München (Reuters) - Die Aktionärsvereinigung DSW fordert auch auf virtuellen Hauptversammlungen deutscher Unternehmen Mitspracherechte für die Anteilseigner.

"Entscheidend ist für uns die Interaktion", sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler, am Dienstag. Fragen müssten künftig auch spontan, während des Aktionärstreffens, möglich sein. Seit der hastig vollzogenen Umstellung von Hauptversammlungen mit teilweise Tausenden von Teilnehmern auf Online-Veranstaltungen während der Corona-Pandemie müssen Fragen an den Vorstand und Aufsichtsrat zwei Tage im Voraus eingereicht werden. Eine Pflicht zu deren Beantwortung gibt es nicht. "Das ist zu Lasten der Aktionäre gegangen", kritisierte Tünglers Stellvertreterin Jella Benner-Heinacher. Die Hauptversammlung sei ein wichtiger Pfeiler der Aktionärsdemokratie.

Grundsätzlich wehren sich die Aktionärsschützer auch nach der Pandemie nicht gegen Hauptversammlungen über das Internet. "Wenn wir auf die Eigentümer hören, wollen sie ein hybrides Modell für die Zukunft", also die freie Wahl zwischen der Präsenz vor Ort und der Teilnahme vom heimischen Wohnzimmer aus, sagte Benner-Heinacher. "Sie wollen das Beste aus beiden Welten." Aktionäre müssten aber in beiden Varianten die gleichen Rechte wahrnehmen können. Österreich habe in der Corona-Krise gezeigt, dass das machbar sei.

Die Bundesregierung hatte die Verordnung, die die virtuellen Hauptversammlungen möglich macht, im Oktober bis Ende 2021 verlängert, will den Kleinaktionären nun aber entgegenkommen. Der Rechtsausschuss des Bundestages beriet am Dienstag über den Vorschlag der Regierungsfraktionen, den Aktionären im kommenden Jahr ein Fragerecht einzuräumen - und damit den Vorständen die Pflicht, darauf zu antworten. Zudem sollen Fragen auch noch am Tag vor der Hauptversammlung eingereicht werden können, Anträge müssen auch dann behandelt werden, wenn sie nur schriftlich eingereicht werden. Der Bundestag und der Bundesrat sollen noch in dieser Woche darüber entscheiden.

Die Regierung will den Unternehmen eine Übergangsfrist von zwei Monaten einräumen. Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) hatte eine Frist von einem Monat als zu kurz kritisiert. Das betrifft vor allem Unternehmen wie Siemens, deren Geschäftsjahr früher endet und die bereits für Januar oder Februar 2021 zu Hauptversammlungen eingeladen haben. "Ich bin von Siemens enttäuscht", sagte Benner-Heinacher. Der Technologiekonzern habe seine Spielräume nicht ausgenutzt und gestatte den Aktionären am 3. Februar 2021 nur ein Mindestmaß an Mitwirkung. Andere Großunternehmen wie der Wohnungskonzern Vonovia hatten schon 2020 Beiträge der Aktionäre über Video ermöglicht.

Ein Siemens-Sprecher sagte, man beachte alle Regelungen für virtuelle Hauptversammlungen: "Selbstverständlich bemühen wir uns, die Aktionärsrechte in dem gesetzlich vorgegebenen Rahmen bestmöglich zu wahren."