MÜNCHEN/BERLIN (dpa-AFX) - Die Probleme beim Windanlagenbauer Siemens Gamesa haben dem Energietechnikkonzern Siemens Energy im dritten Quartal einen erheblichen Dämpfer beschert. Konzernchef Christian Bruch verliert dabei langsam die Geduld und erhöht nun den Druck auf die Führung der ebenfalls börsennotierten Tochter. Eine Komplettübernahme steht Bruch zufolge auf der Prioritätenliste jedoch weiter nicht ganz oben. Anleger reagierten enttäuscht auf die Probleme bei der Windkrafttochter, die laut JPMorgan-Analyst Andreas Willi die Fortschritte im übrigen Geschäft überschattet. Die Akte verlor zu Handelsbeginn rund 1 Prozent.

So monierte Bruch bei der Vorlage der Zahlen vor allem die ausbleibenden Fortschritte bei der Sanierung des Geschäfts mit Windenergieanlagen an Land (Onshore). "Das geht mir nicht schnell genug", sagte er am Mittwoch in einer Telefonkonferenz in Berlin mit Blick auf den Turnaround-Plan bei Gamesa. Die Ergebnisse in dem Bereich seien "absolut nicht zufriedenstellend". Man habe gedacht, dass das Gamesa-Management die Probleme "schneller in den Griff" bekomme. Zudem monierte er eine mangelnde "Transparenz und Vorhersehbarkeit" bei Projektergebnissen. "Da muss Gamesa nacharbeiten."

Siemens Gamesa hatte bereits Mitte Juli wegen anhaltender Probleme im Onshore-Geschäft wie Projektverzögerungen insbesondere in Brasilien sowie Anlaufschwierigkeiten einer neuen Turbine seinen Jahresausblick massiv gekürzt und für das dritte Geschäftsquartal (per Ende Juni) Verluste verbucht. Hohe Rohstoffkosten vor allem bei Stahl belasteten das Ergebnis zusätzlich. Zudem musste das Management um Unternehmenschef Andreas Nauen seine Profitabilitätsziele für das Onshore-Geschäft nach hinten verschieben. Das Geschäft mit den Windanlagen an Land ist dabei schon seit Jahren das Sorgenkind. Vor etwa einem Jahr war die Führung bei Siemens Gamesa nach wiederholten Rückschlägen runderneuert worden.

All das belastet auch den Mutterkonzern Siemens Energy, der lediglich über den Verwaltungsrat Einfluss auf die Geschäfte nehmen kann. Bruch kündigte an, dies auch tun und mit Gamesa über Lösungen sprechen zu wollen. Vor allem die Projekt-Transparenz müsse man in den Griff bekommen, forderte er. Dabei wolle man mit dem Management um Nauen zusammenarbeiten. Einen erneuten Management-Wechsel soll es bei Gamesa zunächst nicht geben.

Siemens Energy rutschte in den drei Monaten per Ende Juni wieder in die Verlustzone, nachdem es die beiden Quartal zuvor jeweils schwarze Zahlen geschrieben hatte. Zudem gab der Konzern eine neue, pessimistischere Ergebnisprognose ab. Die alte hatte das Management nach Bekanntwerden der Probleme bei Gamesa bereits kassiert. So soll die um Sondereffekte bereinigte operative Marge 2020/21 nun bei zwei bis "unter drei" Prozent liegen, teilte Siemens Energy mit. Die ursprüngliche Prognose hatte bei drei bis fünf Prozent gelegen.

Der Rest des Ausblicks wurde bestätigt. Beim Umsatz geht der Energietechnikkonzern weiter von einem Anstieg von drei bis acht Prozent sowie einer sehr starken Verbesserung des Ergebnisses nach Steuern aus. Allerdings werde man auch in diesem Geschäftsjahr wegen der Probleme bei Gamesa einen Nettoverlust schreiben, räumte Finanzchefin Maria Ferraro in der Telefonkonferenz ein. Im Vorjahr hatte Siemens Energy wegen hoher Abschreibungen bei Gas and Power (GP) Milliardenverluste verbucht.

Im erst jüngst abgelaufenen dritten Quartal verzeichnete Siemens Energy ein Fehlbetrag von 307 Millionen Euro. Im Vorjahresquartal war hingegen unter anderem wegen Abschreibungen auf die im Umbau befindliche Sparte GP ein Verlust von rund 1,1 Milliarden Euro angefallen. Nach Gewinnen in den zwei Quartalen zuvor rutschte das Unternehmen nun auch nach neun Monaten wieder in die roten Zahlen.

Dank einer kräftigen Verbesserung bei GP, das das Geschäft etwa mit Kraftwerken und Energietechnik beinhaltet, stieg jedoch das um Sondereffekte bereinigte operative Ergebnis (Ebita) im Quartal auf 54 Millionen Euro. Analysten hatten zuletzt mit etwas weniger gerechnet. Im Vorjahr stand hier noch ein Verlust von 213 Millionen Euro zu Buche.

Der Umsatz nahm um 8,8 Prozent auf rund 7,3 Milliarden Euro zu. Dagegen fiel der Auftragseingang um fast 37 Prozent auf 5,95 Milliarden Euro. Dies war auf herbe Rückgänge bei Siemens Gamesa zurückzuführen, während Gas & Power zulegen konnte. Allerdings hatte Gamesa im vergangenen Jahr von einigen Großaufträgen für Windanlagen auf See (Offshore) profitiert./nas/he/mne/mis