München (Reuters) - Einflussreiche Arbeitnehmervertreter im Siemens-Aufsichtsrat wehren sich gegen eine weitere Aufspaltung des Münchner Industriekonzerns.

Es gebe ein klares Bekenntnis des neuen Vorstands, dass die Strategie eines aktiven Portfolio-Managements für die Konzernsparten der Vergangenheit angehöre, sagte IG-Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner, der dem Gremium angehört, im Gespräch mit dem Münchner Club Wirtschaftspresse. Die Siemens AG, die Zug-Sparte Mobility und die Mehrheitsbeteiligung an der Medizintechnik-Tochter Siemens Healthineers, die nach der "Portfolio-Bereinigung" unter Joe Kaeser übrig sind, seien "der Kern von Siemens, das ist auch unveräußerlich", sagte Kerner.

Kaeser, der Vorgänger von Siemens-Chef Roland Busch, hatte die Energietechnik-Sparte Siemens Energy abgespalten und Siemens Healthineers an die Börse gebracht. Kleinere Portfolio-Änderungen "im Unterholz", also innerhalb der Sparten, werde es immer geben, sagte Kerner. "Das gab es bei Siemens auch schon immer. Wir stellen uns nicht gegen Veränderungen. Es darf nur keine Einbahnstraße sein."

Der Gewerkschafter und die stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende, Siemens-Gesamtbetriebsratschefin Birgit Steinborn, stellten sich damit gegen die Forderungen von einigen Analysten und Investoren, sich auch von der Zug-Sparte zu trennen und Siemens zu einem Softwareunternehmen umzubauen. Die Abspaltung von Siemens Energy ist am Kapitalmarkt längst verpufft, die Aktie hat allein in diesem Jahr ein Drittel verloren. Die Mittelzuflüsse von Mobility und Healthineers seien aber die Garanten für eine hohe Dividende, argumentierte Kerner. "Siemens wird nie ein reines Softwareunternehmen werden." Die Stärke des Konzerns sei die tiefe Branchenkenntnis, die er sich durch die Hardware, also den Bau von Maschinen und Anlagen, erworben habe. "Die Softwareunternehmen wollen auch in den Maschinenraum der Industrie", sagte Kerner.

Mit der Aufgabe der Mehrheit an Healthineers wäre "eine rote Linie überschritten", sagte der Gewerkschafter. Zurzeit hält die Siemens AG mehr als 75 Prozent der Anteile.

Der Vorstand unter Roland Busch hat sich eine Verknüpfung von Hard- und Software auf die Fahnen geschrieben, um damit das Wachstum anzukurbeln. "Die Strategie teilen wir, die Powerpoint-Folien können wir unterschreiben", sagte Betriebsratschefin Steinborn. "Wir haben den Schalter umgelegt - vom Abwehren zum Gestalten. Erstmals sind Mitarbeiter und Technologie Teil der Unternehmensstrategie. Aber viele trauen den schönen Folien noch nicht." Um ein Signal zu setzen, müsse der Konzern bereit sein, auch wieder in Hardware-Produkte zu investieren, etwa auch durch Zukäufe, forderte IG-Metall-Funktionär Kerner.

Es gehe darum, die Wertschöpfung in Deutschland und Europa zu stärken und die Beschäftigung hier nicht weiter abschmelzen zu lassen, sagte Steinborn. In Deutschland habe Siemens noch 86.000 Mitarbeiter - vor den jüngsten Spartenverkäufen seien es noch rund 90.000 gewesen. Zugekauft worden sei dagegen im Ausland. Erstaunt zeigte sich die Betriebsratschefin darüber, dass es bei Siemens "im Moment Tausende von Stellenausschreibungen gibt - ich kenne immer nur Abbau". Dass der Konzern Schwierigkeiten habe, genügend Fachkräfte zu finden, glaube sie nicht. "Aber es ist ein Bewerbermarkt."

Sie warnte aber vor einer Spaltung der Belegschaft zwischen den gesuchten Entwicklern und den Facharbeitern in der Produktion - auch was die Arbeitsbedingungen angehe. "Der Software-Ingenieur ist das Sahnehäubchen, aber das Rückgrat ist der Facharbeiter", sagte ihr Aufsichtsratskollege Kerner.

(Bericht von Alexander Hübner. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)