Bussnang (awp) - Der Zugbauer Stadler Rail ist ersten Halbjahr von der Coronakrise gebremst worden. Der Umsatz sank um 16 Prozent auf 934,7 Millionen Franken.

Der Betriebsgewinn (EBIT) schmolz auf 5,0 Millionen Franken zusammen, nachdem im Vorjahr noch 46,9 Millionen Franken erwirtschaftet worden waren, wie das Thurgauer Unternehmen am Dienstag bekannt gab. Unter dem Strich erzielte Stadler einen Reingewinn von 15,7 Millionen Franken. Das sind 43 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Durch die Coronakrise kam es insbesondere zu Unterbrüchen in den Lieferketten. So wurde das Werk in Valencia für drei Wochen geschlossen und die Produktion im Werk in Salt Lake City massiv heruntergefahren. "Von 148 Aufträgen, die sich bei Stadler in der Abwicklung befinden, waren etwa 20 Aufträge direkt von Verzögerungen der Zulieferindustrie betroffen", heisst es in der Mitteilung.

Weiter führten Einschränkungen der Reisetätigkeit von Kunden, Mitarbeitenden und insbesondere der Zulassungsbehörden zu verzögerten Zulassungen und Fahrzeugabnahmen. Deshalb verschieben sich die entsprechenden Umsätze und die Schlussrechnungen für die Fahrzeuge können erst verzögert gestellt werden.

Wegen der stark ausgedünnten Fahrpläne der Bahnbetreiber fielen zudem die Umsätze in der Service- und Komponentensparte unter den Erwartungen aus, wie Stadler weiter mitteilte. Denn langfristige Serviceverträge werden in der Regel anhand der Kilometerleistung der Fahrzeuge abgegolten.

Erwartungen verfehlt

Mit den Zahlen wurden die Erwartungen der Finanzgemeinde weit verfehlt. Analysten hatten im Schnitt gemäss der Nachrichtenagentur AWP mit einem Umsatz von 1,05 Milliarden Franken und einem EBIT von 27,2 Millionen Franken gerechnet.

Bei den Bestellungen sei Stadler allerdings von keinem Einbruch wegen Corona betroffen worden. "Es wurden keine laufenden Aufträge storniert", schrieb der Konzern. Der Auftragsbücher sind weiterhin prall. Im ersten Halbjahr hat Stadler neue Aufträge im Gesamtwert von 3,1 Milliarden Franken gewonnen. Das ist über ein Drittel mehr als im Vorjahr. Der Auftragsbestand stieg gegenüber Ende 2019 um 12 Prozent auf 16,8 Milliarden Franken.

Im Falle der Lieferverzögerungen von Zügen an den Kunden Greater Anglia habe man sich bezüglich einer Strafzahlung einigen können, hiess es weiter. Zudem habe sich der Konzern vom Cyberangriff vom Mai rasch erholt. Damals hatten Hacker Dokumente gestohlen und teilweise im Internet veröffentlicht. Sie wollten 6 Millionen Dollar in Form von Bitcoins erpressen. Der Konzern war zu keinen Zahlungen bereit.

"Dank vollständiger und funktionsfähiger Backup-Daten und dem grossen Einsatz des IT-Teams waren kurzzeitige operative Einschränkungen schnell überwunden und die betroffenen Systeme konnten sehr rasch wieder hochgefahren werden", so das Unternehmen.

Deutlich stärkeres zweites Halbjahr erwartet

Stadler erwartet in der zweiten Jahreshälfte eine starke Erhöhung des Umsatzes und der Profitabilität gegenüber dem ersten Halbjahr 2020. Denn üblicherweise macht der Zugbauer wegen der Saisonalität des Geschäfts in der zweiten Jahreshälfte zwei Drittel des Umsatzes und auch mehr Gewinn. Die Coronakrise habe diese Effekte zusätzlich verstärkt, heisst es.

Die durch die Coronakrise ausgelösten Verzögerungen in den Zulassungs- und Abnahmeprozessen sollten in der zweiten Jahreshälfte teilweise kompensiert werden können.

Für das Gesamtjahr 2020 rechnet Stadler mit einem Umsatz leicht unter dem Niveau von 2019 (3,2 Milliarden Franken). Die EBIT-Marge dürfte über 5 Prozent erreichen. Allerdings schränkt der Zugbauer ein: "Der weitere Einfluss der Coronakrise auf das laufende Geschäftsjahr kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgeschätzt werden."

Im Mai hatte der Konzern wegen unsicheren Geschäftslage als Folge der Pandemie die Finanzziele für das Gesamtjahr 2020 gestrichen. Zuvor hatte die Gruppe eine Umsatzsteigerung auf 3,5 Milliarden Franken angepeilt. Zudem sollte die Betriebsgewinn-Marge mindestens 6 Prozent erreichen.

An den mittelfristigen Prognosen hält Stadler dagegen fest: Da peilt die Gesellschaft eine EBIT-Marge von 8 bis 9 Prozent ab dem Jahr 2023 an. Zudem bestätigte der Konzern die Dividendenpolitik mit einer Ausschüttungsquote von circa 60 Prozent des Nettoergebnisses.

jb/uh