In einer Zeit, in der reine Elektrofahrzeughersteller einen Preiskrieg führen, um ihre Marktanteile zu verteidigen, verzeichnet Stellantis an der Börse Rekordwerte mit einem Anstieg von 10% seit Jahresbeginn und 55% im Jahresvergleich. Wie lässt sich diese Leistung in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld in Europa erklären? Ist die Strategie des Konzerns in einem sich wandelnden Automobilmarkt mutig genug?
Einigkeit macht stark
In den Automobilsektor zu investieren war noch nie ein Zuckerschlecken, geprägt von einer bewegten Geschichte mit Dürreperioden, Insolvenzen und Übernahmen. Stellantis ist das Ergebnis einer der größten Fusionen der Branche, die einen Giganten schuf, der mit Schwergewichten wie Toyota, Volkswagen, Ford, General Motors, Mercedes-Benz und BMW konkurrieren kann.
Die Fusion von PSA und FCA im Jahr 2020 verfolgte mehrere Ziele: Einerseits Skaleneffekte und Kosteneinsparungen, andererseits die Bündelung von Innovationsanstrengungen, um den deutlichen Rückstand im Elektrosegment gegenüber Tesla und chinesischen Herstellern aufzuholen.
Die Fusion von PSA und FCA markiert die Geburt eines Giganten
Trotz durch die Gesundheitskrise beeinträchtigter Verkaufszahlen beschleunigte die Fusion die Umsetzung der Elektrifizierungsstrategie und stärkte die Finanzen des Unternehmens.
Diese Transition manifestiert sich in massiven Investitionen in Elektrotechnologien, der Entwicklung von Motoren und Batterien, der Anpassung der Produktionsmittel und einem verstärkten Fokus auf die Softwarekomponente der Fahrzeuge. So erreichten die Investitionsausgaben von Stellantis im Jahr 2023 6% seines Umsatzes, was im Vergleich zu anderen traditionellen Herstellern am oberen Ende liegt und sich den 9% von Tesla annähert.
Rekordverdächtige Leistung
Der zunehmende Anteil von Hybrid- und Elektroautos am weltweiten Verkauf mag nicht überall auf Zustimmung stoßen, doch für Stellantis zahlt sich dies aus. Mit einem Umsatz von 189.544 Millionen Euro im Jahr 2023, einem Anstieg von 7% gegenüber dem Vorjahr, und einem Rekordnettoergebnis, das um 11% auf 18.625 Millionen Euro stieg, setzt das Unternehmen neue Maßstäbe. Zum Vergleich: Das kombinierte Nettoergebnis von PSA und FCA vor der Fusion lag 2019 bei 5,9 Milliarden Euro.
Die wachsenden Verkaufszahlen von Hybrid- und Elektroautos, angekurbelt durch staatliche Subventionen, haben in den letzten fünf Jahren zu einem deutlichen Anstieg der Fahrzeugpreise beigetragen. Zwischen 2019 und 2023 stieg der durchschnittliche Preis eines Neuwagens in Europa um 20% und in den USA um 36%. Ähnlich wie Tesla konnte Stellantis von diesen Preiserhöhungen profitieren, um Rekordmargen zu erzielen. Die Outperformance der Aktie an den Märkten lässt sich daher durch beeindruckende Finanzergebnisse und das wiedergewonnene Vertrauen der Anleger erklären.
Die Wirtschaftsleistung von Stellantis sorgte für Rekordwerte an den Märkten.
Eine umsichtige und widerstandsfähige Strategie
Stellantis steht nun vor zahlreichen Herausforderungen, die die gesamte Branche betreffen, darunter ein nachlassendes Interesse am Elektromarkt und der Druck durch zahlreiche chinesische Hersteller auf die Margen. Doch der erfolgreiche Übergang zu Plug-in-Hybridfahrzeugen, der die Margen deutlich gesteigert hat, gibt Anlass zur Freude. Ähnlich wie Toyota beginnt Stellantis die letzte Phase seiner Elektrifizierungsstrategie und bietet seit 2023 seine Modelle auch in rein elektrischen Varianten an, während gleichzeitig eine breite Palette von Verbrennungs- und Hybridfahrzeugen beibehalten wird.
Was lange Zeit als Last für Hersteller von Verbrennungsfahrzeugen galt, ist nun ihre größte Stärke: die Diversifizierung. Dank des technologischen Aufholprozesses der letzten Jahre können sie von den Verkäufen elektrischer Fahrzeuge profitieren, ohne von den Schwankungen eines stark von staatlichen Subventionen abhängigen und überhitzten Marktes abhängig zu sein.
Die jüngsten Ankündigungen von Tesla bestätigen die Positionierung von Stellantis. Inmitten einer Wachstumskrise auf dem Elektrofahrzeugmarkt verliert die Aktie von Elon Musks Unternehmen seit Jahresbeginn 35% an Wert. Ein Lichtblick, trotz enttäuschender Ergebnisse, war die Ankündigung einer Diversifizierung der Modellpalette durch erschwinglichere Modelle, um dem Druck expandierender chinesischer Konkurrenten standzuhalten.
Zahlreiche Herausforderungen in der Zukunft
Die zunehmende Konkurrenz beginnt bereits, Druck auf das Segment der "Elektrolimousinen" auszuüben. Bisher sind die Margen und Marktanteile von Stellantis durch eine auf Hybridfahrzeuge und elektrische Stadtflitzer ausgerichtete Produktpalette nicht betroffen. Doch mit der bevorstehenden Einführung des chinesischen Riesen BYD auf dem europäischen Markt für Hybrid-SUVs und von Dongfeng oder Zhejiang Leapmotor Technology bei elektrischen Stadtautos muss mit Veränderungen gerechnet werden.
Chinesische Konkurrenz schaltet auf dem US-amerikanischen und europäischen Markt einen Gang höher
Ähnlich wie Tesla im Segment der Premium-Elektrofahrzeuge könnte Stellantis die Auswirkungen seiner starken Abhängigkeit von Hybridfahrzeugen spüren, mit erwarteten Margenrückgängen in den kommenden Jahren in diesem Segment. Obwohl die Verbreitung von Hybridtechnologien in den Fahrzeugen des Konzerns von der Verlangsamung des Elektrofahrzeugmarktes profitiert, darf sich das Unternehmen nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. Eine fortgesetzte ambitionierte Strategie hin zum Elektrofahrzeug ist notwendig, um nicht erneut in eine Situation technologischen Rückstands zu geraten.
Als Zeichen eines unter Druck stehenden Sektors fiel die Aktie innerhalb eines Monats um 15%, trotz positiver Indikatoren für das 1. Quartal 2024. Die Märkte warten auf die detaillierte Veröffentlichung des 1. Quartals am 30. April 2024, insbesondere bezüglich der Margenentwicklung. Anleger sollten auch die Auswirkungen möglicher protektionistischer Maßnahmen in Europa und Nordamerika im Auge behalten, ausgelöst durch die Ankunft chinesischer Konkurrenten.
Aufgrund der starken Performance der Aktie in den letzten drei Jahren und einer Rendite von über 6% bleibt Stellantis ein unverzichtbarer Bestandteil eines diversifizierten Portfolios. Seine Präsenz in Europa und Amerika sowie sein Profil als Industrie- und Technologieunternehmen bieten eine effektive Diversifikation und eine weniger riskante Alternative zu Tesla, dessen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) 2024 bei 72 liegt, also 17-mal höher als das von Stellantis.