Y. Lee taggleich ins Gefängnis zurückgekehrt. In der Seouler Haftanstalt hatte der 52-Jährige bereits 2017 bis 2018 eine einjährige Strafe abgesessen. Die anstehende Restrukturierung des weitverzweigten Firmenimperiums, dessen Kronjuwele Samsung Electronics ist, dürfte sich damit weiter verzögern. Ursprünglich sollte der vielversprochene Wandel nach dem Tod von Lees Vaters Lee Kun Hee im Oktober Fahrt aufnehmen.

Der Chef der südkoreanischen Samsung-Gruppe und Vize-Verwaltungsratschef von Samsung Electronics wurde wegen Bestechung eines Mitarbeiters der ehemaligen Präsidentin Park Geun Hye zu einer zweieinhalbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Die Richter des Seouler Obersten Gerichts befanden ihn der Bestechung, Unterschlagung und Verheimlichung von kriminellen Erträgen im Wert von etwa 8,6 Milliarden Won (6,4 Millionen Euro) für schuldig. Der Enkel des Firmengründers war in dem Fall bereits 2017 zu fünf Jahren Haft verurteilt worden, kam jedoch nach einem Jahr frei. 2019 hatte der Oberste Gerichtshof eine Überprüfung angeordnet.

Seit Bekanntwerden der Affäre vor nun mehr als vier Jahren rund um Lee und den Rücktritt von Park wird deutlich kritischer über die Rolle der Chaebol genannten Unternehmer-Dynastien in Südkoreas Gesellschaft diskutiert, die maßgeblich zum wirtschaftlichen Aufstieg des Landes nach dem Koreakrieg betrugen. Vielfach wurden die engen Beziehungen zwischen Wirtschaft und Politik kritisiert. Die Verurteilung Lees gilt als Zeichen, dass auch die Justiz künftig den Firmenriesen genauer auf die Finger schaut.

Für Samsung Electronics kommt die erneute Haftstrafe Lees, die sich wegen der bereits abgesessenen Zeit auf eineinhalb Jahre reduziert, zur Unzeit. Der Technologiekonzern, der neben Speicherchips und Smartphones auch Haushaltsgeräte herstellt, kämpft um seine Spitzenposition als Smartphone-Branchenführer und will von Lieferengpässen im Chipmarkt profitieren. Durch die Haftstrafe wird es dem einzigen Sohn nicht möglich sein, weiterhin das Geschehen bei der Samsung-Gruppe zu kontrollieren und Einfluss auf die anstehende Restrukturierung des komplizierten Firmengerüsts aus mehr als 60 Tochtergesellschaften zu nehmen. Hinzu kommen Nachfolgedebatten rund um die Machtübergabe an Jay Lees Kinder sowie weitere Probleme. So musste Samsung-Electronics-Chairman Lee Sang Hoon wegen der Behinderung der Arbeit von Gewerkschaften ins Gefängnis.

Um Kritikern Wind aus den Segeln zu nehmen, hat Jay Lee einen unabhängigen Prüfungsausschuss eingesetzt. Allerdings habe dieser bisher noch nicht seine volle Wirkung entfaltet, urteilten die Richter. Noch im Dezember, bei seinen letzten öffentlichen Äußerungen, hatte Lee versprochen, ein "neues Samsung" aufbauen zu wollen.

Lee hat noch eine Woche Zeit, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Experten geben ihm allerdings keine Chancen, da sich der Oberste Gerichtshof schon einmal mit dem Fall auseinandergesetzt hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass Lee die nächsten eineinhalb Jahre in dem Seouler Gefängnis am Stadtrand verbringen wird, in dem er schon einmal war, ist hoch. Er könnte auf eine alte Bekannte treffen: Die ehemalige Präsidentin Park sitzt dort ebenfalls ihre 20-jährige Haftstrafe ab.

Die Samsung-Aktien fielen am Montag um 3,4 Prozent und damit so stark wie zuletzt vor fünf Monaten. Die Papiere von Samsung C&T gaben fast sieben Prozent nach. Analysten rechnen nicht damit, dass das Alltagsgeschäft der Samsung-Firmen beeinträchtigt wird. "Allerdings könnten neben dem Imageschaden strategische Entscheidungen, Zukunftsinvestitionen und die Restrukturierung pausieren", sagte der Chef des Marktforschers Chaebul.com, Chung Sun Sup.