- von Alexander Hübner und Andreas Rinke

Berlin/München (Reuters) - Der Münchner Chip-Zulieferer Siltronic kann nicht nach Taiwan verkauft werden.

Das Bundeswirtschaftsministerium ließ die 4,35 Milliarden Euro schwere Übernahme durch den größeren Konkurrenten GlobalWafers nach 14-monatiger Prüfung platzen. Die Regierung ließ die Frist verstreichen, innerhalb der die Taiwaner die Freigabe nach dem Außenwirtschaftsgesetz gebraucht hätten. Am Ende sei die Zeit zu knapp gewesen, um die Folgen der Auflagen der chinesischen Wettbewerbshüter für Siltronic zu prüfen, sagte eine Ministeriumssprecherin in der Nacht zum Dienstag. GlobalWafers könne aber einen neuen Anlauf nehmen. Ob Vorstandschefin Doris Hsu das will, ließ sie offen.

Sie bezeichnete die ausgebliebene Zustimmung aus Berlin als "sehr enttäuschend". GlobalWafers werde "die Nicht-Entscheidung der deutschen Regierung analysieren und deren Auswirkungen auf unsere zukünftige Investitionsstrategie prüfen". Bis Sonntag (6. Februar) werde das Unternehmen entscheiden, wie es das Geld nun investieren wolle, das GlobalWafers für Siltronic ausgeben hätte. Denkbar ist der Bau einer neuen Siliziumscheiben-Fabrik außerhalb Europas, um die Kapazitäten auszubauen. Aus den USA werden die Taiwaner heftig umworben.

Dass GlobalWafers ein zweites Übernahmeangebot offenbar nicht ausschließt, ließ die Siltronic-Aktie am Dienstag um bis zu acht Prozent auf 125,80 Euro nach oben schnellen. Börsianer setzen darauf, dass GlobalWafers dann mehr bieten müsste, weil die Chip-Konjunktur seit dem ersten Angebot im Herbst 2020 deutlich angezogen hat. Dann ginge auch die Investitionsprüfung durch die Bundesregierung von Neuem los. GlobalWafers hält noch 13,7 Prozent an Siltronic.

Der Deal ist die mit Abstand größte Übernahme, die am deutschen Außenwirtschaftsgesetz scheitert. Danach kann die Bundesregierung den Einstieg von Unternehmen außerhalb der EU in Deutschland untersagen, wenn es um Sicherheitsbelange, Hoch- und Zukunftstechnologien geht. Dazu zählt sie Themen wie Künstliche Intelligenz, autonomes Fahren, Robotik und Halbleiter. An die Chip-Industrie liefern Wafer-Hersteller wie Siltronic die Siliziumscheiben, auf denen die Halbleiter produziert werden.

Eine inhaltliche Begründung ersparte sich das Ministerium von Robert Habeck (Grüne), indem es die Frist verstreichen ließ. Die eigene Prüffrist war nach dem Regierungswechsel im Dezember bis Ende Februar verlängert worden. Das wäre für GlobalWafers zu spät gewesen. Die Taiwaner hatten den Siltronic-Aktionären eine Abwicklung bis Ende Januar versprochen. Die Freigabe aus China war erst eine Woche vorher eingetroffen. Die Kartellbehörde dort hatte unter anderem einen Verkauf der dänischen GlobalWafers-Tochter Topsil an ein chinesisches Unternehmen gefordert.

VERSTÄNDNIS AUS REGIERUNG UND OPPOSITION

Aus der Ampelkoalition und der Opposition kam Zuspruch für Habecks Vorgehen. Hannes Walter (SPD), der Vize-Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, stellte sich im "Handelsblatt" hinter die Entscheidung. "Technologische Souveränität gewinnen wir nicht dadurch, dass wir unser Tafelsilber veräußern." Habeck hatte schon im Dezember gefordert, dass Deutschland und Europa einen wachsenden Anteil an Mikroelektronik selbst produzieren müssten. Die EU-Kommission will im Februar ihren "Chips Act" vorlegen und die Branche mit einer zweistelligen Milliardensumme fördern.

Der Chip-Notstand in der Corona-Pandemie hat gezeigt, wie abhängig Europa von asiatischen Anbietern ist. Siltronic ist unter den fünf größten Siliziumscheiben-Herstellern der einzige aus Europa. GlobalWafers wollte mit der Übernahme zum weltweiten Marktführer Shin-Etsu Chemical aus Japan aufschließen.

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Julia Klöckner, verwies darauf, dass Deutschland als Investitionsstandort begehrt sei. "Gerade deswegen ist es richtig, dass wir auch unsere Sicherheitsinteressen im Blick halten." Kritischer äußerte sich Habecks Koalitionspartner FDP: "Wenn handfeste Argumente gegen eine Genehmigung sprechen, ist es im Sinne des deutschen Investitionsstandorts, die Entscheidung klar zu benennen", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP, Reinhard Houben, dem "Handelsblatt". Darunter dürfe aber das Investitionsklima nicht leiden.

Auch Siltronic-Großaktionär Wacker kritisierte die Entscheidung aus Berlin. "Durch den Zusammenschluss wäre ein führender Anbieter der Industrie mit starken europäischen Wurzeln entstanden, der über ein umfassendes Produktportfolio verfügt", sagte der Vorstandschef des Münchner Chemiekonzerns, Christian Hartel. Das wäre auch im Interesse der deutschen und europäischen Chipindustrie gewesen. Dem Familienunternehmen entgehen damit zunächst 1,3 Milliarden Euro. Von dem Siltronic-Aktienpaket von 30,8 Prozent will sich Hartel weiterhin trennen, sieht Wacker dabei aber nicht unter Zeitdruck. "Das Unternehmen ist technologisch hervorragend aufgestellt und arbeitet sehr profitabel."