- von Alexander Hübner

München (Reuters) - Siemens bekommt die schwächelnde Konjunktur bisher kaum zu spüren. Nach einem "fulminanten Start" in das bis Ende September laufende Geschäftsjahr 2022/23 hat der Vorstand des Münchner Technologiekonzerns seine Umsatz- und Gewinnprognose nach oben geschraubt.

"Das Investitionsklima in den für uns relevanten Märkten ist nach wie vor positiv", sagte Finanzvorstand Ralf Thomas am Donnerstag in München. Siemens gewinne Marktanteile. Der Konzern habe alle Hände voll zu tun, seinen auf 102 Milliarden Euro angeschwollenen Auftragsbestand abzubauen. Allein daraus würden bis zum Herbst 40 Milliarden Euro Umsatz. Vorstandschef Roland Busch sagte, die Engpässe in den Lieferketten entspannten sich.

Siemens sei "auch für die nächsten Quartale bestens auf weiteres profitables Wachstum vorbereitet", sagte Finanzvorstand Thomas. Der Konzern habe sich zeitweise bewusst mit kritischen Bauteilen eingedeckt, um die Nachschubprobleme zu bewältigen. Die Lagerbestände seien um eine Milliarde erhöht worden. Das trage jetzt zum starken Wachstum bei. "Unser klares Ziel ist, Lieferzeiten zu verkürzen", versprach Vorstandschef Busch. Siemens denke angesichts der hohen Nachfrage über neue Fabriken nach, etwa für Züge in den USA, aber auch für die Automatisierungs-Sparte Digital Industries. "Da könnte noch was kommen." Der Konzern habe die "Zurückhaltung bei den Betriebs- und Investitionsausgaben gelockert", sagte Busch.

In den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres 2022/23 lag der Umsatz mit 18,1 Milliarden Euro acht Prozent über Vorjahr, der Auftragseingang sank um acht Prozent auf 22,6 Milliarden Euro, hielt sich damit aber besser als Analysten geschätzt hatten. Beim operativen Gewinn legte Siemens überraschend um neun Prozent auf 2,7 Milliarden Euro zu, die Experten waren von einem stagnierenden Ergebnis ausgegangen. Besser als gedacht entwickelte sich neben Digital Industries vor allem das Geschäft mit Infrastruktur- und Gebäudetechnik (Smart Infrastructure).

Für das Gesamtjahr 2022/23 stellt Siemens nun ein Umsatzwachstum auf vergleichbarer Basis von sieben bis zehn (bisher sechs bis neun) Prozent in Aussicht. Das bereinigte Ergebnis je Aktie soll mit 8,90 bis 9,40 (bisher 8,70 bis 9,20) Euro ebenfalls höher ausfallen als geplant. 16 von Siemens befragte Analysten hatten für 2022/23 nur mit Umsätzen und Gewinnen am unteren Rand der bisherigen Prognosen gerechnet. Der Nettogewinn dürfte ebenfalls deutlich stärker steigen als erwartet. Im ersten Quartal sank er aber noch auf 1,6 (2021/22: 1,8) Milliarden Euro.

Die höheren Erwartungen trieben den Kurs der Siemens-Aktie deutlich nach oben. Sie startete am Donnerstag mit einem Plus von 6,8 Prozent auf 149,58 Euro in den Handel, dem höchsten Stand seit mehr als einem Jahr. Dabei beklagten Fondsmanager im Vorfeld der Hauptversammlung, dass sich das brummende Geschäft an der Börse nicht ausreichend widerspiegle. "Operativ läuft alles rund bei Siemens, aber das reicht dem Kapitalmarkt nicht", sagte Vera Diehl von Union Investment.

Siemens hält das Aktionärstreffen am Donnerstag zum dritten Mal in Folge im virtuellen Format ab, statt Tausende Aktionäre wie vor der Corona-Pandemie in der Münchner Olympiahalle zu empfangen. Dass sich der Konzern dieses Format auch für die nächsten zwei Jahre vorbehalten will, ärgert vor allem deutsche Vermögensverwalter und Kleinaktionäre, die gegen die Pläne stimmen wollen.

(Bericht von Alexander Hübner, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)