MÜNCHEN (dpa-AFX) - 2020 wird ein wichtiger Meilenstein beim Umbau des Technologiekonzerns Siemens. Das Energiegeschäft soll an die Börse. Und im Sommer soll endlich Klarheit über die Nachfolge des langjährigen Siemens-Chef Joe Kaeser herrschen. Was bei Siemens los ist, was Analysten sagen, und was die Aktie macht.

LAGE BEI SIEMENS:

Siemens steht vor einem wichtigen Jahr. Der seit längerem im Umbau befindliche Konzern will 2020 seine Sparte Gas and Power, die unter anderem das Kraftwerksgeschäft enthält, ausgliedern und im September unter dem Namen Siemens Energy an die Börse bringen. In die neue Gesellschaft soll auch der Anteil von 59 Prozent an dem Windanlagenbauer Siemens Gamesa eingebracht werden. Mittelfristig will Siemens lediglich noch eine Sperrminorität halten. Der designierte Energy-Chef Michael Sen erhofft sich unter anderem "mehr Flexibilität in Strategieentscheidungen". Das Marktumfeld ist schwierig, der Preisdruck hoch, auch in der Windkraft. Es ist die größte Umwälzung seit Jahren, Siemens kappt einen Teil seiner Wurzeln.

Siemens verabschiedet sich damit von seiner Konglomeratsstruktur. Das Kerngeschäft wird künftig aus dem Digitalisierungsgeschäft, der smarten Infrastruktur sowie dem Zuggeschäft bestehen, flankiert von der Medizintechniktochter Healthineers sowie Energy. Die Zugsparte soll zunächst im Konzern verbleiben, nachdem deren Fusion mit dem französischen Konkurrenten Alstom am Veto der europäischen Wettbewerbsbehörde gescheitert war.

Im vergangenen Jahr musste Siemens einen Gewinnrückgang hinnehmen. Vor allem in der zweiten Geschäftsjahreshälfte belasteten die kurzzyklischen Geschäfte, insbesondere in der Automobil- und Maschinenbaubranche. Der Druck dürfte vor allem in den ersten sechs Monaten weiter anhalten. Der Konzern geht von moderat sinkenden Märkten in Bereichen wie Software oder Automatisierung aus.

Zudem hemmt weiter die Nachfolgediskussion um Chef Joe Kaeser. Der Vertrag des 1957 geborenen Niederbayern läuft Anfang 2021 aus, der Siemens-Aufsichtsrat hatte Technik-Vorstand Roland Busch zum 1. Oktober vergangenen Jahres zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden bestellt und damit quasi zum Kronprinz gemacht. Über die Nachfolge und deren Zeitpunkt soll in diesem Sommer entschieden werden. Das führt zu anhaltenden Spekulationen, Kaeser könne womöglich früher gehen. Aber auch das Gegenteil könnte theoretisch der Fall sein - dass der Manager womöglich doch noch einmal verlängert, um die Früchte seines Strategieprogramms zu ernten. Siemens betont immer wieder die "klare Nachfolgeregelung". Doch diese bekommt immer mehr den Charakter einer Hängepartie.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Die Analysten sind Siemens gegenüber positiv eingestellt. In der Vergangenheit hatten sie wiederholt die als schwerfällig geltende Konglomeratsstruktur kritisiert. Die angekündigte Abspaltung der Energiesparte zusammen mit dem Börsengang des Medizintechnik-Herstellers Healthineers 2018 zeige den größten Wandel bei Siemens seit 2007, schrieb etwa Analystin Daniela Costa von Goldman Sachs.

Ins gleiche Horn stößt Gael de-Bray von der Deutschen Bank: Endlich scheine Siemens sich von seiner Konglomeratstruktur zu lösen, kommentiert er den Umbau. Von den damit verbundenen deutlichen Wertsteigerungen dürften die Aktionäre profitieren. Auch Wasi Rizvi vom Analysehaus RBC begrüßte die sich fortsetzende Verschlankung der Konzernstruktur. Erste positive Effekte durch die andauernde Restrukturierung sieht Andreas Willi von JPMorgan bereits im zweiten Geschäftshalbjahr von Siemens.

Von den 14 im dpa-AFX-Analyser seit November erfassten Experten raten neun zum Kauf der Papiere und fünf zum Halten. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei knapp 130 Euro.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Siemens-Aktie hat im vergangenen Jahr ordentlich zugelegt. Über einen Zuwachs von rund 20 Prozent konnten sich Anteilseigner freuen. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte kletterte das Papier - von etwa 85 Euro Mitte August auf rund 119 Euro Mitte Dezember. Im neuen Jahr halten sich Investoren bislang zurück. Der Kurs bröckelte bislang um etwa viereinhalb Prozent.

Analysten sind insgesamt positiv gestimmt. Vom geplanten Konzernumbau und die Auflösung der Konglomeratsstruktur erwarten sich die Experten einen deutlichen Wertzuwachs. Die überwiegende Anzahl der im dpa-AFX Analyser vertretenen Analysten empfiehlt die Aktie daher zum Kauf. Das durchschnittliche Kursziel beträgt gut 129 Euro. Aktuell notiert das Papier bei rund 111 Euro.

An der Börse bringt es der Konzern damit auf einen Wert von rund 94,5 Milliarden Euro. Das bedeutet den dritten Platz im deutschen Leitindex Dax hinter dem Softwarekonzern SAP und dem Gasekonzern Linde./nas/knd/mis