"Für die Investoren schlägt es mittlerweile fünf vor zwölf", sagte Timo Emden vom gleichnamigen Analysehaus. "Schärferer Restriktionen sind bereits in den kommenden Tagen und Wochen wahrscheinlich." Am Mittwoch will sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten beraten, dabei dürften neue Schutzmaßnahmen beschlossen werden. Der Dax brach am Montag um 3,7 Prozent ein auf 12.177,18 Punkte und fiel damit auf den niedrigsten Stand seit fast vier Monaten. Der EuroStoxx50 büßte 2,9 Prozent auf 3105,21 Zähler ein. In den USA sackten die Börsen ebenfalls ab.

Verstärkt wurde der Verkaufsdruck durch eine Prognose-Senkung des Index-Schwergewichts SAP. Die Aktien des größten europäischen Softwarehauses stürzten um 21,9 Prozent ab, so stark wie zuletzt Anfang 1999. Damit schrumpfte der Börsenwert binnen Minuten um etwa 31 Milliarden Euro - mehr als die gesamte Marktkapitalisierung des Rückversicherers Münchener Rück. In der Folge brach auch der europäische Tech-Index mehr als sieben Prozent ein.

Wegen der Virus-Krise und vor dem Hintergrund eines enttäuschenden Quartalsergebnisses kappte SAP zum zweiten Mal in diesem Jahr seine Geschäftsziele. Die Rücknahme der kurz- und mittelfristigen Ziele überraschten in ihrem Ausmaß, schrieb DZ-Analyst Harald Schnitzer. "Die Nachfrage verläuft verhalten, der Ausbau des Cloudgeschäfts erfordert weitere hohe Investiitnoen und das lukrative Softwarelizenzgeschäft schwächt sich deutlicher ab als erwartet."

KONJUNKTURAUSSICHTEN TRÜBEN SICH EIN

Wasser auf die Mühlen der Konjunktur-Pessimisten war der Ifo-Index, der die Stimmung in den deutschen Chef-Etagen widerspiegelt. Er fiel überraschend stark auf 92,7 Punkte. Während die Firmen die aktuelle Lage etwas besser einschätzten als erwartet, äußerten sie sich über die Zukunftsaussichten pessimistischer. "Es bedarf keines Lockdowns in Deutschland, um die Konjunktur auszubremsen", warnte DekaBank-Volkswirt Andreas Scheuerle. "Schon die exponentiell steigenden Infektionszahlen reichen aus."

Vor diesem Hintergrund zogen sich Investoren auch aus den Rohstoffmärkten zurück. Die Sorte Brent aus der Nordsee verbilligte sich um bis zu 3,6 Prozent auf 40,25 Dollar je Barrel (159 Liter). Zugleich deckten sich Anleger mit dem Dollar ein. Dieser legte zu einem Währungskorb 0,3 Prozent zu, der Euro verlor entsprechend 0,5 Prozent an Wert und lag bei 1,1801 Dollar.

FUSION ZWISCHEN FIAT UND PEUGEOT RÜCKT NÄHER

Positive Nachrichten kamen dagegen von den Autowerten: FiatChrysler (FCA) und der französische PSA-Konzern stehen Insidern zufolge kurz vor der Genehmigung ihrer Milliarden-Fusion durch die EU-Kartellbehörde. Die Aktien der beiden Unternehmen legten zeitweise bis zu 4,3 Prozent zu, gaben aber bis Handelsschluss einen Großteil der Gewinne wieder ab. Durch den Zusammenschluss würde der weltweit viertgrößte Autokonzern entstehen, der Marken wie Fiat, Jeep, Dodge und Maserati sowie Peugeot, Opel und DS vereint.

Positive Neuigkeiten zum potenziellen Corona-Impfstoff von AstraZeneca und der Universität Oxford rückten dagegen in den Hintergrund. Das Mittel, das derzeit an zehntausenden Menschen getestet wird, erzeugte einem Bericht der "Financial Times" zufolge eine "robuste Immun-Reaktion" bei älteren Menschen, bei denen die Gefahr eines schweren Erkrankungsverlaufs besonders hoch ist. Die Ergebnisse sollten in Kürze in einem wissenschaftlichen Fachmagazin veröffentlicht werden. Die AstraZeneca-Aktien legten 1,7 Prozent zu.