Die Aufspaltung von Siemens nimmt konkrete Formen an.

Der Münchner Technologie-Konzern will sich nach dem Börsengang von Siemens Energy Ende September rasch aus dem renditeschwachen Kraftwerks- und Energietechnik-Geschäft weiter zurückziehen. Beim Börsengang wird die Siemens AG noch mit 35,1 Prozent beteiligt sein, die Beteiligung dann aber binnen 12 bis 18 Monaten "weiter deutlich reduzieren", wie aus dem am Dienstag veröffentlichten Spaltungsbericht hervorgeht. Der mehr als 280 Seiten umfassende "Scheidungsvertrag" ist die Grundlage für die Aktionäre, um auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 9. Juli über die Aufspaltung abstimmen zu können.

Der scheidende Siemens-Chef Joe Kaeser, der an die Spitze des Aufsichtsrats von Siemens Energy rücken soll, sprach von einem "Meilenstein der Neuausrichtung (...), die die Siemens-Unternehmen auf die gewaltigen technologischen Transformationen vorbereitet". Er hofft, die Siemens AG mit der Konzentration auf die lukrativen Geschäfte mit Automatisierungslösungen für die Industrie, Bau- und Infrastrukturtechnik sowie Züge attraktiver für Investoren zu machen. Nur so könne Siemens sich behaupten, wenn es um die nächsten Großfusionen gehe. Der Münchner Konzern ist an der Börse gut 80 Milliarden Euro wert, knapp die Hälfte davon entfällt auf die Beteiligung an der schon vor zwei Jahren abgespaltenen Medizintechnik-Tochter Siemens Healthineers.

Siemens Energy steht mit 28,8 Milliarden Euro Umsatz und 91.000 Mitarbeitern für rund ein Drittel des gesamten Geschäfts von Siemens, die Analysten von JPMorgan sehen seinen Börsenwert aber nur bei gut zehn Milliarden Euro. Dabei ist allein der 67-Prozent-Anteil an der Windkraft-Tochter Siemens Gamesa 6,4 Milliarden wert. Auch mit ihrer Hilfe soll Siemens Energy den Sprung ins Zeitalter erneuerbaren Energien schaffen. Bisher ist das Unternehmen stark auf fossile Kraftwerke konzentriert.

SCHULDENFREI UND 2,1 MILLIARDEN EURO MITGIFT

Siemens gibt die Energie-Sparte schuldenfrei und mit einer Liquiditätsspritze von 2,1 Milliarden Euro an die Aktionäre weiter, die Ende September für je zwei Siemens-Aktien eine von Siemens Energy ins Depot gebucht bekommen. Sie halten dann 55 Prozent der Anteile an der Siemens Energy AG. 9,9 Prozent liegen beim Siemens Pension Trust, der das Paket ebenfalls nach und nach auf den Markt werfen dürfte, um die Betriebsrenten für die Belegschaft zahlen zu können. Wie die Siemens AG soll auch Siemens Energy 40 bis 60 Prozent des Nettogewinns als Dividende ausschütten - im ersten Halbjahr 2019/20 (Ende März) standen freilich mehr als 300 Millionen Euro Verlust vor Steuern zu Buche.

Für Dienstleistungen von der IT bis zur Buchhaltung zahlt Siemens Energy in den nächsten drei Jahren insgesamt rund eine Milliarde Euro an die bisherige Muttergesellschaft. Für die Rechte an der Marke Siemens muss das neue Unternehmen abhängig von seiner Rendite bis zu 1,2 Prozent des Jahresumsatzes auf den Tisch blättern. Beim Verkauf großer Kraftwerke hilft der Konzern ihm allerdings mit milliardenschweren Finanzierungen über seine Tochter Siemens Financial Services (SFS). Die Siemens AG lässt sich die Trennung rund eine halbe Milliarde Euro kosten. So mussten fast alle Landesgesellschaften aufgeteilt werden. Der Börsengang selbst kostet weitere 110 Millionen.

Mit der Ausgestaltung der Abspaltung versucht Siemens jeden Eindruck zu vermeiden, doch noch Einfluss auf den Namensvetter zu nehmen. Die Siemens AG stellt nur drei von 20 Aufsichtsräten bei Siemens Energy. Daneben ziehen in das Gremium unter anderen der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel und die Geschäftsführerin des Automobilverbandes VDA, Hildegard Müller, ein.

Von wo aus der Vorstand das neue Unternehmen steuert, will Siemens-Energy-Chef Christian Bruch erst im zweiten Halbjahr entscheiden, wie ein Sprecher sagte. Der ehemalige Linde-Manager, der seit Anfang Mai an Bord ist, wolle sich erst ein Bild von den Standorten machen. Juristischer Sitz von Siemens Energy ist München.