KÖLN (dpa-AFX) - Der Werbevermarkter Ströer hat sich in diesem Jahr zum Börsenliebling gemausert. Seit Jahresbeginn ging es kontinuierlich bergauf für die Aktie und damit auch auf einen der vorderen Plätze im SDax-Index. Was bei dem Unternehmen los ist, ob Analysten ihm auch weiterhin Potenzial zutrauen und was sie vom Halbjahresbericht am kommenden Donnerstag (8.8.) erwarten:

DAS IST LOS BEI STRÖER:

Der Werbevermarkter rückt seine Werbekunden in den Großstädten ins Rampenlicht. Bei Ströer steht die Abkürzung OOH für Out-of-Home, sprich Außenwerbung im öffentlichen Raum. Großformatige Werbebanner sollen die Blicke der Passanten auf sich ziehen, wie etwa in Düsseldorf, wo Ströer Anfang Juli einen 64 Quadratmeter-Bildschirm an einem Gebäude an einer viel befahrenen Kreuzung anbrachte. Das ist für Ströer-Verhältnisse noch eine kleine Nummer. Die Firma bietet über ihre Tochter Blowup-Media XXL-Werbeflächen, etwa als Fassadenverkleidung, von bis zu 17 300 Quadratmetern an. So wird zum Beispiel der 47 Meter hohe Glockenturm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am Berliner Breitscheidplatz seit März für sechs Monate komplett von einem gigantischen Werbeposter eingehüllt.

Neben dem Geschäft mit der Außenwerbung setzt das Unternehmen auf den Telefon- und Direktvertrieb, den es durch den Kauf der Firmen Avedo und Ranger im vergangen Jahr ausbaute, und vermarktet außerdem tausende Internetseiten, darunter die von der Deutschen Telekom übernommene T-Online.de.

Wenn es nach Ströer geht, soll Werbung im öffentlichen Raum noch deutlich präsenter werden. Im Juli kündigte das Unternehmen den Aufbau von weiteren 500 Premium-Screens wie in Düsseldorf an. Auf der Installation großformatiger Bildschirme am Straßenrand und beleuchteter Digitalposter liege besonderes Augenmerk, so der Werbevermarkter. Um den Fokus wieder klar auf das Kerngeschäft zu konzentrieren, hat Ströer im zurückliegenden Quartal einige Beteiligungen verkauft, wie die Anteile an dem Essens-Boxen-Versender Foodist und dem Mobile-Performance-Geschäft um Marketing für Smartphone-Apps. Die Anteile am Statistikanbieter Statista wurden hingegen wegen der "unverändert außerordentlich erfolgreichen Entwicklung des Hamburger Unternehmens" auf 100 Prozent aufgestockt, hieß es Anfang Mai.

Die Prognose für das Gesamtjahr - eine positive Umsatz- und Ergebnisentwicklung im mittleren einstelligen Prozentbereich -, bekräftige Co-Chef Christian Schmalzl. Denn er geht davon aus, dass die fortlaufende Digitalisierung den Aufwärtstrend für Außenwerbung (OOH) "mit Wachstumsraten von rund fünf Prozent für mindestens zehn weitere Jahre" antreiben wird. Ströer will sich damit vom Trend in der Medienbranche absetzen. Vor allem Zeitungen leiden unter zurückgehenden Anzeigenerlösen, aber auch TV-Sender haben mit sinkenden Werbeeinnahmen zu kämpfen. Außenwerbung sei hingegen gefragt.

Ströer erfolgreich durch ein schwieriges Marktumfeld zu schiffen, wird auch Aufgabe des im April neu berufenen Finanzchefs sein. Christian Baier, der zuvor für das Beratungsunternehmen McKinsey und die Zalando-Tochter zLabels unter anderem als Finanzchef arbeitete, hat den Posten am 1. August von Bernd Metzner übernommen, der zu dem Pharmazulieferer Gerresheimer wechselt. Für Baier habe vor allem seine "Tech-, Prozess- und Operations-Expertise" gesprochen, sagte Co-Chef Schmalzl. Er soll dabei helfen, die Digitalisierung des Kerngeschäfts und die OOH-plus-Strategie voranzubringen.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Die meisten Marktbeobachter schätzen die Aussichten für die Ströer-Aktie gut ein. Acht von zehn im dpa-AFX-Analyser gelisteten Experten raten zum Kauf des Papiers und zwei zum Halten. Keiner empfiehlt den Verkauf. Von den neueren Analysen seit Juli 2019 raten alle vier zum Kauf bei deutlichem Aufwärtspotenzial.

Besonders optimistisch ist die US-Bank JPMorgan, die dem Papier einen positiven Schub von fast 50 Prozent zum aktuellen Kurs zutraut. Sein Kursziel hat Analyst Marcus Diebel zuletzt von 62 auf 103 Euro angehoben. Im harten Kontrast dazu liegt das niedrigste Kursziel vom Analysehaus Kepler Cheuvreux, das dem Papier gerade einmal 47,50 Euro zutraut, was etwa ein Drittel unter dem aktuellen Kurs liegt. Allerdings stammt diese Studie von Mitte Mai.

JPMorgan-Analyst Diebel rechnet damit, dass Unternehmen zukünftig verstärkt auf Außenwerbung setzen, wovon Ströer profitieren würde. Er hält den Werbevermarkter für ein Kerninvestment im europäischen Mediensektor. Auch die US-Investmentbank Goldman Sachs hat ihr Kursziel für den Werbespezialisten kürzlich erhöht. Analystin Katherine Tait blieb mit einem Ziel von 76,30 Euro zurückhaltender als ihr Kollege von JPMorgan. Ihr neuer Wert berücksichtige nun die jüngsten Branchentrends, Besitzverkäufe und Entwicklungen an den Devisenmärkten, schrieb sie.

Noch etwas vorsichtiger als Tait ist Analyst Oliver Moral von der britischen Investmentbank HSBC. Er erhöhte sein Kursziel zuletzt nur um einen Euro auf 73 Euro. Ströer dürfte sein beeindruckendes Wachstumstempo beibehalten, mit dem zweiten Quartal stehe erneut eine starke Bilanz bevor, schrieb Moral.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Ströer-Aktionäre können sich besonders 2019 über ihr Investment freuen. Seit Jahresbeginn legte die Aktie um mehr als 65 Prozent zu, was ihr einen der vorderen Plätze im Nebenwerte-Index SDax einbrachte. Im selben Zeitrum legte der Index nur um 15 Prozent zu. Seit dem Tief im Jahr 2012 bei etwa 6 Euro hat sich der Wert der Papiere sogar mehr als verzehnfacht.

Der Sprint endete vorerst bei einem Rekordhoch am 30. Juli diesen Jahres von 72,65 Euro. Die Aufholjagd war bei rund 40 Euro Anfang Januar gestartet, womit die Aktie einen Zugewinn von fast 80 Prozent innerhalb von sieben Monaten realisierte.

Damit scheinen Short-Attacken der Vergangenheit anzugehören. 2016 hatte sich Ströer gegen einen Bericht des US-Investors Muddy Waters Capital gewehrt, der den Ausblick des Unternehmens in Frage stellte. Das Papier war auf die kritische Studie hin deutlich eingebrochen, erholte sich aber nach einem Gegenstatement Ströers wieder./elm/knd/he