Von Carol Ryan

NEW YORK (Dow Jones)--Büros in der Innenstadt stehen genauso leer wie die Bekleidungsgeschäfte nebenan. Doch Immobilieninvestoren bevorzugen die ersteren. Ein Teil der Voreingenommenheit mag daran liegen, dass die Herausforderungen, mit denen Büros konfrontiert sind, neueren Datums sind und weniger gut verstanden werden.

Die Zentren von Großstädten wie London und New York waren während der Pandemie Geisterstädte, da die Arbeitnehmer das Pendeln aufgegeben hatten. Das West End, einer der belebtesten Bezirke der britischen Hauptstadt, ist laut dem örtlichen Vermieter Shaftesbury derzeit nur mit 40 Prozent des Normalwerts belegt. Es besteht die Hoffnung, dass die Aktivität wieder zunimmt, wenn alle Beschränkungen der britischen Regierung Mitte Juni wie geplant aufgehoben werden.

In New York lag die Bürobelegung laut dem Branchenbarometer von Kastle Systems Mitte Mai bei nur 16,8 Prozent des Vorkrisenniveaus. Facebook und JP Morgan sagten kürzlich, dass sie ab Juli wieder Mitarbeiter in die Büros lassen würden.


   Büros verlieren weniger an Wert als Einzelhandelsflächen 

Selbst mit der Aussicht, dass erneut mehr Menschen in die Stadtzentren strömen, ziehen die Büros mehr Optimismus an als die Geschäfte, die um sie herum liegen. Vergangene Woche gab Shaftesbury bekannt, dass der Wert seiner Einzelhandelsgeschäfte im Zentrum Londons in den sechs Monaten bis März um 18 Prozent nachgegeben hat.

Zugleich verlor ein anderer auf London fokussierter Immobilien-Investmenttrust, Great Portland Estates, nach eigenen Angaben im vergangenen Geschäftsjahr 27 Prozent an Wert. Dagegen ging es für den Wert ihrer jeweiligen Büros im Durchschnitt nur um bescheidenere 3 Prozent abwärts.

Die Aktienanleger sind deutlich pessimistischer. Die großen Abschläge zu den Buchwerten, mit denen britische Büro-Reits gehandelt werden, implizieren laut dem Immobilienforschungsunternehmen Green Street einen Rückgang der Immobilienwerte um etwa 15 Prozent.

Zugleich ist eine Divergenz zwischen Büro- und Ladenbewertungen auch in New York zu beobachten, obwohl die Bürowerte stärker nach unten gerauscht sind als in London. Die Daten von Colliers zeigen, dass 16,1 Prozent der Büroflächen in der US-Stadt jetzt zur Miete verfügbar sind - mehr als während der Finanzkrise 2009.


   Käufer aus Übersee bleiben fern 

Der Einzelhandel in den Innenstädten steht wahrscheinlich vor einem härteren Rückschlag. Große Einkaufsflaniermeilen wie die Fifth Avenue in New York oder die Regent's Street in London sind auf Besucher aus Übersee angewiesen, um einen Teil des Umsatzes zu erzielen. Selbst in ihrem optimistischsten Szenario erwartet die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen, dass der weltweite Tourismus 2021 um 55 Prozent unter dem Niveau vor der Pandemie liegen wird.

Verlassene Straßen bedeuten, dass die großen Vorzeige-Einkaufspaläste in diesen Konsumknotenpunkten die Marketingkraft verloren haben, die früher hohe Mieten rechtfertigte. Flächen außerhalb der Stadt erwiesen sich als bequemer für die Abholung und den Versand boomender Online-Bestellungen während der Krise - und kehrten damit den Trend aus der Zeit vor der Pandemie um, der Geschäfte in der Innenstadt belohnte.


   Londons Innenstadt-Büroflächen wohl zu teuer bewertet 

Derweil sehen Londons widerstandsfähige Bürobewertungen zu optimistisch aus. Die Preise werden durch niedrige Zinssätze und Käufer aus Übersee vorerst gestützt. Investoren können einen zusätzlichen Prozentpunkt an Mietrendite für Büros im Zentrum Londons im Vergleich zu anderen europäischen Top-Städten wie Paris erhalten. Allerdings machen lange durchschnittliche Pendelwege London anfälliger für die Verlagerung zur Telearbeit. Dieser Trend könnte die Nachfrage nach Büroflächen in der Stadt um 15 Prozent reduzieren, verglichen mit 5 Prozent in Berlin, wie Green Street schätzt.

Büroräume sind derzeit schwer zu bepreisen. Gutachter versuchen zu verstehen, wie sich der Trend zur Heimarbeit auswirken wird und wie sich eine Flut von so genannten grauen Flächen - ein Überangebot, das von bestehenden Mietern untervermietet wird - auf die Mietpreise auswirkt. Die wachsende Vorliebe für ökologisch nachhaltige Gebäude unter den Firmenmietern bedeutet auch, dass ältere Büroräume kostspielige grüne Überholungen benötigen oder ansonsten unvermietbar werden.

Es ist schwer, die Nervosität der Immobilienkäufer für Geschäfte in den Citys mit dem relativen Optimismus zu Büros in Einklang zu bringen. Die Abschläge auf Immobilienaktien geben Investoren eine dringend benötigte Sicherheitsmarge.

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June 01, 2021 04:29 ET (08:29 GMT)