- von Tom Käckenhoff und Christoph Steitz

Düsseldorf/Frankfurt (Reuters) - Gut ein Vierteljahr nach dem ersten Vorstoß des britischen Konzerns Liberty Steel will Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz dem Kaufinteressenten für die Thyssen-Stahlsparte noch keinen roten Teppich ausrollen.

"Liberty Steel hat uns in der vergangenen Woche ein aktualisiertes Angebot übermittelt, das wir gegenwärtig sehr sorgfältig prüfen", hieß es in der am Montag veröffentlichten Rede zur Hauptversammlung am kommenden Freitag. Die Offerte für die Stahlsparte sei vereinbarungsgemäß weiterhin kein bindendes Angebot. "Im Angebot gibt es zu einer Reihe komplexer Themen noch Klärungsbedarf." Neben einem Verkauf sei auch ein Spin-Off der Sparte oder eine Sanierung in Eigenregie möglich.

Eine Entscheidung solle im März getroffen werden, bekräftigte Merz. Thyssenkrupp habe stets erklärt, sich nicht von Dritten anhängig zu machen. Neben dem Liberty-Angebot

arbeite der Konzern auch mit Hochdruck an den Alternativen. "Dabei ist uns klar, dass beides anspruchsvoll ist. Aber beides kann für das Geschäft eine attraktive Lösung sein."

Merz versucht damit auch, die Strategie zu wiederholen, die beim Verkauf der Aufzugssparte so erfolgreich war. Dort ließ sie bis zum Schluss mehrere Optionen offen - mit dem Erfolg, dass der Preis am Ende die Marke von 17 Milliarden Euro übertraf.

Allerdings ist Thyssenkrupp Steel Europe nicht mehr die Ertragsperle, die sie früher war. Die Schwerindustrie kämpft seit Jahren mit Überkapazitäten, Preisdruck und Billigimporten aus Fernost. Die Corona-Krise drückte die Branche noch tiefer in die Krise. Bei Thyssenkrupp kamen noch hausgemachte Probleme hinzu: Das ruinöse Stahlabenteuer im Amerika lastet noch heute

auf dem Konzern. Im vergangenen Jahr schrieb die Stahlsparte einen Verlust von fast einer Milliarde Euro.

UNION INVESTMENT: GESCHÄFTE MÜSSEN ZUEINANDER PASSEN

Sollte der Konzern sein Stahlgeschäft abstoßen, dürfte der Blick sich noch schärfer auf die übrigen Bereiche richten - etwa dem Anlagenbau, das Geschäft mit Autoteilen oder den Werkstoffhandel. "Frau Merz, weniger ist mehr. Der Traum vom Industriegiganten, den Ihre Vorgänger noch geträumt haben, ist ausgeträumt", betont Union Investment-Experte Henrik Pontzen in seinem Redetext für die virtuelle Hauptversammlung am 5. Februar.

Ein Sammelsurium unprofitabler Geschäftsaktivitäten sei nicht zukunftsfähig. "Dort, wo Thyssenkrupp aus eigener Kraft nicht profitabel werden kann, muss der Konzern Bereiche abstoßen oder Partnerschaften eingehen."

Damit hat Merz begonnen. Auch den Stellenabbau hat sie forciert. "In allen Segmenten sind wir gut unterwegs, die Performance unserer Geschäfte zu steigern", erklärt sie. Dazu gehörten vielfach auch Restrukturierungsprogramme und ein Stellenabbau. Allein im vergangenen Geschäftsjahr habe der Konzern knapp 600 Millionen Euro für Restrukturierungsprojekte in seinen Geschäften aufgewandt. Per Ende Dezember seien gut 4.000 der angekündigten 11.000 Stellen abgebaut worden. "Der

Personalabbau ist sehr schmerzhaft für uns alle. Für eine erfolgreiche Zukunft von Thyssenkrupp sind diese Maßnahmen aber unvermeidlich."