STUTTGART (awp international) - Einige Lastwagen-Oldtimer wurden bereits zum Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck überführt - ansonsten soll die Aufspaltung des Auto- und Lkw-Konzerns Daimler nüchtern und ohne viel Aufhebens über die Bühne gehen. An diesem Mittwoch ist es nach langer Vorbereitung und grünem Licht der Aktionäre soweit: Daimler Truck mit weltweit über 100 000 Mitarbeitern wird erstmals in die unternehmerische Selbstständigkeit entlassen.

Mercedes-Autos und -Lkw fahren getrennte Wege. Das Megaprojekt beendet die gemeinsame Geschichte, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Der Dreizack-Stern als Markenzeichen bleibt beiden Herstellern erhalten. Der Imagefaktor ist nicht zu unterschätzen, denn die Marke Mercedes-Benz ist Experten zufolge richtig teuer. Sie wird beispielsweise vom US-Beratungsunternehmen Interbrand mit knapp 51 Milliarden US-Dollar (rund 45,2 Milliarden Euro) bewertet. Das bedeutet weltweit Platz acht - unter den Autobauern schneidet nur der japanische Konkurrent Toyota besser ab.

Die Aufspaltung ist auch nicht billig - sie wird mit mindestens 700 Millionen Euro zu Buche schlagen. Diese Einmalkosten betreffen unter anderem die Teilung des Geschäfts mit Finanzdienstleistungen. Daimler Truck soll dann am Freitag kommender Woche (10. Dezember) via reinem Spin-Off an der Börse notiert werden. Der aus eigener Sicht weltweit grösste Hersteller von Lkw und Bussen will sich bis Ende März zudem für den Börsenindex Dax qualifizieren.

Daimler-Aktionäre bekommen für zwei Daimler-Papiere je eine neue Aktie von Daimler Truck ins Depot gebucht - der Wert der beiden Anteile bildet sich dann frei an der Börse. Es soll jedoch kein Nullsummenspiel für die Anleger werden: Daimler-Vorstandschef Ola Källenius erhofft sich in Summe eine Wertsteigerung, weil Investoren dann zielgenauer in die Geschäfte investieren können, die sie interessieren. Fürs Erste wird die Daimler AG auch einen Minderheitsanteil von 35 Prozent an Daimler Truck behalten. Geplant ist auch, den dann allein aus Pkw und Vans bestehenden Daimler-AG-Konzern kommendes Jahr in Mercedes-Benz AG umzufirmieren.

Über eine mögliche Abspaltung des Geschäfts mit Lastwagen wurde zuvor schon lange spekuliert. Wer Managern und Fachleuten zuhört, fragt sich bisweilen, wieso es Auto und Lkw in Stuttgart überhaupt so lange zusammen aushielten. "Trucks und Pkw sind zwei völlig unterschiedliche Geschäfte", resümierte Vorstandschef Källenius im Oktober.

Die Aufspaltung komme spät, aber nicht zu spät, urteilt Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Verbindende Technologien wie der Diesel seien Geschichte. "Die Gemeinsamkeiten zwischen Pkw und Truck sind so gross wie die Gemeinsamkeiten zwischen U-Booten und Flugzeugen", sagte der Direktor des privaten Center Automotive Research (CAR) der Deutschen Presse-Agentur.

Daimler steht in der Welt der Grosskonzerne nicht alleine da. Siemens brachte die Medizintechnik und die Energiesparte an die Börse. Der US-Industriegigant General Electric (GE) soll in drei Teile zerschlagen werden. In Schwaben geht es darum, den Wert der bisherigen Konzernbereiche zu steigern und wettbewerbsfähiger zu werden. Insbesondere die frühere Nutzfahrzeugsparte, die so lange im Schatten des prestigeträchtigen Pkw-Geschäfts stand, will profitabler werden.

Risiken gibt es natürlich auch - dabei geht es beispielsweise um unerwünschte Einflussnahme von Grossaktionären. Einzeln könnten die bisherigen Konzernsparten anfälliger für Übernahmeversuche werden, lautet eine Befürchtung. Die gesamte Branche steht ohnehin wegen milliardenschwerer Investitionen in E-Autos und selbststeuernde Fahrzeuge vor riesigen Herausforderungen, die auch mit Gefahren verbunden sind. Der Mangel an Halbleitern und anderen elektronischen Bauteilen sorgt zudem für erhebliche Unruhe bei den Herstellern.

In der verbleibenden Autosparte will Daimler-Chef Källenius Mercedes-Benz als Luxusmarke profilieren. Diese strategische Ausrichtung wirkt auf manche auch wie eine Rückbesinnung auf alte Werte, die in Jahrzehnten der Visionen und teurer Expansionsprojekte in den Hintergrund gerückt waren.

Als Lichtgestalt gilt für den Experten Willi Diez der einstige Topmann Joachim Zahn, der Daimler in den 1960er und 1970er Jahren zu einer Weltfirma machte. "Er hat dort Begehrlichkeiten geschaffen, wo andere Unternehmen sich als billige Bedarfsdecker positioniert und profiliert haben", schreibt Diez in einem noch unveröffentlichten Buch über den Konzern mit dem Stern. Die Kehrseite der Ära Zahn: Es gab damals Lieferzeiten von bis zu vier Jahren./cb/DP/men/stk