ERLANGEN (dpa-AFX) - Der Medizintechnikkonzern Siemens Healthineers ist einer der Profiteure der Corona-Krise gewesen. Aber auch abseits dessen kann das Unternehmen auf ein robustes Wachstum blicken. Dabei geraten auch in Erlangen die Probleme bei den Lieferketten immer stärker in den Fokus. Bislang konnte das Unternehmen jedoch noch gut mit den Schwierigkeiten umgehen. Was bei Siemens Healthineers los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

LAGE BEI SIEMENS HEALTHINEERS:

Die Geschäfte des Medizintechnikkonzerns liefen zuletzt besser als erwartet. So war die Nachfrage nach Antigen-Schnelltests zum Nachweis von Covid-19 mit der Verbreitung der Omikron-Variante in Europa zum Jahresende höher als zuvor angenommen. Eigentlich hatte Healthineers damit gerechnet, dass das Geschäft mit den Schnelltests stärker abebbt. Als Folge erhöhte das Management um Konzernchef Bernd Montag bei der Vorlage der Zahlen zum ersten Quartal (per Ende Dezember) die Prognose für das Geschäftsjahr 2021/22.

So rechnet Healthineers jetzt mit einem vergleichbaren Umsatzwachstum von drei bis fünf Prozent, nachdem das Unternehmen zuletzt bestenfalls zwei Prozent Wachstum in Aussicht gestellt hatte. Darin ausgeklammert sind Währungseffekte sowie Zu- und Verkäufe. Die Schnelltests sollen etwa 700 Millionen Euro Umsatzbeitrag liefern statt bisher 200 Millionen Euro. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis je Aktie sieht Healthineers dadurch bei 2,18 bis 2,30 Euro. Auch hier war die Siemens-Tochter bisher von weniger ausgegangen. Dabei erwartet Finanzvorstand Jochen Schmitz mit Blick auf die Schnelltests ein starkes erstes Halbjahr. Danach dürften die Ergebnisbeiträge wieder zurückgehen.

Die schwierige Situation in der Lieferkette ist dabei auch bei Siemens Healthineers angekommen und dürfte die bereinigte operative Marge vor allem in den ersten sechs Monaten belasten. Jedoch würden Beschaffung und Logistik weiterhin "gut gemanagt", hatte Schmitz bei den Quartalszahlen erklärt. Wesentliche negative Auswirkungen auf den Umsatz würden trotz der Engpässe etwa bei elektronischen Komponenten daher nicht erwartet.

Der Krieg Russlands in der Ukraine dürfte die Situation für Healthineers dabei nicht verschärfen, hatte Montag in einem Interview Ende März erklärt. "Lieferanten haben wir dort so gut wie keine und daher auch keine Probleme mit Lieferketten", so Montag. "Als Medizintechnikhersteller sind wir bisher auch nur indirekt von Sanktionen betroffen." Das Gesundheitswesen koppele sich zudem von der normalen Konjunktur ab, jedes Land investiere unabhängig von anderen in den Ausbau seiner Versorgung. In Russland und der Ukraine ist Healthineers den Angaben zufolge nur gering engagiert, der Umsatzanteil betrage etwa ein Prozent.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Analysten zeigen sich überwiegend optimistisch für Healthineers. Die Siemens-Tochter sei ein führender Anbieter von Labordiagnostik mit gesunden Wachstumsperspektiven, schrieb Analyst Elmar Kraus von der DZ Bank jüngst in einer Studie. Kurzfristig profitiere das Unternehmen von einer Erholung im Basisgeschäft und von der Omikronwelle. Auf längere Sicht dürfte das breit aufgestellte und technologisch führende Produktportfolio gesunde Umsatz- und Ergebniszuwächse ermöglichen.

Odysseas Manesiotis von der Privatbank Berenberg beließ die Einstufung vor den Anfang Mai erwarteten Zahlen zum zweiten Geschäftsquartal auf "Buy" mit einem Kursziel von 75 Euro. Die gute Umsatzentwicklung aus dem Vorquartal sollte sich fortgesetzt haben, das operative Ergebnis aber gebremst worden sein von Lieferkettenproblemen. Auch die Deutsche Bank hält derzeit ihr Kaufvotum aufrecht, wenn auch Analyst Falko Friedrichs zuletzt das Kursziel von 75 auf 71 Euro senkte. Dabei rechnet der Experte ebenfalls mit guten Quartalsergebnissen, hält die Margenziele allerdings für fraglich.

Angesichts der aktuellen Situation blickt Barclays-Analyst Hassan Al-Wakeel ebenfalls auf die Profitabilität. Er sieht die Margenziele als herausfordernd an, insbesondere angesichts des jüngsten Gegenwindes aus China in Form von Lockdowns und temporären Werksschließungen. Für das Quartal geht er weiter von einem starken Umsatzwachstum aus.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Das Papier gehörte im vergangenen Jahr zu den Corona-Gewinnern und legte mit kleineren Unterbrechungen einen Rekordlauf hin, der erst Anfang Dezember mit einem Höchststand von 67,66 Euro endete. Danach beruhigte sich das Geschehen. In diesem Jahr konnte sich die Siemens-Healthineers-Aktie dem volatilen und schwierigen Marktumfeld nicht entziehen und gab kontinuierlich nach.

So hat die Aktie seit Jahresbeginn um rund ein Fünftel eingebüßt. Mit einem Kurs von derzeit rund 52 Euro kommt Healthineers damit auf eine Marktkapitalisierung von knapp 59 Milliarden Euro.

In den vergangenen zwölf Monaten zog das Papier hingegen rund 12 Prozent an, auf drei Jahre gesehen können sich Anteilseigner über einen Wertzuwachs von fast 40 Prozent freuen.

Zudem hängt Siemens Healthineers den Konkurrenten Philips am Kapitalmarkt ab. Das niederländische Unternehmen, das derzeit mit Produktproblemen sowie Lieferkettenschwierigkeiten kämpft, kommt binnen der letzten zwölf Monate auf ein Minus von mehr als 50 Prozent. Die Entwicklung seit Jahresbeginn ist mit minus 25 Prozent jedoch nur wenig schlechter. Der Börsenwert der Niederländer liegt mit gut 21 Milliarden Euro deutlich unter der Marktkapitalisierung des deutschen Konzerns.

Seit dem Börsengang im März 2018 bereitete Siemens Healthineers den Anlegern unter dem Strich somit viel Freude. Das Papier war zu 28 Euro ausgegeben worden. Längst vergessen ist der Corona-Crash an den Börsen im Frühjahr 2020, bei dem die Aktie kurzfristig unter 30 Euro gefallen war./nas/men/mis