Berlin (Reuters) - Wirtschaftsminister Robert Habeck und die deutsche Industrie sehen in einem schnellen Investitionsschub einen Schlüssel zur Lösung der Wirtschaftskrise.
Während Habeck sich am Dienstag beim BDI-Klimakongress für umfassende Steuererleichterungen aussprach, forderte BDI-Chef Siegfried Russwurm zudem niedrigere Strompreise und weniger Regulierung. "Der Kern muss darin bestehen, dass mehr in Innovationen investiert wird", sagte der Grünen-Politiker. Firmen müssten stärker steuerlich belohnt werden als die Regierung dies derzeit plane. Hilfen für die Industrie bei Investitionen in klimafreundliche Produktion seien zudem nötig, um diese in Deutschland zu halten, sagte Habeck bei der Übergabe erster sogenannter Klimaschutzverträge an Firmen. Russwurm sagte: "Wir brauchen einen Investitionsboom. Nicht irgendwann, sondern heute."
Deutschlands Wirtschaft ist vergangenes Jahr geschrumpft und auch 2024 wird ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts erwartet. Zugleich leidet die Industrie unter hohen Strompreisen, die auch durch den für die Energiewende nötigen Netzausbau getrieben werden. Habeck sprach sich für Steuergutschriften nach dem Vorbild der USA aus, um Firmen zu unterstützen. Diese führten zwar zunächst zu Einnahmeverlusten des Staates, würde langfristig aber zu mehr Wachstum und höheren Einnahmen führen. In der Ampel-Regierung und der Verpflichtung auf die Schuldenbremse gilt dies im angespannten Staatshaushalt aber als kaum umsetzbar.
Russwurm vom BDI betonte, die Industrie stehe zum Klimaschutz, den Firmen fehle aber Spielraum: "Die Lage ist ernst. Es braucht ein Umdenken, wir sind auf der Verliererstraße." Zu viele detaillierte Vorschriften auch aus Brüssel bremsten. Der Weg der vergangenen Jahre funktioniere nicht mehr. Das Risiko einer Abwanderung der Industrie sei inzwischen real geworden.
VOR ALLEM GRUNDSTOFFINDUSTRIE BEDROHT
Vor allem die Grundstoffindustrie Chemie, Stahl oder Papier, die noch auf fossile Energie wie Kokskohle oder Erdgas angewiesen ist, gilt als bedroht. Für den Umbau zu klimafreundlicher Produktion benötigt sie noch teuren Wasserstoff und braucht daher Unterstützung. Habeck will Unternehmen dafür mehr als zehn Milliarden Euro über sogenannte Klimaschutzverträge geben. So soll die Differenz zwischen den noch hohen Kosten für Wasserstoff und den jetzigen Preisen für fossile Energieträger ausgeglichen werden. Die Verträge laufen über 15 Jahre. Bei einer schnellen Schrumpfung der Preisspanne zwischen den Brennstoffen ist auch eine Rückzahlung von Fördermitteln verankert. In einer ersten Runde werden 15 Firmen unterstützt - mit insgesamt bis zu 2,8 Milliarden Euro.
Habeck verteidigte die milliardenschwere Förderung der Industrie gegen Kritik, diese sei zu teuer: "Dann muss man sagen, das wird das Ende der Stahlproduktion in Deutschland sein oder das Ende des Klimaschutzes." Man könne zwar darüber diskutieren, ob Stahl in Deutschland oder Europa produziert werden müsse. Dieser sei aber wichtig für Autos, Windräder oder auch die Rüstungsindustrie. Für ihn sei es daher klar, dass sie in Deutschland gehalten werden müsse.
Laut einer Studie der Denkfabrik Agora-Energiewende wird die öffentliche Hand allein für den Weg zur Klimaneutralität rund 760 Milliarden Euro kosten. Jährlich müsse die öffentliche Hand allein zwischen 2025 und 2045 im Schnitt rund 38 Milliarden Euro für Klimainvestitionen aufwenden. Dazu kämen aber weitere Beträge, etwa um soziale Härten abzufedern und private Investitionen zu fördern. Viele dieser Mehraufwendungen würden sich wie bei E-Autos über die Lebenszeit aber rechnen. Drei Viertel der jährlich 147 Milliarden Euro an Klimainvestitionen würden von der Privatwirtschaft geleistet, beispielsweise im Energiebereich. Dies werde dazu führen, dass trotz des nötigen Netzausbaus die Stromkosten zunächst stabil und später sinken würden. Durch den Ausbau der Erneuerbaren werde die Abhängigkeit von Energieimporten bis 2045 zudem um 85 Prozent sinken.
(Bericht von Markus Wacket, Christian Krämer; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)