FRANKFURT (dpa-AFX) - Schnappen sich die Chinesen jetzt auch noch SGL ? Derartige Spekulationen reichten immerhin, die Aktien des angeschlagenen Kohlenstoffspezialisten am Freitag zwischenzeitlich bis auf 12,025 Euro und damit auf den höchsten Stand seit Anfang Januar zu hieven. Am späten Vormittag stand noch ein Plus von 10,45 Prozent auf 11,675 Euro. Damit waren sie der unangefochtene Spitzenreiter im SDax der gering kapitalisierten Werte.

Auslöser des Kurssprungs zum Wochenende war ein Bericht des "Manager Magazins", wonach der Kohlenstoffspezialist im Visier des chinesischen Chemiekonzerns Chemchina stehe. Der Vorstandschef des Staatsunternehmens, Ren Jianxin, soll schon diverse Gespräche mit SGL-Chef Jürgen Köhler und der Großaktionärin Susanne Klatten geführt haben, hieß es unter Berufung auf Unternehmenskreise.

Zweifel sind jedoch angebracht, ob SGL tatsächlich ein solch hohes Interesse chinesischer Investoren auf sich zieht wie jüngst zum Beispiel die Maschinenbauer Aixtron oder Kuka . Bislang ist lediglich offiziell bekannt, dass sich die krisengeschüttelte Wiesbadener Firma, deren Eigenkapital stark gesunken ist, von ihrem Hauptgeschäft mit Graphitelektroden trennen will, das unter einem ruinösen Preiskampf leidet.

SGL sagte denn auch auf Nachfrage, dass es Gespräche mit Investoren gebe, die sich aber rein auf das Graphitelektrodengeschäft bezögen. Dieses würde derweil gut zur 2011 von den Chinesen erworbenen Beteiligung Elkem passen. Chemchina würde dem Magazinbericht zufolge am liebsten die komplette Firma übernehmen, sei aber offen für alles.

Börsianer bezweifeln derweil, dass die Chinesen ernsthaft an SGL interessiert sind. Analyst Björn Voss von Warburg Research etwa wollte eine Übernahme zwar nicht ausschließen, verwies aber auf die aktuell sehr hohe Bewertung der Aktien. Somit stelle sich die Frage, warum Chemchina derart viel Geld für ein Unternehmen aus der schwankungsanfälligen Rohstoffbranche ausgeben wolle, das eben nicht wie Aixtron oder Kuka im insgesamt boomenden Maschinenbau tätig ist.

Voss gab ferner zu bedenken, dass in dem Artikel kein Kaufpreis genannt ist, so dass der Kursanstieg zumindest von daher wenig untermauert scheint. Vielmehr könne der Kurssprung darauf zurückzuführen sein, dass jüngst viele Anleger bei SGL auf fallende Kurse gesetzt hätten. Nachdem sich die Stimmung den Aktien gegenüber aber jüngst wieder aufgehellt habe, seien diese Investoren nun gezwungen, wieder zu zukaufen, um Verluste zu vermeiden. Erst am Donnerstag hatten die Papiere von einem Bericht der italienischen Zeitung "Umbria24" profitiert, demzufolge ein neuer Investor an der Fabrik in Narni interessiert sein könnte.

Auch ein Händler äußerte sich skeptisch. Dass sich Frau Klatten von ihrem Anteil an dem Kohlenstoffspezialist trennen könnte, hielt der Börsianer für eher unwahrscheinlich, da sie die Aktien zu einem höheren Preis gekauft habe. Eventuell verfolge Frau Klatten mit ihrem Engagement bei SGL vielmehr strategische Ziele, weil sie auch Großaktionärin des Autobauers BMW ist. Insofern könnte Frau Klatten ein Interesse daran haben, die Versorgung der BWW-Fabriken mit Carbonfaser-Materialien von SGL auf lange Sicht sicherzustellen./la/stb