Referat

Sperrfrist

29. April 2022, 10.00 Uhr

Erfüllung des Mandats in schwierigen Zeiten -

Die Nationalbank ist gewappnet 114. ordentliche Generalversammlung der Aktionärinnen und Aktionäre der Schweizerischen Nationalbank

Barbara Janom Steiner

Präsidentin des Bankrats Schweizerische Nationalbank Bern, 29. April 2022 © Schweizerische Nationalbank

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre Meine Damen und Herren

Geschätzte Gäste

Die SNB ist seit längerer Zeit mit einer Reihe von grossen Herausforderungen konfrontiert, die unterschiedlicher Natur sind. Es ist nicht selbstverständlich, dass es ihr so gut gelungen ist, diese adäquat anzugehen und ihr gesetzliches Mandat stets vollumfänglich zu erfüllen.

Ich bin überzeugt, dass dies auch in Zukunft der Fall sein wird, obwohl sich die Ausgangslage jüngst noch einmal stark verändert hat. Ich spreche hier insbesondere vom Überfall Russlands auf die Ukraine. Nachdem es etliche Jahre keinen Krieg mehr in Europa gegeben hat, stehen wir dem Angriff Russlands auf die Ukraine fassungslos gegenüber. Der Präsident des Direktoriums wird in seiner Ansprache darauf eingehen, wie dieser militärische Konflikt aus ökonomischer und geldpolitischer Sicht einzuordnen ist. Ich möchte an dieser Stelle der Opfer gedenken und ihren Familien sowie den unzähligen Menschen, die diesen schrecklichen Krieg in ihrer Heimat erleiden oder auf der Flucht sind, unser Mitgefühl aussprechen.

Reibungsloser Betrieb dank bewährter Organisation und Governance

In meinen Ausführungen werde ich Ihnen zuerst darlegen, wie die SNB im letzten Jahr erfolgreich mit internen und externen Herausforderungen umgegangen ist. Anschliessend werde ich auf eine Entwicklung eingehen, die mich zunehmend mit Sorge erfüllt. Ich meine damit die zahlreichen neuen Forderungen zur Verwendung der Aktiva und der Gewinne, die laufend von aussen an die Nationalbank herangetragen werden und die gleichzeitig wachsenden Begehrlichkeiten.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch im vergangenen Jahr prägte die Corona-Pandemie den Betrieb der SNB stark. Dank der ergriffenen Massnahmen, die sich bereits im Vorjahr als wirksam erwiesen hatten, konnte die Nationalbank ihren Auftrag trotz den erschwerten Bedingungen erfüllen. Das interne Schutzkonzept wurde laufend überprüft und der Entwicklung der Pandemie angepasst. Um die Ansteckungsgefahr zu reduzieren waren durchschnittlich zwischen 70% und 80% der Mitarbeitenden im Home-Office tätig. Teams, die kritische ortsgebundene Tätigkeiten ausüben, wurden zeitweise aufgeteilt und bezogen Ausweicharbeitsplätze.

Bereits Ende 2021 wurden die positiven Erfahrungen mit dem Home-Office zum Anlass genommen, um die allgemeinen Arbeitsregeln zu aktualisieren. Seit Anfang dieses Monats sind wir wieder im Normalbetrieb tätig. Neu ist dabei, dass Mitarbeitende bis zu 60% im Home-Office arbeiten können. Damit es der Bank möglich ist, sich weiterzuentwickeln und neue Mitarbeitende zu integrieren sowie den Zusammenhalt zu stärken, bedarf es aber auch einer bestimmten Präsenz vor Ort. Ich bin überzeugt, dass die SNB die richtige Balance in diesem Spannungsfeld finden und ihre bereits hohe Attraktivität als Arbeitgeberin dadurch noch steigern wird.

Ähnlich erfolgreich wie mit der Corona-Pandemie ist die SNB mit einer weiteren aussergewöhnlichen Situation, die sich im vergangenen Jahr ergab, umgegangen. In relativ kurzem zeitlichen Abstand mussten sich zwei Direktoriumsmitglieder einem medizinischen Eingriff unterziehen. Es freut mich und uns alle sehr, dass beide Eingriffe ohne Komplikationen verliefen und sowohl Thomas Jordan als auch Fritz Zurbrügg rasch wieder voll einsatzfähig waren und ihren Aufgaben in gewohnter Form nachkommen konnten.

Wie die Episode gezeigt hat, verfügt die SNB über eine ausgesprochen hohe Resilienz. Selbst wenn ein Mitglied des Direktoriums temporär ausfällt, bleibt die Nationalbank zu jeder Zeit uneingeschränkt beschluss- und handlungsfähig. Die Stellvertretungen funktionierten wie vorgesehen, und die SNB konnte die Absenzen problemlos auffangen. Ihre Organisation und ihre Governance haben sich damit einmal mehr bewährt.

Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen und Prozesse im Personalbereich

Bei der nächsten Herausforderung, die mir besonders am Herzen liegt, ging es um die Vorwürfe betreffend Mobbing, Diskriminierung und Sexismus, die im Herbst 2020 überraschenderweise in einzelnen Medienberichten gegen die Nationalbank erhoben worden waren. Wie ich bereits an der letztjährigen Generalversammlung ausgeführt habe, verfügte die Nationalbank auch in der Vergangenheit über zweckmässige und robuste Prozesse im Personalbereich. Dies bestätigte eine Untersuchung der Fälle von möglichem Fehlverhalten seit 2015: Es wurden nur wenige Verstösse gemeldet, wovon kein einziger von gravierender Natur war. Zudem standen die Vorwürfe im deutlichen Widerspruch zu den Ergebnissen der regelmässigen Personalbefragungen, den Erfahrungen im betrieblichen Alltag und den guten Bewertungen im Rahmen des Rankings «Beste Arbeitgeber Schweiz». Die lautstarken Behauptungen und Unterstellungen in den reisserisch aufgemachten Medienberichten erwiesen sich bei näherer Betrachtung als schlichtweg unzutreffend.

Dennoch haben wir die Thematik aufgenommen um sicherzustellen, dass die Nationalbank in jeder Hinsicht zeitgemäss aufgestellt ist. Das Direktorium liess die genannten Prozesse in Absprache mit dem Bankrat umfassend überprüfen mit dem Ziel, wo sinnvoll, weitere Verbesserungen vorzunehmen. Ein Ad-hoc-Ausschuss des Bankrats, den ich persönlich geleitet habe, begleitete die Arbeiten der vom Präsidenten des Direktoriums geführten Steuergruppe eng. Gerne gebe ich Ihnen heute einen Einblick in die Inhalte und Ergebnisse.

Das Projekt umfasste drei Ziele. Erstens eine Optimierung der Prozesse im Personalbereich betreffend Anstellungen, Beförderungen und Lohnfestlegungen. Zweitens eine Modernisierung des Prozesses für die Meldung von Regelverstössen unter Ausrichtung auf den allerneuesten Standard. Und drittens die Weiterentwicklung der Diversitätsstrategie und die Überprüfung der Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Bei all diesen Arbeiten zog die Nationalbank externe Experten bei. Selbstverständlich wurde auch die Personalkommission der SNB regelmässig informiert und miteinbezogen.

Was haben wir nun erreicht? Die Prozesse für Anstellungen, Beförderungen und Lohnfestlegungen wurden bankweit noch deutlicher vereinheitlicht und die Rolle der Organisationseinheit Human Resources entsprechend gestärkt. Gestützt auf die erstmals durchgeführte gesetzliche Lohngleichheitsanalyse erhielt die SNB im letzten Jahr das Label «WE PAY FAIR» sowie das Gütesiegel der Bankbranche. Die erfreulichen Resultate unserer eigenen Untersuchungen, die wir im Rahmen der jährlichen Lohnrunde durchführen, wurden dadurch bestätigt.

Was das Thema Regelverstösse angeht, legt die Nationalbank nicht nur einen grossen Wert auf einen korrekten, sondern auch auf einen «State of the Art»-konformen Umgang mit solchen Vorfällen. Anfang November 2021 lancierte sie ihr überarbeitetes Meldesystem für Regelverstösse, das sich nach einem neuen globalen Standard richtet, der sogenannten ISO-Norm 37002. Der Fokus des Systems liegt auf einer leichten Zugänglichkeit und einem hohen Schutz für alle in Meldungen involvierten Personen. Im Februar 2022 liess die SNB - unseres Wissens als erste Zentralbank und auch als eines der ersten Unternehmen weltweit - ihr Meldesystem nach dieser ISO-Norm erfolgreich zertifizieren.

Beim dritten Element der Projektarbeiten ging es um eine Weiterentwicklung der Diversitätsstrategie sowie um eine Überprüfung der Rahmenbedingungen für das Arbeiten bei der SNB. Die Nationalbank ist davon überzeugt, dass Diversität die Auftragserfüllung unterstützt und gleichzeitig die Attraktivität der SNB als Arbeitgeberin stärkt. Deshalb wurden zum einen die entsprechenden Ausführungen im Leitbild ergänzt und konkretisiert. Zum anderen wurden Massnahmen definiert, welche die Diversität in unserer Institution fördern sollen.

Schliesslich ist es wichtig, möglichst viele Interessenten als potenzielle Mitarbeitende anzusprechen. So wird die SNB beispielsweise das Personalmarketing an Hochschulen, das sie schon bisher in der ganzen Schweiz gepflegt hat, in der Westschweiz und im Tessin mit einer häufigeren und stärkeren Präsenz an ausgewählten Absolventen- und Berufsmessen intensivieren. Mit dieser Massnahme hoffen wir, mehr Mitarbeitende aus diesen Regionen rekrutieren zu können.

Im März dieses Jahres hat der Bankrat mit Befriedigung von den Ergebnissen des Gesamtprojekts Kenntnis genommen. Die Gewissheit, dass die Nationalbank über vorbildliche Prozesse im Personalbereich verfügt, wurde durch die vorgenommenen Optimierungen und die Attestierungen durch externe Organisationen nochmals gestärkt. Rückblickend auf das in diesem Projekt Erreichte kann ich - mehr denn je - bestätigen, dass die SNB eine in jeder Hinsicht attraktive und faire Arbeitgeberin ist. Es bleibt aber selbstverständlich eine Daueraufgabe unserer Institution, die Prozesse im Personalbereich und beim Meldewesen weiterhin täglich zu leben und laufend zu optimieren. Dies ist eine wichtige Bedingung, damit die Nationalbank stets über diejenigen Kompetenzen verfügt, die sie benötigt, um ihren Aufgaben bestmöglich nachkommen zu können.

Erweiterung des Mandats und Zweckbindung der SNB-Gewinne nicht im Gesamtinteresse der Schweiz

Während die Voraussetzungen zur Erfüllung des Mandats dank bewährten Strukturen und hochqualifizierten Mitarbeitenden von innen her sichergestellt sind, sehe ich sie durch Einflüsse von aussen zunehmend gefährdet. Wie ich eingangs erwähnt habe, werden die Vorschläge und vermehrt auch die Forderungen, für welche Zwecke die Aktiva oder die Gewinne der SNB verwendet werden könnten, immer vielfältiger. Dem Ideenreichtum sind verständlicherweise keine Grenzen gesetzt. Diesen Forderungen nachzukommen wäre allerdings alles andere als eine gute Idee. Lassen Sie mich daher etwas ausführlicher auf die Thematik der Gewinnausschüttung eingehen, da es hier konkrete Vorstösse gibt, die geltende Regelung aufzuweichen.

Vor allem zwei Argumente sprechen dagegen, an der ausgewogenen Ausschüttungsvereinbarung, die das Eidgenössische Finanzdepartement mit der SNB getroffen hat, zu rütteln. Zum einen werden die Mittel der Nationalbank, die für eine Ausschüttung zur Verfügung stehen, überschätzt. Zum anderen würde ein Abzweigen von Mitteln für Sonderzwecke die Erfüllung des Mandats der SNB zumindest erschweren, wenn nicht sogar gefährden. Lassen Sie mich diese beiden Punkte kurz ausführen.

Was den Spielraum für zusätzliche Ausschüttungen angeht, so schielen manche auf die in den vergangenen Jahren stark gewachsene Bilanz der SNB. Sie sehen dabei grosszügig über die Tatsache hinweg, dass nur ein vergleichsweise kleiner Anteil davon Eigenkapital ist und dass dieses wiederum nur partiell für Ausschüttungen zur Verfügung steht. Zwar beläuft sich die für die Ausschüttungen an Bund und Kantone relevante Ausschüttungsreserve nach dem erfreulichen Jahresergebnis 2021 derzeit auf 102 Mrd. Franken. Und dieser Betrag mag auf den ersten Blick auch sehr hoch erscheinen angesichts einer jährlichen Maximalausschüttung an Bund und Kantone von 6 Mrd. Franken.

Allerdings müssen wir uns zwei Tatsachen in Erinnerung rufen: Erstens ist die Ausschüttungsreserve das zentrale Instrument, um die Gewinnausschüttung an Bund und Kantone möglichst gleichbleibend und ohne Unterbruch, also Jahr für Jahr, zu gewährleisten. Dieses Ziel zu erreichen ist keineswegs trivial, denn die Höhe der Ausschüttungsreserve hängt massgeblich von den Entwicklungen an den Finanzmärkten ab. Schwächere Aktienmärkte, steigende Zinsen und vor allem ein aufwertender Franken belasten das Ergebnis der SNB und damit auch die Ausschüttungsreserve. Die breite Diversifikation der Währungsreserven reduziert zwar generell das Risiko von Verlusten. Allerdings wissen wir alle, dass sinkende Aktienkurse, steigende Zinsen und ein erstarkender Franken gleichzeitig auftreten können - und das nicht nur für eine kurze Zeitdauer. Das erste Quartal 2022 zeigt, wie wichtig es ist, sich dies stets vor Augen zu halten. Ein gut dotierter Puffer, Ende 2021 entsprach er rund einem Zehntel der Bilanzsumme, ist also vor allem im Interesse von Bund und Kantonen. Andernfalls steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Phasen ohne Gewinnausschüttung eintreten, die zudem von längerer Dauer sein können.

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SNB - Swiss National Bank published this content on 29 April 2022 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 29 April 2022 08:11:05 UTC.