--Ergebnis wegen Sonderbelastung unter Erwartungen

--Umsatz und Auftragseingang schlagen Analystenerwartungen

--Prognose bestätigt - Verkaufsgewinne gleichen Russland-Belastung aus

(NEU: Weitere Aussagen des Vorstands aus Telefonkonferenzen, Marktreaktion)

Von Olaf Ridder

FRANKFURT (Dow Jones)--Siemens wird sich nach 170 Jahren vollständig aus Russland zurückziehen. "Wir verurteilen den Krieg in der Ukraine und haben beschlossen, unsere industriellen Geschäftsaktivitäten in Russland in einem geordneten Prozess zu beenden", kündigte Vorstandschef Roland Busch an. Im Ergebnis des zweiten Quartals (per Ende März) schlagen sich als Folge dieser Entscheidung und wegen der Russland-Sanktionen Wertminderungen sowie andere Belastungen in Höhe von insgesamt 572 Millionen Euro nach Steuern nieder.

Der Überschuss für den Zeitraum Januar bis März halbierte sich vor allem deshalb auf 1,2 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis im industriellen Geschäft, die wesentliche Kenngröße, sank um 13 Prozent auf knapp 1,8 Milliarden Euro und blieb damit hinter den Erwartungen der von Siemens befragten Analysten zurück. Diese hatten im Schnitt mit 2,4 Milliarden Euro gerechnet.


   Siemens wickelt operativen Russland-Betrieb ab 

Siemens machte in Russland zuletzt rund 1 Prozent des Konzernumsatzes und beschäftigt dort etwa 3.000 Mitarbeiter vor allem in der Produktion und der Instandhaltung von Schienenfahrzeugen. Schon im März nach der russischen Invasion in der Ukraine war alles Neugeschäft in Russland beendet worden. Jetzt sei damit begonnen worden, den operativen Betrieb abzuwickeln, sagte Busch. Mit Blick auf die teils lang laufenden Wartungsverträge im Bahngeschäft müsse dies sehr vorsichtig gemacht werden.

Finanzchef Ralf Thomas beziffert unterdessen weitere Risiken aus dem Russland-Rückzug mit einem Betrag in niedriger bis mittlerer dreistelliger Millionenhöhe. Ein Teil davon, etwa 50 bis 100 Millionen Euro, werde wahrscheinlich im zweiten Halbjahr anfallen, sagte er in einer Analystenkonferenz. Hier handele es sich etwa um Abschreibungen auf ausstehende Leasingverträge oder Forderungen. Daneben bestehe ein Restrisiko, dass Siemens gezwungen werden könnte, rechtliche Einheiten abzuwickeln. Ob es dazu überhaupt komme und wann, sei derzeit aber schwer absehbar.


   Sanktionen belasten vor allem Bahntechnik 

Im zweiten Quartal zeigten sich die Spuren der Russland-Sanktionen in allen Geschäftsbereichen, vor allem aber in der Bahntechnik: Mobility verbuchte hier einen Verlust von 369 Millionen Euro. Im laufenden Jahresviertel soll die damit negative Marge aber wieder positiv ausfallen: 7 Prozent stellte Finanzchef Thomas in Aussicht.

Im Bereich Digital Industries zeigte vor allem die Fabrikautomatisierung starkes Wachstum. Hier wurden sogar Marktanteile gewonnen. Im Software-Geschäft machte sich jedoch die beschleunigte Umstellung des Geschäfts auf das Abo-System (Software as a Service) negativ bemerkbar: Die Marge der gesamten Konzernsparte sank um 200 Basispunkte auf 18,1 Prozent. Im dritten Quartal soll sie wieder 20 Prozent erreichen. Smart Infrastructure verzeichnete beflügelt von starkem Wachstum in den USA eine steigende Marge, im dritten Quartal soll sie weiter bis auf 13 Prozent zulegen.

Insgesamt blieb die Nachfrage nach Produkten und -Dienstleistungen bei Siemens hoch: Der Umsatz kletterte um 16 Prozent auf gut 17 Milliarden Euro und übertraf damit die Analystenerwartungen von 16,8 Milliarden Euro. Der Auftragseingang schoss gar um ein Drittel auf knapp 21 Milliarden Euro in die Höhe. In der Autobranche sehe man jedoch erste Anzeichen einer Normalisierung, sagte Finanzchef Thomas mit Verweis auf die zuletzt beobachtete Tendenz, wegen absehbarer Lieferverzögerungen vorgezogene Bestellungen abzugeben.


   Verkäufe liefern Gewinnbeitrag von bis zu 2,3 Milliarden Euro 

Trotz der Russland-Belastungen bestätigte Siemens die Jahresprognose, wonach der Gewinn je Aktie von zuletzt 8,32 Euro auf 8,70 bis 9,10 Euro zulegen soll. Möglich wird dies, weil die vereinbarten Verkäufe von Yunex Traffic sowie von der Brief- und Paketlogistik noch bis Ende September über die Bühne gehen werden. Finanzchef Thomas rechnet deshalb mit einem Gewinnbeitrag aller Veräußerungen von bis zu 2,3 Milliarden Euro nach Steuern. Bisher standen nur rund 1,5 Milliarden in der Planung.

Beim Umsatz wird auf vergleichbarer Basis nun ein Wachstum von 6 bis 8 Prozent angenommen. Hier war bislang nur von einem prozentual mittleren einstelligen Wachstum die Rede. Zu den Risiken für die Jahresziele gehören neue Covid-19-Lockdowns etwa in China. Dort ist Siemens unter anderem in einem Werk in Schanghai betroffen. Siemens-Chef Busch rechnet jedoch aktuell damit, dass sich die Probleme noch im Mai mehr oder weniger auflösen werden.

Analysten wiesen darauf hin, dass die Margen der Industriegeschäfte unter den Erwartungen lägen. Bei Bernstein hieß es, die Margen seien schwach ausgefallen. Auch der Free Cashflow sei hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die Siemens-Aktie notierte am frühen Mittag in Frankfurt 7,1 Prozent im Minus.

Kontakt zum Autor: olaf.ridder@wsj.com

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May 12, 2022 05:53 ET (09:53 GMT)