Von Stephen Wilmot

NEW YORK (Dow Jones)--Anleger setzen große Hoffnungen darauf, dass die Autohersteller irgendwann mit softwarebasierten Diensten Geld verdienen werden. Diese sollen den Fahrzeughaltern "over the air" zur Verfügung gestellt werden. Im Moment sind die Kosten für die Aufrüstung der Fahrzeuge für die Hersteller jedoch besser einzuschätzen als die neuen Gewinnmöglichkeiten, die sich eines Tages ergeben könnten. Stellantis, das transatlantische Unternehmen, das Anfang des Jahres durch die Fusion von Fiat Chrysler und Peugeot entstand, hat am Dienstag eine neue Software-Strategie vorgestellt. Das Unternehmen rechnet bis 2030 mit einem Jahresumsatz von 20 Milliarden Euro aus softwaregestützten Produkten und Abonnements, die durch umfangreiche Investitionen in die Computertechnik für Autos ermöglicht werden.

Das Herzstück des neuen Konzepts ist "STLA Brain", eine neue Technologieplattform, die den Weg für wesentlich leistungsfähigere Fahrzeugsoftware-Updates ab 2024 ebnen wird. Das ist der Zeitpunkt, an dem neue Jeeps und RAM-Trucks in Bezug auf ihr Potenzial für personalisierte Dienste und kontinuierliche Verbesserungen wahrscheinlich eher wie Smartphones funktionieren werden. Stellantis hofft, dass die Autofahrer für diese Vorteile zu zahlen bereit sind. Das Modell wäre ähnlich dem von Apple mit seinen iPhones.


   Große Pläne 

Alle großen Autobauer sind auf dem besten Wege dorthin. Im Oktober legte General Motors einen Plan vor, um bis zum Jahr 2030 80 Milliarden US-Dollar Umsatz mit Software und anderen neuen Geschäften zu generieren, einschließlich der ehrgeizigen 50 Milliarden US-Dollar von Cruise, seinem mehrheitlich im Besitz befindlichen fahrerlosen Taxibetrieb. Wenn man Cruise herausrechnet, um die Zahlen besser mit denen von Stellantis vergleichen zu können, liegen die Erwartungen der beiden Autohersteller nicht weit auseinander.

Autohersteller erzielen heute schon Einnahmen aus fahrzeuginternen Dienstleistungen. Stellantis teilte mit, dass das Unternehmen im Jahr 2021 etwa 400 Millionen Euro einnehmen wird, vor allem durch den Verkauf von Navigations- und Live-Verkehrsdaten. Bei GM wird wahrscheinlich der OnStar-Assistenzdienst den Großteil der jährlichen Serviceeinnahmen von zwei Milliarden US-Dollar bringen. Autoversicherungen, die auf realen Fahrdaten basieren, sind vergleichsweise einfach zu realisieren: Stellantis hat angekündigt, im nächsten Jahr ein entsprechendes Programm zu starten.

Die Wette lautet, dass dies nur die ersten Anfänge eines neuen Geschäftsmodells sind, das mit der Zeit die Automobilindustrie dominieren könnte. Darauf setzen auch die Aktionäre. Eine der Begründungen für den Marktwert von Tesla in Höhe von 1,2 Billionen US-Dollar - und für den massiven Anstieg der Börsenbewertung des gesamten Sektors in den letzten zwei Jahren - ist das Potenzial für margenstarke, wiederkehrende Softwareeinnahmen, insbesondere wenn die Autos immer besser im autonomen Modus unterwegs sein werden.


   Bewährungsprobe steht aus 

Stellantis und GM tun gut daran, der Zeit vorauszueilen. Im Moment aber muss sich das Geschäftsmodell noch in nennenswertem Umfang bewähren. Die Fahrzeuge von Tesla führen den softwarezentrierten Trend an, aber selbst Tesla hat noch nicht viel Geld mit Software verdient. Das große Risiko besteht darin, dass digitale Dienste - von einigen Ausnahmen abgesehen - am Ende nur eine weitere Verbesserung der Autotechnik sind, für die Verbraucher nicht bezahlen müssen, weil die Automobilindustrie nach wie vor hart umkämpft ist und alle in dieselben Bereiche investieren.

Selbst wenn man die Prognosen von Stellantis und GM für bare Münze nimmt, werden die Einnahmen erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts wirklich zu wachsen beginnen. Die notwendigen Investitionen sind jedoch schon vorher fällig. Wie seine Konkurrenten aus Detroit versucht auch Stellantis, viele hochbezahlte Software-Ingenieure aus traditionelleren Technologieunternehmen abzuwerben, um das Unternehmen voranzubringen. Autohersteller müssen ihre Wetten frühzeitig abschließen, da die Entwicklung von Fahrzeugen viel Zeit in Anspruch nimmt, insbesondere wenn sich die Technologie so grundlegend ändert. Die Anleger müssen dem nicht folgen. Und wenn wie derzeit noch so vieles im Unklaren ist, sollten sie es auch besser nicht tun.

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December 08, 2021 03:17 ET (08:17 GMT)